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       # taz.de -- Bundesagentur für Arbeit: Zahl der Arbeitslosen nur noch knapp unter drei Millionen
       
       > Saisoneffekt trifft auf flaue Konjunktur: Die Erwerbslosigkeit in
       > Deutschland steigt auf den höchsten Stand seit fast zehn Jahren.
       
   IMG Bild: Fachkräftemangel bei gleichzeitig steigender Arbeitslosigkeit, Szene aus einem Jobcenter in Berlin
       
       Nürnberg reuters/taz | Gut drei Wochen vor der Bundestagswahl ist die
       Arbeitslosenzahl in Deutschland auf knapp drei Millionen gestiegen. Sie
       erreicht mit 2,993 Millionen den höchsten Stand seit fast zehn Jahren, wie
       die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Freitag mitteilte. Zudem erhalten fast
       300.000 Beschäftigte Kurzarbeitergeld wegen konjunktureller
       Auftragsschwäche in ihren Betrieben.
       
       Die Zahl der Arbeitslosen stieg von Dezember auf Januar demnach um 186.000.
       Die Arbeitslosenquote legte um 0,4 Prozentpunkte auf 6,4 Prozent zu. „Im
       ersten Moment klingt das nach viel“, sagte die BA-Chefin Andrea Nahles. Für
       einen Januar sei ein Anstieg in dieser Größenordnung aber nicht
       ungewöhnlich.
       
       Nahles verwies auf Winterpausen am Bau, das Auslaufen von Arbeitsverträgen
       zum Jahresende und weniger Neueinstellungen zwischen den Jahren. „Doch auch
       wenn diese jahreszeitlichen Effekte herausgerechnet werden, bleibt ein
       saisonbereinigter Anstieg der Arbeitslosigkeit in Höhe von 11.000“, sagte
       die BA-Chefin. „Alles in allem ist es unter den derzeitigen
       Rahmenbedingungen für Arbeitslose schwierig, wieder eine neue Arbeitsstelle
       zu finden“, sagte Nahles. „Damit steigt auch die Gefahr, dass sich
       Arbeitslosigkeit verfestigt.“
       
       Noch höher war die Arbeitslosenzahl zuletzt im Februar 2015 mit 3,017
       Millionen. Die BA-Chefin rechnet nicht damit, dass in diesem Februar die
       Drei-Millionen-Marke gerissen wird, obwohl dafür nur ein Anstieg der
       Arbeitslosenzahl um 7.000 nötig wäre. „Es ist nicht sehr wahrscheinlich“,
       sagte Nahles. Aber auszuschließen sei das auch nicht. Die von der
       Bundesregierung stark abgesenkte Konjunkturprognose für 2025 wirke sich
       auch auf die erwartete Arbeitslosenzahl aus.
       
       ## Kassen der Bundesagentur leeren sich
       
       „Unsere Statistik ist sauber“, sagte Nahles auf Nachfrage mit Blick auf das
       knappe Unterschreiten der symbolisch wichtigen Drei-Millionen-Marke im
       Januar. Wer im rechtlichen Sinne arbeitslos sei, sei gesetzlich geregelt.
       
       Sie schloss nicht aus, dass die Bundesagentur durch steigende
       Arbeitslosigkeit im Jahresverlauf womöglich Hilfe aus dem Bundeshaushalt
       benötigen könnte. Sie geht davon aus, dass die Rücklage der BA von 3,2
       Milliarden Euro schneller schmelzen wird. Die BA werde nach der
       April-Prognose der Regierung ihre Finanzen neu berechnen. Das könne
       „bedeuten, dass wir auch außerplanmäßige Unterstützung für die Finanzierung
       der Arbeitslosigkeit brauchen“.
       
       Von der künftigen Bundesregierung wünscht sich die BA-Chefin „einfach ein
       paar Impulse, die die Konjunktur tatsächlich auch stützen“. Der
       Strukturwandel vermenge sich mit konjunktureller Schwäche. „Und deswegen
       brauchen wir womöglich einzelne Hilfen für einzelne Branchen und eine
       generelle konjunkturelle Belebung.“ Aber das seien politische
       Entscheidungen.
       
       ## Linke und DGB fordern zum Handeln auf
       
       „Die Rezession hat den Arbeitsmarkt erreicht“, kommentierte Susanne
       Ferschl, die arbeitsmarktpolitische Sprecherin Gruppe Die Linke, die neuen
       Zahlen. Die Arbeitslosigkeit sei im Vergleich zum Vorjahr um satte sieben
       Prozent gestiegen, die Kurzarbeit steige rapide und die Zahl der
       Neueinstellungen sinke. Das sei „eine besorgniserregende Entwicklung“.
       
       Der Arbeitsmarkt spalte sich immer weiter – hier ein eklatanter
       Fachkräftemangel, dort steigende Arbeitslosigkeit unter
       Geringqualifizierten. „Und die Bundesregierung schaut tatenlos zu“,
       kritisierte Ferschl. „Statt immer neuer Debatten über angeblich ‚faule‘
       Arbeitslose braucht es gezielte Maßnahmen, um Menschen fit für den
       Arbeitsmarkt zu machen“, forderte sie.
       
       „Rund 3 Millionen Arbeitslose und die düstere Wirtschaftsprognose der
       Regierung sind ein Weckruf an die nächste Bundesregierung für beherztes
       Handeln“, sagte das DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Der Markt allein werde
       es nicht regeln, erst recht nicht bei einer stotternden Wirtschaft, mehr
       Kurzarbeit und weniger offenen Stellen.
       
       „Die anhaltend unterfinanzierten Jobcenter brauchen rund eine Milliarde
       Euro zusätzlich und mehr Personal, um Arbeitslose gut fördern zu können“,
       forderte Piel. Es könne nicht sein, „dass mit Einführung des Bürgergelds
       bessere Förderinstrumente existieren, den Jobcentern aber real das Geld
       fehlt, sie zum Einsatz zu bringen“.
       
       31 Jan 2025
       
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