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       # taz.de -- Keine Reform des Paragrafen 218: Wut über die Blockierer – und dennoch Triumphgefühle
       
       > Eine Entkriminalisierung von Abtreibungen wird es vorerst nicht geben in
       > Deutschland. Wie bitter. Aber wir sind viele und wir kämpfen weiter!
       
   IMG Bild: Die gerechte Wut auf die Blockade im Bundestag vergeht wohl so schnell nicht
       
       Lebendig beerdigt. Das schreibe ich einer Freundin zurück, als sie mich
       nach der [1][Reform von Paragraf 218] fragt. Ein Gesetzentwurf zur
       Entkriminalisierung des frühen Schwangerschaftsabbruchs [2][ist am Montag
       gescheitert]. Trotz der erdrückenden Menge von Argumenten haben Union und
       FDP den Antrag im Rechtsausschuss versenkt.
       
       Meine Freund:innen, meine Kolleg:innen, meine Nachbar:in, ich selbst – wir
       sind damit weiterhin der Körperpolitik des Paragrafen 218 Strafgesetzbuch
       ausgesetzt. Werden wir ungewollt schwanger, stecken wir in einem
       rechtlichen Konstrukt, das bewusst im Strafrecht verankert ist. Denn der
       Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft in den ersten 12 Wochen ist eine
       Straftat. Nur durch eine Ausnahmeregelung, die eine Beratung und Wartefrist
       vorsieht, ist er straffrei.
       
       Ungewollt Schwangeren wird also weiterhin unterstellt, gegen sich selbst,
       gegen ihren eigenen Körper, gegen die Möglichkeit von Leben in ihrem
       eigenen Körper zu handeln und zu entscheiden. Die Begründung ist der
       Lebensschutz des Embryos. Dabei wird ein Konflikt aufgemacht zwischen
       Embryo und der austragenden Person. Eins gegen eins, ist leicht zu
       verstehen.
       
       Den Gegner:innen von Frauen, non-binären Menschen und trans Männern
       bietet es die perfekte Gelegenheit, einmal mehr gegen Frauen, non-binäre
       Menschen und trans Männer zu sein.
       
       Viel schwieriger, verworrener, komplizierter wäre es hingegen anzuerkennen,
       dass es dieses Eins gegen eins von Embryo und schwangerer Person so nicht
       gibt. Dass das eine vom anderen existenziell abhängt, dass das eine nicht
       ohne den anderen sein kann.
       
       Unsagbar scheint auch 2025 der Gedanke: Das Leben von Menschen mit Uterus
       ist in ihrer Ganzheit notwendig, um menschliches Leben hervorzubringen. Das
       ist größer als Gesetze, größer als Verbote. Diese Menschen sind –
       angemessen pathetisch – nichts weniger als der Ursprung des Lebens. Man
       stelle sich vor, diese Macht.
       
       Sie kann Angst machen. Sie macht all denjenigen Angst, deren eigene Macht
       nur darin besteht, sich einmal mehr gegen die Reform von Paragraf 218 und
       gegen eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts zu stellen. Vor allem den
       Männern in Union, FDP und AfD. Über [3][die besonders perfide Rolle der
       FDP], die sich selbst liberal nennt und die Abtreibungsliberalisierung im
       eigenen Wahlprogramm stehen hat, wäre viel zu sagen – doch was soll man
       sich noch mit einer Partei befassen, die voraussichtlich in einer Woche in
       der Irrelevanz verschwinden wird?
       
       Diese Personen also klammern sich an das letzte bisschen Kontrolle, dass
       sie über die Körper von Menschen mit Uterus zu fassen bekommen. Sie
       schließen die Augen, kneifen sie fest zu, vor der Realität, in der 80
       Prozent der Bevölkerung eine Entkriminalisierung des Abtreibungsrechts
       befürworten, in der in Deutschland [4][in jedem Jahr um die 100.000
       Abtreibungen] vorgenommen werden, straffrei, aber nicht rechtmäßig.
       
       Meine Gefühle gegenüber diesen Blockierer:innen, sie sind stark, sie
       sind auch hässlich, sie sind wutentbrannt. Doch ihnen will ich nicht den
       Raum hier überlassen. Fast unwürdig wäre es, sich auf dieses Niveau
       hinabzubegeben. Was will ich noch diskutieren, was will ich noch beweisen,
       außer das, was unzählige Feminist:innen seit über 100 Jahren jeden Tag
       schon besser bewiesen haben? Die Argumente sind ausgetauscht.
       
       Meine wirklichen starken Gefühle sind triumphal. Die letzten Monate haben
       einmal mehr gezeigt, wie viele sensible, schlagfertige, kluge Menschen
       diesen Kampf für Selbstbestimmung zusammen kämpfen. [5][Und sie werden
       nicht aufgeben].
       
       Amelie Sittenauer
       
       15 Feb 2025
       
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   DIR [4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/232/umfrage/anzahl-der-schwangerschaftsabbrueche-in-deutschland/
   DIR [5] /Umfrage-zu-Abtreibungen-in-Deutschland/!6004352
       
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