URI: 
       # taz.de -- Wahlkampfkampagne für Linken-Kandidaten: Es klingelt in Neukölln
       
       > Vor der Bundestagswahl ziehen Aktivisten in Berlin-Neukölln von Haus zu
       > Haus. Ziel ist das Direktmandat für Ferat Koçak.
       
   IMG Bild: An der Tür: Ferat Koçak macht für sich Werbung und lässt sich dabei gerne helfen
       
       Die erste Person läuft Melina Carls direkt vors Klemmbrett: eine etwa
       50-jährige Frau, die gerade ihr Wohnhaus in der Neuköllner Weserstraße
       verlässt. „Hi, ich bin Melina, von der Linken-Neukölln. Wir wollen Politik
       anders machen und fragen gerade alle hier in der Nachbarschaft, was euch
       wichtig ist“, sagt Carls. Die Frau winkt ab, ist in Eile. „Ich interessiere
       mich nicht für Politik“, sagt sie. Carls hakt nach: „Was würdest du ändern,
       wenn du in Neukölln das Sagen hättest? Hier vor deiner Tür?“, fragt sie.
       
       Die Frau zögert kurz und legt dann los. Sie redet vom Müll auf der Straße,
       nachlässig entsorgter Hausmüll, der Ratten und Mäuse anlockt. Kurz winkt
       sie zu einer Jugendlichen, die am Auto auf sie wartet, es dauere noch. Sie
       schimpft über die Mieten und generell die Wohnungsnot, sie beschwert sich
       über die neuen Poller, die den Verkehr begrenzen sollen, aber zu mehr
       Konflikten mit Radfahrer*innen geführt hätten. „Es gibt so viel, was
       sich ändern müsste, ich weiß gar nicht, wo man anfangen soll“, sagt sie.
       Und auch, dass sie zwar seit Jahrzehnten im Kiez lebe und hier geboren sei,
       aber nicht als „richtige Deutsche“ angesehen werde.
       
       Carls nickt, hört zu, fragt ein-, zweimal nach. „Mit deinem Eindruck bist
       du nicht allein – wir haben schon vorher mit Tausenden Leuten im Kiez
       gesprochen. Und Mieten, steigende Preise, Dreck und der Nahverkehr, das
       waren tatsächlich die Themen, die die meisten angesprochen haben“, sagt
       Carls schließlich. „Wir glauben: Das muss nicht so bleiben. Und Ferat Koçak
       von den Linken will genau an diesen Themen etwas ändern. Er kommt selbst
       aus Neukölln und will mit euch zusammen eure Anliegen umsetzen.“ Sie kramt
       in ihrer Tasche nach den Flyern und setzt dann zur entscheidenden Frage an:
       „Könntest du dir vorstellen, Ferat am 23. Februar deine Stimme zu geben?“
       
       Die Frau guckt auf den Flyer. Das Gespräch hat vielleicht zehn Minuten
       gedauert. Carls weist sie auch auf ein Kiezfest hin, zu dem die Linke-Mitte
       im Februar einladen wird. „Ja, ich kann mir vorstellen, ihn zu wählen“,
       sagt die Frau. „Wäre ja gut, wenn jemand mal etwas ändert.“ Und sie erklärt
       sich auch dazu bereit, Freundinnen davon zu erzählen und Flyer
       weiterzugeben. Dann geht sie zum Auto.
       
       Carls dreht sich um zur Haustür eines fünfstöckigen Mietshauses. Die Tür
       ist noch offen, sie geht in den Flur und klingelt an der nächsten Haustür.
       „Wenn jemand so wie eben sagt, sie interessiert sich nicht für Politik, da
       freue ich mich eigentlich immer. Denn das sind oft Leute, die ihren Alltag
       nicht mit Politik verbinden. Sie sind gefrustet, und am Ende erzählen sie
       richtig viel“, sagt Carls. Bei der nächsten Bewohnerin hat sie weniger
       Glück: „Nicht meine Partei“, sagt diese nur und schlägt die Tür zu. Carls
       zuckt die Schultern und geht die Treppe hoch.
       
