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       # taz.de -- Meduza-Auswahl 23. – 29. Januar 2025: Immer größere Armut in Russland
       
       > Berichte über Russlands Wirtschaft sind oft widersprüchlich: Trotz
       > Sanktionen scheint sie zu wachsen. Wie kann das sein?
       
   IMG Bild: Vom Krieg profitiert nicht nur Vladimir Putin
       
       Das [1][russisch]- und [2][englischsprachige] Portal Meduza zählt zu den
       wichtigsten unabhängigen russischen Medien. [3][Im Januar 2023 wurde Meduza
       in Russland komplett verboten]. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme
       gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter
       taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber
       Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der [4][taz Panter Stiftung]
       gefördert. 
       
       In der Zeit vom 23. bis 29. Januar 2025 berichtete Meduza unter anderem
       über folgende Themen: 
       
       ## Die Schere zwischen Arm und Reich wächst
       
       Das Wohlstandsgefälle in Russland war schon immer groß, aber mit dem Krieg
       gegen die Ukraine wird die Kluft immer extremer. Berichte über die
       Wirtschaft scheinen oft widersprüchlich: Trotz der internationalen
       Sanktionen steckt der Kreml Milliarden in die Verteidigung und bietet immer
       höhere Prämien für die Rekrutierung von Soldaten. Gleichzeitig kämpft das
       Land mit einem Arbeitskräftemangel, da Tausende in den Krieg geschickt
       wurden. Außerdem hat die steigende Inflation die Löhne gedrückt.
       
       Doch Russlands Superreiche werden immer reicher – und diejenigen, die auf
       westlichen schwarzen Listen stehen, übertreffen oft sogar ihre
       Konkurrenten. Um diese widersprüchliche Dynamik in der russischen
       Wirtschaft zu entschlüsseln, [5][sprach Meduza mit Jem Morrow, einem
       Forscher, der die russische Gesellschaft untersucht (englischer Text).]
       
       „Es gibt Gruppen von Menschen, die vom Krieg profitieren“, sagt Morrow: Die
       Familien der Soldaten, Arbeiter im militärisch-industriellen Komplex und
       Unternehmer.
       
       ## Ein renteneintrittsfreies Jahr in Russland
       
       Im Jahr 2018 führte Russland eine Rentenreform durch: Das
       Renteneintrittsalter für die meisten Frauen wurde von 55 auf 60 Jahre, für
       die meisten Männer von 60 auf 65 Jahre angehoben. Dadurch entsteht nun eine
       ungewöhnliche Situation: Im Jahr 2025 wird praktisch niemand Anspruch auf
       eine altersabhängige Rente haben. [6][Meduza erklärt auf Englisch, wie
       dieser Übergang funktioniert und wer in diesem Jahr noch einen Anspruch
       hat.]
       
       Das Jahr 2025 ist ein „Lückenjahr“, in dem niemand in den Ruhestand
       versetzt wird. Für diejenigen, die nach der alten Regelung 2021 in Rente
       gegangen wären, wurde das Rentenalter um drei Jahre angehoben, so dass sie
       erst 2024 in Rente gehen können. Für diejenigen, die 2022 in den Ruhestand
       gehen sollten, wurde das Renteneintrittsalter um vier Jahre nach hinten
       verschoben, so dass sie erst 2026 in Rente gehen können.
       
       Es ist nicht das erste Mal, dass ein solches Lückenjahr auftritt. Im Jahr
       2023 konnte niemand im Rahmen des Rentensystems in den Ruhestand gehen, und
       das Gleiche wird auch 2027 der Fall sein.
       
       ## In US-Knästen sitzen russische Oppositionelle
       
       Am 1. August 2024 wurde der russische Oppositionspolitiker Ilja Jaschin im
       Rahmen eines historischen Gefangenenaustauschs zwischen Russland und
       westlichen Ländern aus dem Gefängnis entlassen. Er saß lange ein, weil er
       angeblich „Desinformationen“ über Russlands umfassenden Krieg in der
       Ukraine verbreitet hatte.
       
