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       # taz.de -- Debatte um Berufsverbot in Bayern: Rechts außen klappt’s mit der Schule
       
       > In Bayern wird eine Klimaaktivistin nicht als Referendarin zugelassen.
       > Ein früherer Rechtsextremist dagegen darf im Freistaat als Lehrer
       > arbeiten.
       
   IMG Bild: Beim Klimaprotest streng, anderswo nicht so? Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) und Ministerpräsident Markus Söder (CSU)
       
       Berlin taz | Im Fall der [1][Klimaaktivistin Lisa Poettinger] zeigt Bayern
       Härte: Der Freistaat kündigte der 28-jährigen Lehramtsstudentin an, ihre
       Zulassung zum Referendariat wegen ihrer politischen Aktivitäten und
       laufender Strafverfahren zu verweigern. Damit könnte Poettinger nicht
       Lehrerin werden. Dabei kann Bayern auch anders – wie der Fall eines
       früheren Rechtsextremen zeigt.
       
       So durchlief der Bayer Michael Z. erfolgreich ein Lehramtsstudium erst in
       Nordrhein-Westfalen, dann in Bayern – und arbeitet seit vier Jahren nun an
       einem Gymnasium in Franken, als Lehrer für Sport und Deutsch. Dabei fiel
       der Enddreißiger davor einschlägig auf: Er war führendes Mitglied des
       [2][Sturmvogel] – einem völkischen Jugendverbund, der sich gezielt an
       Kinder und Jugendliche richtet. Fotos zeigen Z. im Jahr 2015 auf einem
       Zeltlager im Brandenburgischen Grabow, das er geleitet haben soll.
       
       Entstanden war der Sturmvogel als [3][Abspaltung aus der neonazistische
       Wiking-Jugend], die 1994 verboten wurde. Der Verfassungsschutz
       Niedersachsen bezeichnet die Gruppe in seinem Jahresbericht 2023 als
       völkischen und rechtsextremistischen Verein. Verwiesen wird etwa auf ein
       Lagertreffen in Baden-Württemberg, das in einer Immobilie abgehalten wurde,
       die im Besitz von Rechtsextremen sei. Die 50 Kinder, Jugendlichen und
       Erwachsenen hätten bei dem Treffen einheitliche Uniformen getragen, mit
       schwarz-weiß-roten Sturmvogel-Abzeichen. Es seien Morgenappelle mit Fackeln
       und Fahnen abgehalten worden, ein Survivaltraining und ein Brauchtumsfeuer,
       bei dem das Deutschlandlied auch mit der ersten Strophe gesungen wurde, wie
       es im Nationalsozialismus üblich war.
       
       Bereits 2009 schrieb Michael Z. zudem einen Beitrag für das rechtsextreme
       Öko-Magazin „Umwelt&Aktiv“. Ein Jahr später wird er dann in einem Protokoll
       des Dachverbands „Deutsche Burschenschaft“ benannt, das Antifa-Gruppen
       veröffentlichten. Benannt wird er dort als Vertreter der Burschenschaft
       „Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks“.
       
       Die Gruppe gehört zum extrem rechten Flügel innerhalb der Burschenschaften
       und bewirbt sich selbst damit, dass sie „außerhalb der politischen
       Korrektheit“ stehe. 2011 sorgten die „Raczeks“ für Schlagzeilen, als sie
       einen „Ariernachweis“ für Burschenschaftsmitglieder forderten. Noch 2016
       ist Michael Z. zudem auf einem Foto bei einer Aktion der rechtsextremen
       Identitären in Wien zu sehen, auch hier nicht nur als Mitläufer, sondern
       mit Megafon in der Hand.
       
