# taz.de -- Musik von Komponist*innen of Color: „Aus der Musikgeschichte gestrichen“
> Das Bremer Namu-Ensemble pflegt die Musik verdrängter Komponist*innen.
> Sein Programm „Romantic of Color“ umfasst Musik aus drei Kontinenten.
IMG Bild: Auch die brasilianische Komponistin Chiquinha Gonzaga wird bei „Romantics of color“ gespielt
taz: Frau Seiler, wie kommen Sie an die Musik von Künstler:innen, die
vergessen wurden?
Dannielle Seiler: Das ist tatsächlich schwierig und braucht viel Recherche.
Erst mal muss man die Komponist:innen überhaupt finden. Es gibt dafür
verschiedene Datenbanken. Sobald ich die Namen entdeckt habe, kann ich dann
zum Beispiel beim [1][International Music Score Library Project schauen],
ob Partituren hochgeladen wurden. Die sind zwar meistens uralt, aber so
kommen wir zumindest an die Noten.
taz: Bei diesem Konzert spielen Sie Stücke von vier Komponist:innen. Wieso
haben Sie sich gerade für die entschieden?
Seiler: Wir wollten die Vielfalt der Musik von People of Color zeigen und
deshalb Musik aus verschiedenen Regionen der Welt spielen. Es geht darum,
nach und nach ein Gesamtbild der Geschichte zu erhalten. Die vier
Komponist:innen des Konzerts „Romantic of Color“ stammen also aus
Europa, Süd- und Nordamerika.
taz: Sie sind Mitgründerin des Namu-Ensembles, das sich auf die Musik
unterrepräsentierter Komponist:innen spezialisiert hat. Wie kamen Sie
auf die Idee?
Seiler: Susanne Milkus, die andere Gründerin, und ich waren unzufrieden
damit, wie viel Musik wegen des Geschlechts oder der Herkunft von
Komponist:innen nicht gespielt wurde. Es gab Menschen mit sehr
unterschiedlichen Hintergründen, die komponiert haben und in der Musikszene
sehr aktiv waren, heutzutage auf Bühnen aber nicht ausreichend präsent
sind. Wir wollten dazu beitragen, dass auch in Bremen diese Musik zu hören
ist, und sie zugänglicher machen. Der Bremische Kultursenator und die
Waldemar-Koch-Stiftung ermöglichen uns durch ihre Unterstützung, die
Ticketpreise relativ günstig zu halten.
taz: Sie nennen sich Namu-Ensemble, warum?
Seiler: Namu ist koreanisch. Es bedeutet Holz. Wir dachten, das passt, weil
alle Instrumente, die wir spielen, irgendetwas mit Holz zu tun haben. Das
sind unsere Bläser: Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, Horn und die
Streicher: Geige, Bratsche, Cello und Kontrabass.
taz: Wie ändert sich der Übungsprozess, wenn Sie Werke von
Künstler:innen spielen, die heute weitgehend nicht mehr gehört werden?
Seiler: Man merkt bei der Vorbereitung dieser Stücke, dass sie sehr
vielfältig sind. Man muss die Stücke erst mal durcharbeiten und dann
gemeinsam versuchen, dem Stil gerecht zu werden. Die Komponist:innen
beziehen alle „westliche“ Musik, die wir oft als „klassische“ Musik
bezeichnen, in ihre Stücke mit ein, also Bach, Mozart und so weiter. Sie
beziehen aber auch andere Musikstile mit ein, die im Musikstudium hier zum
Teil überhaupt nicht gelehrt werden, weil das Studium die Vielfalt von
Musikrichtungen nicht abbildet. Zum Beispiel Florence Price, eine
Komponistin aus den USA, deren „Fantasie Nègre“ wir spielen, hat ganz viel
„klassische“ Musik gelernt, wollte später aber auch afroamerikanische Musik
miteinbeziehen.
taz: Gibt es noch eine Geschichte eine:r Komponist:in, sie Sie gern teilen
möchten?
Seiler: Wir haben ja auch „Hiawatha“ von Samuel Coleridge-Taylor im
Programm. Das war zu seiner Zeit weltberühmt, das ist wichtig, zu erzählen.
Trotzdem ist so wenig von ihm überliefert. Das ist doch extrem merkwürdig:
Die Stücke waren gefeiert, aber nach seinem Tod hat man ihn aus der
Musikgeschichte gestrichen. Solche Geschichten finden wir häufig.
taz: Was wünschen Sie sich auch von anderen Ensembles und Orchestern?
Seiler: Es müssten viel regelmäßiger Stücke diskriminierter
Künstler:innen gespielt werden. Das ist eine Art musikhistorische
Gerechtigkeit. Die Musik, die wir hören, sollte genauso vielfältig sein wie
die Gesellschaft, in der wir leben. Je mehr wir die Musik
unterrepräsentierter Künstler:innen spielen, desto mehr Menschen wollen
die Stücke dann immer wieder hören.
15 Feb 2025
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## AUTOREN
DIR Marie Dürr
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