       Melina Carls ist eine von mehr als tausend Menschen, die sich in Neukölln
       in einer vom Bezirksverband der Linken ausgerufenen Aktionswoche am
       Haustürwahlkampf beteiligen. Sie ist dafür extra aus Hannover angereist, wo
       sie sich seit Kurzem in der Linken engagiert. Und sie kam nicht allein: Für
       die rund 40 Personen aus ihrer Gruppe hatten sie einen eigenen Reisebus
       gemietet. Dabei sind auch parteiferne Freund*innen, die sich in der
       Klimabewegung oder bei Studis gegen rechts engagieren.
       
       Die Methode, mit möglichst vielen Menschen massenhaft an die Haustüren zu
       gehen, ist noch neu in deutschen Wahlkämpfen. Und Neukölln setzt hierbei
       neue Maßstäbe. Noch nie sollten mehr Gespräche geführt werden, niemals
       zuvor beteiligten sich mehr Menschen. Ferat Koçak, der seit 2021 im
       Berliner Abgeordnetenhaus sitzt und sich als [1][„Aktivist im Parlament“]
       begreift, sagt voller Stolz: „Das ist kein Wahlkampf mehr, das ist eine
       Bewegung.“
       
       Die erste vergleichbare Massenaktion fand im Vorfeld der sächsischen
       Landtagswahl im vergangenen Herbst statt – ebenfalls für einen Kandidaten
       der Linken. Damals warben bis zu 200 Menschen gleichzeitig an den Haustüren
       im Leipziger Osten für Nam Duy Nguyen. Sie klingelten an 50.000 Türen und
       steigerten das Erststimmenergebnis der Linken von 22 auf 40 Prozent.
       [2][Nguyen holte das Direktmandat].
       
       Was damals half, war aber auch ein Aufruf der Kampagnenplattform Campact an
       alle Haushalte, taktisch für die Linke zu stimmen. Vergleichbare
       Unterstützung fehlt in Neukölln. Auch ist die Linke hier nur im Norden
       vergleichsweise verankert, im stark migrantisch geprägten, aber auch
       gentrifzierten Hipster-Stadtteil. Der Süden des Bezirks mit insgesamt
       330.000 Einwohner:innen ist dagegen mit seinen
       Einfamilienhaussiedlungen kein natürliches Linken-Reservat. Für 13 Prozent
       der Erststimmen reichte es für die Partei bezirksweit bei der letzten
       Bundestagswahl, halb so viel, wie der siegreiche SPD-Kandidat Hakan Demir
       einfuhr, und deutlich weniger als Grüne und CDU. Die Vorstellung, als Linke
       diesen Wahlkreis gewinnen zu können, ist eine Anmaßung.
       
       ## Die Rechnung: 80.000 Türen, 8.000 Zusagen
       
       Doch das Wahlkampfteam von Koçak hat durchgerechnet, wie über
       Massenmobilisierung der Erfolg möglich werden soll. Die Formel: An 80.000
       Türen müsse geklopft, 8.000 Wahlzusagen eingeholt werden. Die Hoffnung:
       12.000 zusätzliche Stimmen bringen Koçak auf 20 Prozent, was angesichts der
       ähnlichen Stärke der anderen Parteien für das Direktmandat reichen könnte.
       So erzählen es Annika Hombücher und Antonia Heinrich, die den
       Haustürwahlkampf im „Team Ferat“ koordinieren.
       
       Grundlage ihres Wahlkampfs ist ein „Mapping“ aus der Parteizentrale, sagt
       Hombücher, das in Neukölln 86 Stimmbezirke mit je etwa 1.000
       Einwohner:innen ermittelt hat, in denen sich die Linke aufgrund der
       Sozialstruktur die höchsten Stimmenzuwächse erhofft. Hier wollen sie an
       jede Tür. Gesteuert wird alles über die Linke-Aktivisti-App. Mit dieser
       markieren die Haustürwerber:innen, an wie vielen Türen sie geklopft,
       wie viele Gespräche sie geführt und wie viele Wahlzusagen sie gesammelt
       haben.
       
