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       # taz.de -- Auch wenn der Algorithmus anderes sagt: Du bist perfekt
       
       > Dieser Satz sollte zu einem Mantra werden. Denn im Internet wird jeder
       > Zweifel daran genutzt, um Profit aus deiner Unsicherheit zu schlagen.
       
   IMG Bild: Du leistest Widerstand und wusstest das vielleicht noch gar nicht. Du bist perfekt
       
       Du bist perfekt. Erinnere dich daran, wenn du das nächste Mal hörst, dass
       du nicht genügst oder im Gegenteil zu viel seist. Zu viel dieses, zu viel
       jenes. Zu dünn, zu dick, zu groß, zu klein. Denke daran, wenn du nicht
       weißt, wer oder was die richtige Wahl ist. Du. Bist. Perfekt.
       
       Das heißt nicht, dass du frei von Fehlern bist. Ganz und gar nicht. Das
       heißt nur, [1][dass du dich nicht von ihnen freikaufen kannst]. Genau das
       aber: Dass Geld dich in höhere Sphären hebt, dich klüger, schöner,
       wichtiger, begehrenswerter macht, will dir eine riesige geölte Maschine
       jeden Tag weismachen. Das muss ich dir nicht erzählen, oder? Du hast davon
       gehört.
       
       Dafür – auch das weißt du schon längst – wirst du schließlich permanent
       vermessen. Deine digitalen Abbilder sind hundertfach gespeichert. Jede
       Reise, jeder Einkauf, jede Suche, jeder Swipe nach rechts. Immer feiner
       werden die Umrisse, die von dir gezeichnet durch die Cloud mäandern.
       Chaotische Metrics, genormt und sortiert auf anderer Leute Computern. Du
       glaubst an Geister? Nein? Du wirst selber zu einem gemacht.
       
       Dein Einkommen ist bekannt, deine Ausgaben auch. Wie all deine Interessen
       und Wünsche. Die sogar manchmal, bevor sie dir selber bewusst werden. Das
       ist die Währung, in der von dir erzählt wird. Sie wollen gar nicht
       unbedingt alles von dir. Nur das Maximum, dass du ohne Widerstand zu geben
       bereit bist. Ein ganz schmerzfreier Zugriff ist das. Dynamic Pricing wird
       das dann zum Beispiel genannt. Die Flugreise ein Schnäppchen, die Schuhe
       ein Traum. Dein Streamingdienst weiß, wann du traurig bist.
       
       ## Und du? Zahlen bitte.
       
       Das kann nicht funktionieren, sagst du. Niemand könne dich so genau kennen.
       Recht hast du. Es ist wie mit der Fläche eines Kreises. Mehr als eine
       Billion Nachkommastellen der Zahl Pi sind berechnet und doch ist der Inhalt
       des Kreises immer nur ein Näherungswert. Seine unmögliche Quadratur ist zum
       Sprichwort geworden. Es bleibt in jedem Fall eine Unbekannte zurück.
       
       Der Rest, das, was unberechenbar ist, das gehört dir allein. Wo es nicht
       glatt ist, in den Kanten und Ecken, wo der Schmutz, der Schmerz, das
       Geheimnis, die Liebe sich sammeln – da bist du. Keine Maschine findet dich
       dort. Das kann dir nicht genommen werden. Nicht ohne deine Zustimmung
       jedenfalls. [2][Cookies erlauben?] Es ist ein bisschen wie mit dem Vampir,
       der dein Haus nur dann betreten kann, wenn er dazu eingeladen wird.
       
       So viele Daten sind gesammelt und noch immer fehlen Pi so viele Stellen.
       Die Ermittlung jeder weiteren kostet ein Vermögen mehr. Deshalb die
       Versuche, dich stattdessen passend zu machen, dich im Guten glauben zu
       lassen, dass mit dir etwas nicht stimmt. Das kostet weniger. Nur deine
       Freiheit, deine Würde.
       
       Zu dünn, zu dick, zu groß, zu klein. Relax. Die scheitern an deiner
       Unberechenbarkeit. Du leistest Widerstand und wusstest das vielleicht noch
       gar nicht. Du bist perfekt. Finde Menschen, die dich daran erinnern, wenn
       es nötig ist. Sei so ein Mensch für andere. Sei ein Mensch.
       
       3 Feb 2025
       
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