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       # taz.de -- Grünen-Politikerin über Kinderschutz: „Wir tragen riesige Verantwortung“
       
       > Am Freitag will der Bundestag Strukturen gegen sexuellen Kindesmissbrauch
       > gesetzlich verankern. Das sei ein „Meilenstein“, sagt die Grüne Denise
       > Loop.
       
   IMG Bild: Die Abgeordnete Denise Loop (Bündnis90/Die Grünen)
       
       taz: Frau Loop, bei den Unwägbarkeiten [1][rund um das Abstimmungsverhalten
       von CDU und AfD] am heutigen Freitag, denkt eigentlich noch irgendjemand an
       andere Gesetze, die verabschiedet werden sollen? 
       
       Denise Loop: Ich würde es mir auf jeden Fall wünschen. Gerade beim Thema
       Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM)
       haben wir schon vor dem Scheitern der Ampelkoalition versucht, eine
       gemeinsame breite Mehrheit im Parlament herzustellen. Auch mit der CDU
       hatten wir Gesprächstermine. Es war uns wichtig, dass es nicht im
       parteipolitischen Kleinklein untergeht, [2][sondern dass man es gemeinsam
       beschließt]. Genau das wird uns hoffentlich gelingen.
       
       taz: Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik waren 2023 rund 18.500 Kinder
       betroffen unter 14 Jahren Opfer von sexuellem Missbrauch. Das Dunkelfeld
       ist wahrscheinlich noch viel höher. Was löst das bei Ihnen aus? 
       
       Loop: Ich finde es schrecklich. Sexualisierte Gewalt an Kindern und
       Jugendlichen ist mit das schlimmste Verbrechen, das man jungen Menschen
       antun kann. Wir wissen, dass es Folgen für das gesamte Leben haben wird.
       Wir als Staat, aber auch als Parlament und auch die gesamte Gesellschaft
       tragen eine riesige Verantwortung. Alle Menschen, die mit Kindern und
       Jugendlichen zu tun haben, tragen Verantwortung.
       
       Ich bin vor anderthalb Jahren selbst Mutter einer Tochter geworden.
       Natürlich kenne ich die Zahlen als Sozialarbeiterin schon länger, aber
       jetzt habe ich noch mal einen ganz anderen Bezug dazu. Wir sind in der
       Verantwortung, die Strukturen zu stärken und abzusichern. Und das tun wir
       mit dem Gesetz.
       
       taz: Das Gesetz also, das heute im Bundestag beschlossen werden soll: Wie
       schützt es denn jetzt konkret Kinder und stärkt Betroffene? 
       
       Loop: Erst einmal geht es darum, Institutionen abzusichern, die vorher
       nicht abgesichert waren. Die [3][Unabhängige Beauftragte für den sexuellen
       Missbrauch von Kindern und Jugendlichen], die Aufarbeitungskommission, der
       Betroffenenbeirat, sie alle waren immer durch Kabinettsbeschlüsse
       befristet.
       
       Mit dem Gesetz bekommen sie jetzt endlich eine feste Grundlage. Und wir
       erweitern den Aufgabenbereich der Beauftragten: der digitale Raum kommt mit
       rein, die [4][Verpflichtung zur Erstellung von Schutzkonzepten] und auch
       die angemessene Beteiligung von Kindern und Jugendliche an der Erstellung
       der Konzepte. Auch wurde eine Berichtspflicht an den Deutschen Bundestag
       festgeschrieben, sodass das Thema im Parlament aber auch im medialen
       Diskurs regelmäßig mehr Aufmerksamkeit bekommt. Zudem wird die Aufarbeitung
       erleichtert, indem wir die Akteneinsicht verbessern für Betroffene.
       
       taz: Die Präsidentin des Kinderschutzbundes, Sabine Andresen, genauso wie
       der Betroffenenrat, der an die UBSKM angeschlossen ist, fordern aber
       gleichzeitig, dass damit auch erweiterte finanzielle Ressourcen einhergehen
       müssen. Die sind im Gesetz nicht festgeschrieben. 
       
       Loop: Das stimmt, das haben wir im Gesetz nicht festgeschrieben, das muss
       im Haushaltsverfahren geklärt werden. Wie alle wissen, daran ist ja auch
       die Regierungskoalition gescheitert. Für uns ist auf jeden Fall relevant,
       sich für eine bessere finanzielle Ausstattung der Strukturen einzusetzen.
       Wir haben uns erfolgreich für die Finanzierung der
       Sensibilisierungskampagne der Unabhängigen Beauftragten eingesetzt.
       „Schiebt den Gedanken nicht weg“ heißt sie, die wirklich sehr eindrücklich
       deutlich macht, dass jeder in der Verantwortung ist zu handeln.
       
       Denn allein statistisch kennt jeder von uns betroffene Kinder und
       Jugendliche. Aber trotzdem kann man sich nicht vorstellen, dass man eine
       Person kennt, obwohl es vermutlich so ist.
       
       taz: Im [5][vorläufigen Regierungsprogramm] versprechen die Grünen die
       gesetzliche Verankerung der Unabhängigen Beauftragten. Heißt das, Ihre
       Arbeit in diesem Bereich ist nun schon vor der Wahl erledigt? 
       
       Loop: Das würde ich so nicht sagen, wir haben in dem Bereich noch viel zu
       tun. Gerade im digitalen Raum müssen wir noch besser werden. Und gerade
       auch, wenn wir an die institutionelle Aufarbeitung denken. Gleichzeitig
       muss man sehen: 2010 fing es ja erst an, damals kochte die
       Berichterstattung zum sexuellen Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche
       so richtig hoch. Seitdem gibt es den Unabhängigen Beauftragten.
       
       Der Betroffenenrat ist 2015 dazugekommen. Wir können sagen, dass wir heute
       ein Gesetz beschließen, das aus dem Mut der Betroffenen resultiert, die das
       damals öffentlich gemacht haben. Und wenn man bedenkt, dass viele
       Betroffene schon älter sind, dass sie zu einer Zeit Opfer von sexuellem
       Missbrauch wurden, als das Thema noch gar nicht präsent war, dann ist das
       schon ein Meilenstein.
       
       31 Jan 2025
       
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