       Beim Landtagswahlkampf in Leipzig hatte Melina Carls ihre ersten
       Erfahrungen mit Haustürwahlkampf gemacht. Schon ihre zweite Tür damals habe
       sie beeindruckt. Dort war sie auf einen Mann aus Afghanistan getroffen, der
       auf ihre Frage, was er ändern würde, gesagt hatte: Die Bürgergeldempfänger
       seien ein Problem und die Flüchtlinge aus der Ukraine, die alle dorthin
       zurück in den Urlaub fahren würden. Sie habe geschluckt – und „dann habe
       ich mir das zum ersten Mal unkommentiert angehört“, sagt sie. „Es geht in
       diesen Gesprächen darum, herauszufinden, was das Anliegen der Leute ist“,
       sagt sie. „Oft erleben die Menschen etwas als Ungerechtigkeit – und wir
       wollen erst mal zuhören.“
       
       Im Gespräch mit dem Mann wurde klar, dass auch er sich wünschte, sein
       Heimatland zu besuchen, das aber nicht könne. „Wir haben uns am Ende darauf
       geeinigt, dass es allen Menschen möglich sein soll, Urlaub zu machen. Und
       dass es ungerecht ist, dass manche viel weniger arbeiten als er und
       trotzdem ein Vielfaches verdienen.“ Der Mann habe sie mit großen Augen
       angesehen, als sie am Ende fragte, ob er die Linke wählen würde. „Na klar,
       worüber reden wir denn die ganze Zeit?“, habe er gesagt.
       
       „Das ist jemand, den haben wir bisher nicht erreicht – und das ist ein
       tolles Gefühl von Selbstwirksamkeit“, sagt Carls. Die 27-Jährige arbeitet
       in einem Bürojob, den sie auch aus dem Homeoffice machen kann. Sie bleibt
       die ganze Woche in Neukölln, um hier abends und an den Wochenenden die
       Türen abzuklappern. Neukölln ist für sie „der Ort, an dem wir die AfD
       konkret schwächen können“. Auch Koçak wirbt damit: Der Einzug der Linken
       würde die AfD nach derzeitigem Stand sechs Sitze im Bundestag kosten –
       Diäten und Gelder für Mitarbeiter:innen zusammengerechnet bedeute dies
       elf Millionen Euro weniger für die AfD.
       
       Einige Stunden zuvor steht Carls mit mehreren Hundert anderen Freiwilligen
       im Veranstaltungssaal Refugio und spürt „ein Kribbeln“, sagt sie. Hier ist
       das Zentrum des Wahlkampfs für die Woche.
       
       Kurz vor Beginn des Auftaktstreffens geht es emsig zu. Eine Handvoll
       Freiwilliger packt die letzten Beutel für die Wahlkämpfer:innen, mit
       Klemmbrett und Gesprächsleitfaden, Koçak-Flyern und Türhängern, einer
       Kontaktliste und einer Gaza-Petition, die den Stopp von Waffenlieferungen
       an Israel fordert. In dem mit Plakaten und Fahnen geschmückten Saal ist
       schon alles vorbereitet: Kaffee ist gekocht, an den Wänden hängen Hinweise
       für das Awarenessteam und der Plan für die Woche, der neben den
       Aktionszeiten auch Filmvorführungen und Podiusmsdiskussionen beinhaltet. An
       der Anmeldung am Eingang sitzen zwei junge Frauen und sorgen dafür, dass
       sich alle in Listen eintragen, die notwendigen Apps herunterladen und bei
       Bedarf über die extra eingerichtete Bettenbörse verteilt werden.
       
