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       # taz.de -- Atomkraft in NRW: Kein Konzept, keine Perspektive
       
       > Umweltschützer:innen blicken enttäuscht auf die schwarz-grüne
       > Atompolitik in Nordrhein-Westfalen. Über 150 Atommülltransporte sind
       > geplant.
       
   IMG Bild: Atomkraftgegner:innen kritisieren schwarz-grünen NRW-Landesregierung
       
       Bochum taz | Eine Woche vor der Bundestagswahl haben
       Umweltschützer:innen ihre Kritik an der schwarz-grünen
       NRW-Landesregierung und damit auch an der für die Atomaufsicht zuständigen
       grünen NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur erneuert. „Keine
       Zukunftsperspektiven aufgezeigt“, habe Neubaur in einem Bericht an den
       Landtag im Streit um 152 drohende Castor-Transporte [1][vom rheinischen
       Jülich ins westfälische Ahaus].
       
       Gleiches gelte auch im Umgang mit den wachsenden Atommüllbergen auf dem
       Gelände von Deutschlands einziger weiter produzierenden
       Urananreicherungsanlage in Gronau: Das ist das Fazit einer Stellungnahme,
       die fünf Anti-Atom-Initiativen gemeinsam mit dem Umweltschutzverband BUND
       in NRW, den Internationalen Ärzt:innen zur Verhütung des Atomkriegs
       (IPPNW) und dem Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)
       vorgelegt haben.
       
       Atomkraftgegner:innen protestieren seit Jahren gegen die wegen
       angeblicher Erdbebengefahr angeordneten Transporte aus dem Zwischenlager
       des ehemaligen Kernforschungszentrums Jülich ins Zwischenlager nach Ahaus.
       Spätestens seit 2022 ist klar: Die Erdbebengefahr [2][existiert gar nicht].
       Dennoch wird behördlicherseits weiter an den hochradioaktiven
       Atommülltransporten, die mit bis zu 152 Lkw-Fahrten über Autobahnen mitten
       durch Ballungsräume wie die Landeshauptstadt Düsseldorf und das Ruhrgebiet
       führen sollen, gearbeitet.
       
       Wie die grüne Wirtschafts- und Energieministerin Neubaur am Mittwoch vor
       dem Wirtschaftsausschuss des Landtags bestätigte, liegt seit dem 22. Januar
       der „Entwurf einer Transportgenehmigung“ des Bundesamts für die Sicherheit
       der nuklearen Entsorgung (BASE) vor. Nachfragen der taz zu Kritik oder
       Bedenken seitens der Atomaufsicht beantwortete Neubaurs Ministerium nicht:
       „Aus Gründen des staatlichen Geheimschutzes“ könnten „der Öffentlichkeit
       leider keine Auskünfte erteilt“ werden.
       
       ## Zwischenlager ist unzureichend geschützt
       
       Für Atomkraftgegner:innen ist dagegen klar: Nähme die schwarz-grüne
       Landesregierung ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst, der die „Minimierung
       von Atomtransporten“ verspricht, müsse die Stellungnahme von Neubaurs
       Atomaufsicht zum BASE-Entwurf „eindeutig ablehnend ausfallen“. Das schätzen
       nicht nur Marita Boslar vom Jülicher Aktionsbündnis Stop Westcastor und
       Hartmut Liebermann von der Bürgerinitiative Kein Atommüll in Ahaus so ein:
       „Wir bleiben bei unserer Klage gegen die Beförderungsgenehmigung“, sagt
       auch Kerstin Ciesla, in NRW stellvertretende Landesvorsitzende des
       Umweltschutzverbandes BUND.
       
       In Jülich müsse „endlich ein neues Zwischenlager gebaut werden“, fordert
       Ciesla stattdessen – schließlich sei klar, dass auch das Zwischenlager am
       Standort Ahaus nur unzureichend etwa gegen Flugzeugabstürze oder mögliche
       Terroranschläge [3][geschützt sei]. Ministerin Neubaur müsse deshalb für
       den Standort Jülich eine „temporäre Verlängerung“ genehmigen.
       
       Neubaurs Ministerium argumentiert auf taz-Nachfrage dagegen: Die
       Landesregierung habe der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für
       Nuklearanlagen, die von Bundes- und Landesregierung finanziert wird, als
       Besitzerin des dortigen Atommülls bereits den Weg für den Kauf von
       Grundstücken zum Bau eines neuen Zwischenlagers vor Ort geebnet. Jetzt
       müsse die Bundesregierung das nötige Geld bereitstellen: „Dieser Erwerb
       durch die JEN bedarf jedoch der Zustimmung des Bundes als
       Hauptzuwendungsgeber der JEN.“
       
       In der Kritik steht die schwarz-grüne Landesregierung in NRW aber auch
       wegen des Umgangs mit Deutschlands einziger
       Urananreicherungsanreicherungsanlage (UAA) im münsterländischen Gronau, die
       der Bundesrepublik [4][den Zugang zur Atomwaffentechnologie sichert]. Trotz
       Atomausstiegs verfügt die UAA über eine unbefristete Betriebsgenehmigung –
       und produziert deshalb immer neuen Atommüll. Weil dieser wegen des Angriffs
       auf die Ukraine nicht mehr billig nach Russland exportiert werden könne,
       lagerten dort schon heute rund 35.000 Tonnen abgereichertes
       Uranhexafluorid, schätzt der Atomkraftgegner Matthias Eickhoff von der
       Initiative Sofortiger Atomausstieg Münster.
       
       ## Genaue Angaben sind Staatsgeheimnis
       
       „Für diese Tausenden Tonnen Uranmüll gibt es in Düsseldorf offensichtlich
       gar kein Konzept. Es existiert nicht einmal eine Basisplanung für die
       notwendige Endlagerung“, kritisiert Eickhoff. „Stattdessen werden die
       wachsenden Atomprobleme in Gronau einfach an die kommenden Generationen
       weitergereicht. Das ist nicht akzeptabel.“
       
       UAA-Betreiber Urenco plant dagegen weiter mit langfristiger Produktion –
       und hat für die Lagerung und Entsorgung alter, radioaktiv verseuchter
       Zentrifugen nicht nur den Bau einer weiteren Lagerhalle beantragt. Auch ein
       „genehmigungspflichtiges Reststoff-Bearbeitungs-Zentrum sei in Planung“,
       erklärte Ministerin Neubaur im Landtag.
       
       Ob dabei Umweltverträglichkeitsprüfungen mit umfassender
       Öffentlichkeitsbeteiligung angeordnet würden, sei aber noch unklar, erklärt
       ihr Ministerium – und macht nebenbei klar, wie sicherheitsrelevant die
       atomwaffenfähige Urananreicherungstechnik ist: Fragen nach der Größe des
       neuen Zentrifugenlagers und der Zahl der bereits ersetzten Zentrifugen
       könnten nicht beantwortet werden „aus Gründen des staatlichen
       Geheimschutzes sowie aus Gründen der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen“.
       
       16 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /BUND-ueber-Atommuell-Fahrten-durch-NRW/!5980047
   DIR [2] /Protest-gegen-Castor-Transporte/!5968470
   DIR [3] /Schutz-reicht-nicht-aus/!6064867
   DIR [4] /NRW-Ostermaersche-in-Gronau-gestartet/!6001409
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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