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       # taz.de -- Wirtschaft im Wahlkampf: Soziale Gerechtigkeit ist der effektivste Antifaschismus
       
       > Die Ampel hat darin versagt, für sozialen Zusammenhalt zu sorgen. Die
       > nächste Bundesregierung sollte antifaschistische Wirtschaftspolitik
       > verfolgen.
       
   IMG Bild: Nur wer konsequent Klima, Armut und Umverteilung zusammen denkt, wird den sozialen Zusammenhalt stärken
       
       Soll die AfD gestoppt werden, wird eine Reform der Schuldenbremse nicht
       reichen. Eine andere Wirtschaftspolitik ist nötig – eine, die bei den
       Menschen ankommt, auf ihre Bedürfnisse eingeht und vor allem Sicherheit
       gibt in Zeiten von Krisen, Transformation und geopolitischer
       Unsicherheiten.
       
       SPD und Grüne haben das zuletzt in ihrem Regierungshandeln vernachlässigt.
       Dabei ist eine Wirtschaftspolitik, die diese Ziele verfolgt, extrem
       wichtig, um den Aufstieg der Rechten zu beenden. Das zeigt auch das
       Beispiel USA.
       
       Nach dem Wahlsieg Donald Trumps [1][prägte die Ökonomin Isabella Weber den
       Begriff der „antifaschistischen Wirtschaftspolitik“], derer es jetzt
       bedürfe. Für sie ist der Erfolg des Republikaners eine Folge der massiven
       Inflation in den USA und des falschen Umgangs der Demokraten damit.
       
       „Der neue US-Präsident Donald Trump siegte auch, weil er den Wählerinnen
       und Wählern signalisierte, dass er um ihre wirtschaftliche Notlage weiß“,
       schreibt die in Massachusetts lehrende Wissenschaftlerin im
       Wirtschaftsmagazin [2][Surplus]. Die Demokraten ihrerseits hätten es
       versäumt, das Ausmaß der Krise zu verstehen, und ergriffen dementsprechend
       nicht genug Maßnahmen, die den Druck auf die Menschen in den USA hätten
       mindern können.
       
       Aus diesem Grund ist es ein Fehler, dass die Ampelregierung das Klimageld
       nicht eingeführt hat. Mit ihm sollten die Bürger*innen einen Ausgleich
       für die steigenden CO₂-Preise erhalten. Da das Klimageld als ein fester
       Betrag geplant war, hätten ärmere Haushalte im Verhältnis zu ihrem
       Einkommen mehr profitiert als Besserverdienende. Außerdem hätte es
       [3][klimafreundliches Verhalten] belohnt.
       
       Mit dem Klimageld hätten die Ampelparteien gezeigt, dass sie die Menschen
       mit ihren Sorgen bezüglich steigender Energiepreise nicht allein lassen.
       Stattdessen haben sie die Menschen mit der Debatte um das Heizungsgesetz
       massiv verunsichert und die soziale Seite der Wärmewende nicht ernst
       genommen.
       
       ## Das erste Opfer jeder Koalitionsverhandlung
       
       Dieses Versagen reiht sich ein in eine Politik linker Parteien, die immer
       wieder Enttäuschungen produziert. Seit der Bundestagswahl 2009 versprechen
       SPD und Grüne in irgendeiner Form, Reiche zur Finanzierung von
       Staatsaufgaben stärker heranzuziehen. Die SPD wolle „die höchsten Vermögen
       in unserem Land bei der Finanzierung der Gemeinschaft stärker in die
       Verantwortung nehmen“, heißt es auch dieses Jahr wieder im Programm der
       Sozialdemokraten.
       
       Und [4][die Grünen] schreiben im Wahlprogramm: „Zu möglichen Ansätzen
       gehören: eine globale Milliardärssteuer, eine fairere Erbschaftssteuer,
       eine gerechte Immobilienbesteuerung ohne Schlupflöcher und eine nationale
       Vermögenssteuer auf sehr hohe Vermögen.“
       
       Leider waren solche Versprechen bisher immer die ersten, die bei
       Koalitionsverhandlungen über Bord geworfen wurden. Reale Verbesserungen wie
       die Einführung und Erhöhung des Mindestlohns werden deshalb gar nicht mehr
       wahrgenommen. Vermutlich auch, weil nur die Ärmsten davon profitieren und
       die Verunsicherung weit in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen ist.
       Deshalb muss von einer neuen, progressiven Wirtschaftspolitik auch die
       Mitte der Gesellschaft profitieren.
       
       Selbst ein großes Investitionsprogramm zur Modernisierung der öffentlichen
       Infrastruktur, wie es viele Ökonom*innen fordern, wäre zu wenig. Dies
       zeigt die Erfahrung mit Joe Bidens Inflation Reduction Act. Die Menschen
       müssen am Ende auch unmittelbar und langfristig davon profitieren.
       
       Mindestens drei Maßnahmen müssen deshalb nach den Wahlen über eine
       schuldenbasierte Investitionsoffensive und ein gerechteres Steuersystem
       hinaus umgesetzt werden:
       
       Erstens muss das Klimageld kommen.
       
       Zweitens muss es in Zeiten der Transformation soziale Garantien geben.
       Unternehmen sollten nur noch Subventionen bekommen, wenn sie dafür
       garantieren, keine Arbeitsplätze abzubauen. Es kann nicht sein, dass ein
       Konzern wie Thyssenkrupp einen Milliardenbetrag für den Aufbau einer grünen
       Stahlproduktion bekommt und dann Massenentlassungen ankündigt.
       
       Drittens muss die nächste Bundesregierung etwas gegen die steigenden Mieten
       machen. Sie sind das größte soziale Problem in den Großstädten. Es braucht
       einen bundesweiten Mietendeckel, wie ihn die Linke fordert, der die Mieten
       sechs Jahre lang einfriert.
       
       Diese drei Maßnahmen würden den Menschen in einer sich verändernden Welt
       Sicherheit geben. Das ist wichtig für den Erhalt der Demokratie. Denn
       derzeit bedienen die Rechten mit ihren populistischen Forderungen und ihrem
       Versuch, an der Uhr zu drehen, dieses Bedürfnis nach Sicherheit. Dem muss
       von links etwas entgegengesetzt werden.
       
       9 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Oekonomin-Weber-zu-Wirtschaft-unter-Trump/!6047444
   DIR [2] /Neue-linke-Oekonomiezeitschrift-Surplus/!6061115
   DIR [3] /US-Ausstieg-aus-Klimaabkommen/!6065623
   DIR [4] /Ein-Plaedoyer-fuer-junge-Gruene/!6064932
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simon Poelchau
       
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