       ## Niemals allein, immer zusammen
       
       Kaum einer, der ankommt, ist älter als 25, maximal 30 Jahre, einige haben
       große Wanderrucksäcke geschultert, kommen aus Leipzig, Freiburg oder Köln,
       sind aktiv beim Studierendenverband SDS, in Klima- und Antifagruppen. Als
       die etwa 150 Sitze im Raum fast alle besetzt sind, beginnt Koçak mit seinem
       Ritual: „Niemals“, ruft er ins Mikrofon, „allein“, schallt es zurück.
       „Immer“ ruft Koçak, „zusammen“ antwortet das Publikum. Angesichts der etwa
       1.000 Anmeldungen, die Zahl ist laut den Organisator*innen nach dem
       Merz-Eklat im Bundestag noch einmal in die Höhe geschnellt, ruft Koçak:
       „Wir werden das Ding hier gewinnen.“
       
       Der 45-Jährige, aufgewachsen in Kreuzberg an der Grenze zu Neukölln,
       erzählt von seinem Großvater, der einst als Gastarbeiter aus Anatolien kam
       und in Deutschland als Asphaltbauer arbeitete. „Während er das Land
       aufbaute, blieb er für viele ein Fremder“, das ist die Erfahrung, an die
       Ferat Koçak anknüpft. Er selbst erlangte überregionale Bekanntheit durch
       einen Anschlag 2018, bei dem [3][zwei mittlerweile verurteilte Neonazis]
       sein Auto direkt neben dem Haus, das er mit seinen Eltern bewohnt,
       angezündet hatten. Das Feuer hätte fast auf die Gasleitung übergegriffen.
       Koçak hat das viel Angst gemacht, bis heute. Sein Politaktivismus ist seine
       Art, damit umzugehen. Kein Berliner Politiker ist häufiger als Redner auf
       Demos, kaum einer ist auf seinen Online-Kanälen so präsent. Fast 70.000
       Menschen folgen seinen täglichen Posts auf Instagram, mehr als 85.000 auf
       Tiktok,
       
       „Wir müssen weg von hier“, habe er seiner Mutter nach dem Anschlag gesagt,
       erzählt Koçak dem Publikum. Sie antwortete ihm: „Wir sind doch schon einmal
       geflohen. Neukölln ist unser Zuhause.“
       
       Mit dieser Art der persönlichen Ansprache kann Koçak ein Publikum für sich
       gewinnen. Später wird er der taz erzählen, dass ihm sein Großvater nach
       seinem Einzug ins Abgeordnetenhaus 2021 gesagt habe: „Vergiss nicht, wo du
       herkommst.“ Auch daraus zog er die Konsequenz, sein Gehalt zu begrenzen.
       Das, so sein Versprechen, soll auch wieder so sein, sollte er in den
       Bundestag einziehen. 2.500 Euro im Monat für ihn, der Rest geht in einen
       Fonds und wird über die Sozialsprechstunde in seinem Büro umverteilt.
       
       In der Wahlkampfzentrale Refugio wird derweil der Druck auf die
       Wahlkämpfer:innen erhöht. Sie mögen sich überlegen, wie oft sie bereit
       sind, an die Türen zu gehen, und wie oft sie das „zusätzlich“ zu ihrem
       bisherigen Vorhaben machen wollen, sagt Wahlkampfmanagerin Hombücher. „Nur
       einmal gehen, kann uns das Genick brechen.“ Wenn alle im Schnitt drei Tage
       mehr investieren würden, könnten 40.000 Türen mehr erreicht werden, so die
       Argumentation.
       
       Die jungen Wahlkämpfer:innen reagieren gelassen, die Stellwand, an der
       man mit Klebepunkten seine zusätzlichen Tage – 1, 4 oder 7 – markieren
       soll, bleibt später fast unberührt. Der Motivation für die Schulung im
       Haustürwahlkampf tut das keinen Abbruch. Gebannt folgt der Saal einem
       Crashkurs über Neukölln, die Gegenkandidaten, alle mit sicheren
       Listenplätzen, und über das richtige Auftreten an der Tür.
       
