URI: 
       # taz.de -- Schwedischer Blick auf Deutschland: Wilde Thesen und geräucherte Makrele
       
       > Bislang wurde unsere Kolumnistin vor allem zur Repräsentantin der
       > deutschen Hochkultur gemacht. Jetzt muss sie auch als AfD-Erklärerin
       > herhalten.
       
   IMG Bild: Wie blicken die Schweden auf Deutschland und mehr Klischee geht nicht: Rotes Holzhaus im Wald – wird gerne von Deutschen gekauft
       
       Härnösand taz | In unserem Chor gelte ich ungefragt als Expertin für Bach
       und Händel. Ich gebe mir alle Mühe, diese Illusion aufrechtzuerhalten, denn
       natürlich bin ich gerne eine Repräsentantin deutscher Hochkultur. Vor
       allem, wenn man bedenkt, was sonst noch zur Wahl steht. Aber, apropos Wahl,
       leider drängt sich gerade weniger Unverfängliches in den Vordergrund.
       
       Als ich bei der Chor-Freundin M. zum Essen eingeladen bin, erzählt sie von
       einem deutschen Paar hier in der Gegend. (Deutsche kommen nach Schweden und
       kaufen Häuser: Auch das gilt hier als typisch.) Jedenfalls, M. serviert
       geräucherte Makrele und sagt, dieses Paar sei wohl ein bisschen rechts.
       „Die meinten, Deutschland sei auch nicht mehr das, was es mal war.“ Ah, ja.
       Ich verstehe ihre Indiziendeutung. Auch in Schweden sagen Menschen das über
       ihr Land, und man kann dann recht sicher darauf wetten, welche
       Schlussfolgerungen dem empörten Tonfall folgen.
       
       Auf welcher Seite M. steht, ist klar. Sie feiert die SPD in Deutschland
       dafür, dass sie vom „Tor zur Hölle“ gesprochen hat, angesichts des
       [1][CDU-AfD-Schachzugs neulich im Bundestag]. Dann will sie von mir, der
       Expertin für alles Deutsche, wissen: „Wie kommt das mit der AfD?“
       
       Es ist komplex, sage ich – bevor ich dann wohl doch vereinfache. Gut
       möglich, dass M. den Aufstieg der Partei jetzt als Folge ostdeutscher
       Wendetraumata abgespeichert hat. Bin nicht sicher, ob das
       wissenschaftlichen Standards genügt, aber tröste mich damit, dass die
       Schäden unzureichender Erklärungsversuche sich in diesem privaten Rahmen in
       Grenzen halten. Immerhin konnte ich faktenbasiert den Ruf von M.s deutscher
       Lieblingsstadt retten, in Münster hat man es ja nicht so mit der AfD.
       
       ## Christdemokraten haben Anti-Kooperations-Klausel gestrichen
       
       Und ich stelle weiter munter Thesen auf: Ein Land ohne
       nationalsozialistische Katastrophenvergangenheit ist anfälliger für die
       Normalisierung von rechtsextremen Haltungen. Das Versprechen, dass man die
       Schwedendemokraten aus der Regierung raushalten wolle, bedeutet ja nicht
       mehr viel, seit Moderate, Liberale und Christdemokraten sie nach der Wahl
       2022 offiziell zum Kooperationspartner im Parlament machten.
       
       Noch warnt etwa die oberste Sozialdemokratin Magdalena Andersson
       unermüdlich vor den Folgen, sollten die Rechtsextremen künftig nicht nur
       [2][Mehrheitenbeschaffer für die Minderheitsregierung], sondern
       tatsächliche Regierungsmitglieder sein. Aber die Christdemokraten haben
       schon mal die Klausel aus ihrem Programm gestrichen, die eine Koalition mit
       den Schwedendemokraten bislang ausgeschlossen hatte.
       
       Rechte Parteien seien überall im Aufwind, stellte die Kommentatorin der
       Tageszeitung Dagens Nyheter kürzlich fest, aber: Die AfD sei besonders
       extrem. Ihr mache das Angst – auch, weil alles, was beim großen Nachbarn
       schief laufe, am Ende auch Schweden betreffe. Der Leitartikel beim Svenska
       Dagbladet hingegen hält es für unpraktisch, die Brandbauer gegenüber der
       AfD stur aufrecht zu erhalten. So oder so: Schweden beobachtet mit
       Interesse, ob es von Deutschland bald [3][rechts überholt] wird.
       
       20 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lust-am-Tabubruch-der-CDU/!6067788
   DIR [2] /Ministerpraesident-in-Schweden-gewaehlt/!5888405
   DIR [3] /Rekord-rechtsextremer-Straftaten/!6069380
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Diekhoff
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwedendemokraten
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Schwerpunkt AfD
   DIR Kolumne typisch deutsch
   DIR Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
   DIR Schweden
   DIR Peter Handke
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Deutschlandbild in Argentinien: Kein Schimmer von Scholz und Weidel
       
       In der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires befragt unser Autor die Leute
       zu SPD, AfD und Co. Besonders eine Annahme über Deutschland überrascht.
       
   DIR Straffällige Doppelstaatler: Bald kein Schwede mehr?
       
       Die Regierung untersucht, ob sie straffälligen Doppelstaatlern den
       schwedischen Pass entziehen darf. Das stößt auf Kritik bei der Opposition.
       
   DIR Verleihung des Literaturnobelpreises: Ohne Schwedendemokraten
       
       Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten werden nicht zur Verleihung des
       Nobelpreises eingeladen. Nicht zum ersten Mal.