# taz.de -- Regierungskrise in Norwegen: EU-Energiepolitik lässt Koalition platzen
> Die Zentrumspartei verlässt das Bündnis mit den Sozialdemokraten.
> Ministerpräsident Jonas Gahr Støre bleibt vorerst im Amt.
IMG Bild: Norwegens Premierminister Jonas Gahr Store verkündet das Ende der Zusammenarbeit mit der dass Arbeitspartei
Härnösand taz | Zum ersten Mal seit 25 Jahren hat Norwegen eine
Ein-Parteien-Regierung – wenn auch keine besonders starke: Im Streit über
die Energiepolitik des Landes hat sich die Zentrumpspartei (Sp) am
Donnerstag aus der Minderheitsregierung zurück gezogen und und die
sozialdemokratischen Arbeiterpartei (Ap) allein gelassen. Entscheidend
waren konträre Ansichten über die Einführung eines EU-Energiemarktpakets –
dabei ist Norwegen gar kein EU-Mitglied.
Die Auseinandersetzung hatte sich seit Längerem zugespitzt, bis die
Zentrumspartei ernst machte. Ihr Parteichef, der bisherige Finanzminister
Trygve Slagsvold Vedum, und Fraktionschefin Marit Arnstad verkündeten in
Oslo den Ausstieg ihrer Partei. Zentrales Argument ist die Sorge, dass die
Arbeiterpartei sich zu sehr an den europäischen Strommarkt binde und damit
[1][die Strompreise in Norwegen] unkontrollierbar steigen würden.
„Wir waren die ganze Zeit sehr klar in unserer Haltung, dass es für uns
nicht in Frage kommt, den Prozess zu beginnen, der uns enger an den
dysfunktionalen Strommarkt der EU bindet“, sagte Vedum. Arnstad fügte
hinzu: „Wir können nicht in einer Regierung mit der Ap sitzen, ohne einen
anderen energiepolitischen Kurs einzuschlagen.“
[2][Ministerpräsident Jonas Gahr Støre] bleibt vorerst im Amt, was der
jetzt ehemalige Koalitionspartner unterstützt. „Wir werden eine sachliche
und konstruktive Oppositionspartei sein“, sagte Arnstad. Støre sagte laut
dem norwegischen Rundfunk NRK bei einer Pressekonferenz, dass er sich einen
anderen Ausgang des Konflikts gewünscht hätte. Er betonte aber, es sei nur
um diese Sachfrage gegangen. „Wir trennen uns als politische Freunde.“
Støre darf nun acht Ministerposten neu besetzen.
## Erst der Anfang
Der Streit dreht sich um den Teil des vierten Energiemarktpakets der EU,
den die Arbeiterpartei auch für Norwegen einführen möchte. Die
Zentrumspartei fürchtet, dass das nur der Anfang ist und nach und nach das
ganze Paket eingeführt wird. Støre wies diese Befürchtung am Donnerstag
zurück: „In einer Situation mit so großer Instabilität auf dem europäischen
Energiemarkt ist es nicht aktuell für die Arbeiterpartei, auch die übrigen
fünf Direktiven dazu einzuführen“, sagte er.
In Norwegen wird im Herbst gewählt, vor der Wahl wollte Støre die drei
Direktiven einführen, die regeln, dass mindestens 32 Prozent des
EU-Energieverbrauchs bis 2030 aus erneuerbaren Quellen kommen soll, dass
die Gebäudeenergieffektivität wächst und Energie effektiver genutzt wird.
Von EU-Seite aus hat Norwegen Zeit bis zum 21. Mai, das Paket einzuführen.
Norwegen kann als Land des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ablehnen,
neue EU-Regelwerke in nationale Gesetzgebung zu gießen, hat von diesem
Recht bisher aber keinen Gebrauch gemacht.
Støre vertritt die Ansicht, dass die Bindung an diese EU-Direktiven nicht
zu höheren Strompreisen im eigenen Land führen werde. Außerdem sieht die
Arbeiterpartei es als wichtig an, sich gerade in geopolitisch unsicheren
Zeiten eng an die EU zu binden.
Im vergangenen Herbst waren die Strompreise im Süden Norwegens auf neue
Rekordhöhen geklettert. Das hatte für viel Unmut im Land gesorgt, da
bereits bestehende Verknüpfungen mit dem europäischen Strommarkt dafür
verantwortlich gemacht wurden.
30 Jan 2025
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## AUTOREN
DIR Anne Diekhoff
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