       Der Antrieb zum Engagement ist der Linken in Neukölln eingeschrieben, der
       Bezirksverband ist Hort des trotzkistischen Netzwerks Marx 21, das die
       Revolution über andauernden Aktivismus erzwingen will. Von hier operierte
       man stets gegen die Regierungsbeteiligungen der Linken im Berliner Senat
       und setzte unabhängig von der Partei auf eigene Themen, zuletzt auf den
       [4][Schulterschluss mit der propalästinensischen Protestszene]. Dass ihr
       Basismitglied Ramsis Kilani wegen Antisemitismus aus der Partei geworfen
       wurde, stößt hier auf wenig Verständnis. Auch deshalb gucken viele in der
       Partei, die sich Ämter vor ihre Vornamen klemmen können, eher mit Befremden
       nach Neukölln. Dort sieht man sich dagegen als einen der erfolgreichsten
       Kreisverbände des Landes mit mehr als 1.000 Mitgliedern und einem der
       besten Wahlergebnisse im Westen.
       
       16 Haustüren, 8 Gespräche, 5 Wahlzusagen trägt Melina Carls am
       Samstagmittag nach ihrem ersten Haus in die App ein. Eine Frau hatte direkt
       gesagt, dass sie Mitglied in der Linken sei. Eine andere, dass sie eh die
       Linke wähle. Ein türkeistämmiger Mann nennt Mieten, Preise und Müll als
       Anliegen, erkennt dann Ferat Koçak auf dem Flyer und ist fast begeistert,
       als er hört, dass er ihn wählen kann.
       
       Eine Anwohnerin hat nicht die deutsche Staatsbürgerschaft und darf nicht
       wählen, ein anderer ist in Brandenburg gemeldet. Ein Mann gibt sich als
       SPDler zu erkennen, stimmt aber zu, dass die Linke im Bundestag wichtig
       sei. Als Carls argumentiert, dass der Neuköllner SPD-Kandidat über die
       Liste eh einziehen wird, lacht er nur und sagt: „Guter Versuch.“ Das
       Gespräch ist beendet, Carls ärgert sich. „Ich habe nicht nach seinen
       Anliegen gefragt. Daher war das schwierig“, bedauert sie. „Ich glaube, den
       hätten wir kriegen können.“
       
       Bundesweit will die Linke ihren Einzug in den Bundestag durch den Gewinn
       von drei Direktmandaten sichern. Sie setzt in Berlin auf Gregor Gysi in
       Treptow-Köpenick und Ines Schwerdtner in Lichtenberg, auf Sören Pellmann in
       Leipzig und Bodo Ramelow in Erfurt. Auf der Partei-Website werden noch drei
       weitere „aussichtsreiche Wahlkreise“ genannt. Von Neukölln: keine Rede. Von
       Spitzenpersonal der Linken an der Seite von Koçak: keine Spur.
       
       Zieht Koçak Wahlkämpfende ab, die dann in Bezirken mit besseren Aussichten
       fehlen, wie etwa Berlin-Lichtenberg, wo ebenso ein ambitionierter
       Haustürwahlkampf läuft? Er weist das zurück: „Es gibt hier sehr viele
       Menschen, die für mich auf die Straße gehen, das für die Linke aber nicht
       tun würden“, sagt er. Migrant:innen, parteiferne Bewegungsaktivist:innen,
       sehr junge Leute, die über Social Media zu ihm gestoßen sind.
       
       ## Viel Engagement aus dem Kiez
       
       Der mangelnden Unterstützung für Koçak aus der Bundespartei steht viel
       Engagement aus dem Kiez gegenüber, etwa von der Filmproduktion Jünglinge,
       die zuletzt die Serie „[5][Schwarze Früchte]“ für die ARD produzierte. Ein
       ganzes Wochenende lang drehen die jungen Filmschaffenden ein Werbevideo für
       Koçaks Erststimmenwahlkampf, das am Dienstag erscheinen soll. Zum
       Abschlussdreh sind etwa 80 Menschen an der Kindl-Treppe zusammengekommen,
       ein mehrfach gewendeter Aufgang, der sich zwischen mit Graffiti übersäten
       Betonwänden zu dem ehemaligen Brauerei-Areal hochwindet.
       