       ## Hat sich Michael Z. vom Rechtsextremismus getrennt?
       
       All dies hinderte Bayern nicht daran, Michael Z. in den Schuldienst
       aufzunehmen. Laut bayrischem Kultusministerium arbeitet Z. dort seit 2021.
       Auch das Gymnasium in Franken bestätigt, dass er dort weiterhin tätig ist.
       Dabei betont ein Sprecher des Ministeriums, dass jegliche Formen von
       Extremismus an bayrischen Schulen „nicht akzeptabel“ seien. „Die Vorgaben
       und Regeln gelten für alle, die Maßstäbe sind identisch“, so der Sprecher
       zur taz. „Wer nicht auf dem Boden der Verfassung steht, der hat in unseren
       Schulen keinen Platz.“ Aber: Personen, die sich glaubhaft von früheren
       verfassungsfeindlichen Aktivitäten distanzierten und deren Wirken dies
       belege, könnten im Schuldienst tätig sein.
       
       Genau diesen Fall sehen das Ministerium und Gymnasium im Fall Michael Z.
       Der Ministeriumssprecher räumt ein, dass zu Z. „Aktivitäten in
       rechtsextremistischen Gruppierungen in der Jugend- und Studienzeit“ bekannt
       seien. Von diesen habe sich Michael Z. aber bei seiner Bewerbung als
       Lehrkraft „sehr deutlich und klar distanziert“. Auch eine
       Verfassungsschutzüberprüfung habe keine rechtsextremen Aktivitäten von Z.
       nach dem Jahr 2016 mehr aufgezeigt. Ebenso seien keine strafrechtliche
       Ermittlungen gegen ihn bekannt. Und während seiner Lehrtätigkeit seien
       keine Zweifel an Z.s Verfassungstreue aufgekommen.
       
       ## Vorgeschichte verbreitete sich in der Elternschaft
       
       Auch der Leiter des Gymnasiums von Michael Z. sagte der taz, die Vorwürfe
       gegen Michael Z. seien ihm und seinem Stellvertreter bereits bei
       Dienstantritt bekannt gewesen. Die Anstellung sei über das
       Kultusministerium erfolgt. Er habe sich bestätigen lassen, dass die
       Vorwürfe dort „sorgfältig geprüft“ wurde, so der Schulleiter. Nach einer
       Internetveröffentlichung im März 2024 habe sich Z. Vorgeschichte auch in
       der Schüler- und Elternschaft verbreitet.
       
       Seit Dienstantritt habe Michael Z. aber „in Wort und Tat nicht den
       geringsten Zweifel daran aufkommen lassen, dass er mit inakzeptablen
       Einstellungen und Aktivitäten in seiner Jugend/Studentenzeit gebrochen hat,
       davon gebührend Abstand hält“, so der Schulleiter.
       
       Michael Z. selbst antwortete auf eine taz-Anfrage nicht. Eine öffentliche
       Erklärung zu seinem Szeneausstieg ist nicht bekannt. Und auch die
       Mitgliedschaft in einer Burschenschaft gilt eigentlich auf Lebenszeit. Die
       „Raczek“-Burschenschaft ließ eine Anfrage unbeantwortet, ob Michael Z. bei
       ihnen noch Mitglied ist.
       
       Der Klimaaktivistin Lisa Poettinger wirft das von den Freien Wählern
       geführte Kultusministerium dagegen die Mitgliedschaft im „Offenen
       Antikapitalistischen Klimatreffen München“ vor, das vom Verfassungsschutz
       als extremistisch eingestuft wird.
       
       Verwiesen wird auch auf ihre Kapitalismuskritik bei Protesten gegen die
       Automesse IAA. Und auf laufende Strafverfahren wegen eines zerstörten
       AfD-Plakats und Widerstand gegen einen Polizisten bei der Besetzung des
       Dorfes Lützeraths, das für einen Kohletagebau geräumt wurde. Urteile sind
       hier jedoch noch nicht gefallen. Poettinger hatte angekündigt, sich
       juristisch gegen eine Nichtzulassung zum Referendariat wehren zu wollen.
       
       4 Feb 2025
       
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