       In den Monaten nach seiner Entlassung erhielt Jaschin – der jetzt in
       Deutschland lebt – Nachrichten von Menschen, die ihn um Hilfe baten: Denn
       die US-amerikanischen Einwanderungsbehörden hatten damit begonnen,
       russische Staatsangehörige bis zur Entscheidung über ihre Asylanträge in
       Haft zu nehmen. So saßen sie oft monatelang ein. Am 22. Januar gab Jaschin
       bekannt, dass er Briefe an die Leiter von sechs großen US-Medien geschickt
       hatte, in denen er sie bat, auf die Notlage seiner Landsleute aufmerksam zu
       machen. [7][Meduza sprach mit Yashin auf Englisch über seinen Einsatz für
       Betroffene.]
       
       „Die Situation insgesamt ist einfach ungeheuerlich. Menschen, die keine
       Verbrechen begangen haben, werden ins Gefängnis gesteckt. Sie fliehen aus
       Russland, weil sie gegen den Krieg sind, sie fliehen vor der Repression und
       vor Putins Gefängnissen – nur um dann in amerikanischen Gefängnissen zu
       landen“, sagt er. Und fragt: „Warum werden die Menschen so hart behandelt,
       wenn sie doch nur Asyl in einem Land suchen, das als der führender freier
       und demokratischer Staat der Welt bekannt ist?“.
       
       ## Russlands Innenministerium jagt LGBTQ-Menschen
       
       Nachdem der Oberste Gerichtshof Russlands die nicht existierende
       „internationale LGBT-Bewegung“ im November 2023 zu einer „extremistischen
       Organisation“ erklärt hatte, hat das Innenministerium eine regelrechte Jagd
       auf queere Menschen eröffnet: Überall im Land werden Razzien in
       Schwulenclubs und auf Partys durchgeführt. Homosexuelle werden unter die
       Aufsicht von Polizisten aus der Nachbarschaft gestellt. Der Druck wird von
       der Sammlung persönlicher Daten queerer Menschen begleitet.
       
       Nun diskutieren die Behörden, wie die Meduza-Sonderkorrespondentin Liliya
       Yapparova herausfand, ein einheitliches elektronisches Register von
       LGBTQ+-Personen einzuführen. [8][Das Entstehen einer solchen Datenbank
       würde grenzenlose Möglichkeiten für Erpressung und Schikanen gegenüber
       queeren Menschen schaffen (russischer Text).]
       
       Einige Partyveranstalter geben selbst die Kontakte ihrer Gäste an die
       Strafverfolgungsbehörden weiter – entweder unter Druck oder einfach in der
       Hoffnung, dass sie in Ruhe arbeiten können. „Wir fallen nicht unter [die
       Verschärfung der LGBTQ-Gesetzgebung], weil wir mit der Polizei
       zusammenarbeiten“, sagt ein Partyveranstalter Meduza.
       
       Er lasse Beamte in Zivil zu seinen Veranstaltungen, und sie hätten auch
       Zugang zum geschlossenen Telegram-Chatraum, in dem die Gäste ihre Fotos,
       Telefonnummern und Testergebnisse hochladen müssen. Dies ist eine Bedingung
       für den Zutritt zur Party. Er erklärt: „Im gleichen Chatroom befinden sich
       auch Mitarbeiter von drei Abteilungen, welche das sind, verrate ich nicht.
       Und wenn sie einen der Gäste interessant finden, gebe ich ihnen
       ausführliche Informationen über ihn: wann er bei uns war, was er gemacht
       hat, was er mag und bevorzugt“.
       
       29 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://meduza.io
   DIR [2] https://meduza.io/en
   DIR [3] /Russische-Medien-im-Exil/!5911767
   DIR [4] /!v=4269299f-23bb-40f2-a4ea-2b1b1ae40192/
   DIR [5] https://meduza.io/en/feature/2025/01/28/the-end-of-the-war-will-herald-far-more-challenges-for-the-regime-than-the-war-itself
   DIR [6] https://meduza.io/en/feature/2025/01/24/in-2025-almost-no-russians-will-qualify-for-age-based-retirement-here-s-why
   DIR [7] https://meduza.io/en/feature/2025/01/24/they-escape-putin-s-prisons-only-to-end-up-in-america-s
   DIR [8] https://meduza.io/feature/2025/01/27/my-teper-vseh-vas-znaem
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tigran Petrosyan
       
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