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       # taz.de -- Christian Lindner vor der Bundestagswahl: Der Angezählte
       
       > FDP-Chef Christian Lindner will seine Leute auf Kurs bringen. Zuletzt
       > wurden die Risse in der Partei größer.
       
   IMG Bild: Fährt einen schleierhaften Kurs: FDP-Chef Christian Lindner
       
       Berlin taz | Christian Lindner glaubte fest daran, dass sich bessere
       Umfrageergebnisse für seine FDP einstellen würden. Die Meinungsinstitute
       würden die Liberalen bei 5 Prozent und mehr listen, wenn die heiße Phase
       des Wahlkampfs beginne und die Leute ihre Neujahrslethargie abschüttelten.
       Jetzt ist die Phase heiß – Lindners Prophezeiung ist bislang aber
       ausgeblieben. Lindner setzt seine Hoffnung nun auf den Parteitag, mit dem
       die FDP am Sonntag ihren Endspurt einleiten will. Doch es gibt da ein paar
       Probleme.
       
       Führende Mitglieder der FDP-Fraktion haben dem Parteichef die Gefolgschaft
       verweigert. [1][Bei der Abstimmung zu dem restriktiveren Migrationsgesetz],
       das die Union am vergangenen Freitag auch mit den Stimmen der AfD
       durchbringen wollte, waren etwa ein Viertel FDP-Abgeordnete nicht auf Linie
       mit der Ansage Lindners, dem Vorhaben zuzustimmen. Unter denjenigen, die
       keine Stimme abgaben, waren auch der Parlamentarische Geschäftsführer der
       Fraktion, Johannes Vogel, und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende
       Konstantin Kuhle. Beide gehören zum sozialliberalen Lager der Partei und
       gelten als mögliche Anwärter für Lindners Nachfolge.
       
       Sollte die FDP den Wiedereinzug in den Bundestag verpassen, könnte dieser
       Fall schneller eintreten als gedacht. Denn Lindner führt einen riskanten
       Wahlkampf, in dem er sich und die FDP an die Union gekettet hat. Schon
       Anfang des Jahres hatte der Parteichef die CDU aufgefordert, für ein
       schwarz-gelbes Bündnis einzustehen und den Wahlkampf gemeinsam zu
       bestreiten. Doch Friedrich Merz fährt einen anderen Kurs. Der CDU-Chef
       gönnt der FDP nicht einmal das schlechteste Umfrageergebnis: „Vier Prozent
       sind vier Prozent zu viel für die FDP und vier Prozent zu wenig für die
       Union“, sagte Merz zuletzt den Funke-Medien.
       
       Die Union steht, nachdem sie die AfD für die gewünschte „Zustrombegrenzung“
       zwar gewonnen, die Abstimmung zum Gesetz jedoch verloren hatte, selbst mit
       dem Rücken zur Wand. Merz ist, mit seinen Worten, „all in“ gegangen und hat
       verloren – nun schielt er auch nach den Pokerchips der Liberalen. Keine
       gute Ausgangslage für den FDP-Chef.
       
       Zumal sich Lindner auch in die andere Richtung die Handlungsoptionen
       verbaut. Auf dem Parteitag möchte er den Beschluss durchsetzen, dass die
       FDP nach den Bundestagswahlen – für Lindner ist der Einzug ins Parlament
       keine hypothetische Frage – nicht mit den Grünen koaliert. In den letzten
       Tagen des Wahlkampfs will Lindner alles loswerden, was noch an die
       zerbrochene Regierung erinnern könnte. Doch die Strategie führt in einen
       engen Korridor: Neben der größtmöglichen Distanz zu den Grünen auf der
       einen Seite und einer Anbiederung an die wirtschaftsliberale CDU von Merz
       bleibt nicht viel Raum für ein pures FDP-Programm, mit dem sich der
       Parteichef so gerne rühmt.
       
       Wer in dem uneindeutigen Abstimmungsergebnis der FDP zum
       „Zustrombegrenzungsgesetz“ bei dem Parteitag auf einen inhaltlichen Streit
       der FDP zu Migrationsfragen hofft, dürfte enttäuscht werden. Die Liberalen
       wollen das Zeichen setzen, dass man die Einwanderung nach Deutschland
       begrenzen muss.
       
       Als am vergangenen Mittwoch der inhaltlich deutlich schärfere Antrag mit
       den Stimmen der AfD den Bundestag passierte, mit dem die Union Asylsuchende
       pauschal an den Grenzen zurückweisen wollte, stimmte die FDP wie von
       Lindner angekündigt fast geschlossen zu. Unter den neun FDPlern, die keine
       Stimme abgaben oder sich enthielten, war jedoch erneut Fraktionsvize Kuhle.
       
       Anfang der Woche wurden dann [2][interne Chats von Wolfgang Kubicki
       bekannt], in denen er ironisch ankündigte, unter anderem Kuhle und Vogel
       könnten nun die Führung des Wahlkampfs übernehmen. Er räume schon mal sein
       Büro auf, schrieb der Parteivize in Anspielung auf die Bundestagswahl, die
       dann wohl verloren gehen würde.
       
       In der FDP-Fraktion will man diese Einlassung nicht zu hoch hängen. Kubicki
       habe seinem Ärger kurz Luft gemacht, heißt es. „Man muss bei den
       Probeabstimmungen in den Fraktionssitzungen auch mitzählen“, sagte eine
       Abgeordnete der taz. So hätte auch Kubicki das Ergebnis eigentlich
       voraussehen können, sagte sie. Der Vizechef wird am Sonntag den Parteitag
       eröffnen, Überraschungen sind da nicht ausgeschlossen.
       
       7 Feb 2025
       
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   DIR [1] /Bundestag-stimmt-gegen-Unionsantrag/!6066473
   DIR [2] https://www.tagesspiegel.de/politik/ich-raume-schon-mal-mein-buro-auf-kubicki-schrieb-wohl-wut-nachricht-in-fdp-chat--und-attackiert-abweichler-13132957.html
       
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