       Während ein feministischer Chor auf der Treppe Aufstellung genommen hat,
       zwei Dutzend Statist:innen an ihrem Fuße warten und aus dem Pulk von
       Produzent:innen, Kamera- und Tonleuten die Anweisungen gebrüllt werden,
       läuft Koçak etwas abseits die Straße rauf und runter. Immer wieder hört man
       ihn sagen: „Neukölln hat Hoffnung!“ Fast wirkt es so, als wolle er sich Mut
       zusprechen. Kurz zuvor noch hatte er erzählt, dass sein Gegenkandidat der
       SPD mit einer aus seiner Sicht wenig repräsentativen Umfrage und der
       Erzählung „Entweder ich – oder die CDU“ hausieren geht. Doch in diesem
       Moment übt Koçak den Text, den er gleich in die Kamera sprechen wird,
       während hinter ihm der Chor die Hoffnung des Bezirks besingen wird.
       
       Kontakt zwischen Koçak und den Produzent:innen gab es vorher keinen.
       Das Produktionsteam sei auf ihn zugegangen, die viele Arbeit machen sie
       „for free“, sagt Produzentin Paulina Lorenz: „Uns ist es wichtig,
       Solidarität zu zeigen.“ Mit der Linken? „Nein, wir machen das für ihn, für
       seine Arbeit, seinen Antifaschismus.“ Mitproduzentin Raquel Dukpa ergänzt:
       „Wenn die Revolution beginnt, dann in Neukölln.“ Es ist ein Satz von Koçak.
       Dieser Hoffnung auf eine Community, die sich gegen Rassismus und
       Abschiebungen wehrt, für bezahlbare Mieten und einen besseren Nahverkehr
       einsetzt, wollen sie mit dem Video Ausdruck verleihen.
       
       Am Tag danach macht die Haustür-Gruppe noch mal andere Erfahrungen, da sind
       sie im Neuköllner Süden unterwegs. „Vor dem ersten Haus haben uns Leute auf
       der Straße einfach angeschrien, und der Mann an der ersten Tür hat uns
       AfD-Flyer hingehalten und gesagt, niemand anderes im Haus spricht Deutsch,
       ihr könnt gleich wieder gehen“, erzählt Melina Carls. Weiter oben im Haus
       dann eine Mieterin, deren Familie seit vier Generationen in Deutschland
       sei, und die ihr erzählt habe, dass sie seit Tagen darüber sprechen würden,
       ob sie zurück in die Türkei müssten. „Der Tag hat uns nachdenklicher
       gemacht, aber auch gezeigt: Wir machen hier das Richtige“, sagt Carls.
       
       „In der Partei ist so eine Aufbruchstimmung, viele Menschen politisieren
       sich gerade, vor allem auch migrantische“, sagt Koçak.
       
       Die Erfolgsmeldungen verbreitet er täglich. Bis zum Freitag haben die
       Neuköllner bereits an 72.929 Türen geklopft. 7.064 Menschen haben
       versprochen, Koçak zu wählen.
       
       8 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Linken-Abgeordneter-Ferat-Kocak/!5809397
   DIR [2] /Wahlgewinner-Nam-Duy-Nguyen/!6031181
   DIR [3] /Neonazi-Prozess-in-Berlin/!6051397
   DIR [4] /Die-Linke-und-der-Nahost-Konflikt/!6060057
   DIR [5] /Deutsche-Serie-Schwarze-Fruechte/!6040217
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
   DIR Uta Schleiermacher
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Stadtland
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Wahlkampf
   DIR Berlin-Neukölln
   DIR Ferat Koçak 
   DIR Die Linke
   DIR GNS
   DIR Schwerpunkt Stadtland
   DIR Instagram
   DIR Schwerpunkt Stadtland
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Die Linke Berlin
   DIR Demokratie
   DIR Die Linke
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Wahlkampf
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Pascal Meiser über Traditionen: „Ströbele wäre bei uns mehr als willkommen“
       
       Pascal Meiser sitzt für die Linken im Bundestag. Der Kreuzberger hat den
       Wahlkreis gewonnen, den der Grüne Hans-Christian Ströbele bekannt gemacht
       hat.
       
   DIR Tugend-Posting auf Social Media: Aktivismus ist Handarbeit
       
       Was machen wir eigentlich, wenn wir auf Instagram Haltung zeigen? Und vor
       allem: Für wen machen wir das? Es geht um Reichweite – aber nicht nur.
       
   DIR Linke sucht Basis: Kampf um den Kiez
       
       Immer mehr linke Gruppen machen Stadtteilarbeit. In Bremen engagiert sich
       die Linke, um dem Rechtsruck in der Gesellschaft entgegenzutreten.
       
   DIR Wahlerfolg der Linkspartei: Wenn die Linke 139.000-mal klingelt
       
       Die Linkspartei hat ein spektakuläres Comeback hingelegt. Für eine Reform
       der Schuldenbremse kommt man im Bundestag nicht mehr an ihr vorbei.
       
   DIR Ferat Koçak über Wahlerfolg in Neukölln: „Wir haben hier eine Bewegung aufgebaut“
       
       Auch nach der Wahl will Linken-Politiker Ferat Koçak die Haustürgespräche
       in Neukölln fortsetzen. Ziel sei, die Menschen an seinem Mandat zu
       beteiligen.
       
   DIR Direktmandate bei der Bundestagswahl: Gewonnen und doch verloren
       
       Dank Wahlreform gehen einige erfolgreiche Direktkandidat:innen leer
       aus. Betroffen sind vor allem CDU und CSU in Baden-Württemberg und Bayern.
       
   DIR Wahlerfolg der Linken: Das rote Berlin
       
       Überraschend hat die Linke in Berlin die Bundestagswahl gewonnen. Sie
       positioniert sich als Bollwerk gegen den Rechtsruck – und als
       Kümmererpartei.
       
   DIR Bundestagswahl in Berlin: Die Linke räumt ab in der Hauptstadt
       
       Die jüngst noch abgeschriebene Partei wird Nr. 1. Grüne gewinnen drei
       Wahlkreise, einen mit nur 61 Stimmen Vorsprung. Erstes Direktmandat für
       AfD.
       
   DIR Die Neuen in der Linkspartei: Jung, links und entschlossen
       
       Die Linke gewinnt täglich an Mitgliedern. Wer sind die Neuen? Warum treten
       sie gerade jetzt ein? Und wie soll es nach der Wahl für sie weitergehen?
       Aus Pirna, Offenbach und Berlin.
       
   DIR Parteienforscherin über Mitgliedszuwachs: „Mitglieder sind unglaubliche Multiplikatoren“
       
       Mehr Mitglieder bei Linken und Grünen sind keine Garantie für bessere
       Umfrageergebnisse, sagt Parteienforscherin Kölln. Und doch gibt es
       Vorteile.
       
   DIR Fünfpunkteplan beschlossen: Linke will Vermögen von Milliardären halbieren
       
       „Es sollte keine Milliardäre geben“, meint die Linke. Jetzt legt sie
       Steuervorschläge vor, mit denen Reiche zur Kasse gebeten werden sollen.
       
   DIR BSW im Wahlkampf: Die Klippen umschifft
       
       Das Bündnis Sahra Wagenknecht schwächelt in den Umfragen, hinzu kommen
       interne Querelen. In Waren an der Müritz macht das nichts aus.
       
   DIR Migrantische AfD-Anhänger: „Ausländer für Deutschland“
       
       Die Parteipräferenz von migrantischen Wähler:innen ist unterschiedlich.
       Auch wenn es widersprüchlich scheint, wählen einige von ihnen die AfD. Ein
       AfD-Wähler erklärt warum.
       
   DIR Die Linke und der Nahost-Konflikt: Nun sag, wie hältst du es mit Gaza?
       
       In Berlin-Neukölln lebt die größte palästinensische Diaspora Europas. Linke
       Parteien werben dort um eine Klientel, die sich politisch heimatlos fühlt.