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       # taz.de -- Titelkampf in der Fußball-Bundesliga: Fußball, paradox
       
       > Im Spitzenspiel der Männerbundesliga zerlegt Leverkusen die Bayern nach
       > allen Regeln der Kunst – und kommt trotzdem über ein 0:0 nicht hinaus.
       
   IMG Bild: Aktobat schö-ö-ön: Leverkusens Nathan Tella versucht's mit einem Seitfallzieher
       
       Es war die 78. Minute, als einen die Ahnung beschlich, Bayer Leverkusen
       könnte in dieser Partie tatsächlich nur Remis spielen: Da schlug Jeremie
       Frimpong eine krumme Flanke über Neuers Tor und legte anschließend die
       Hände vors Gesicht. Dieser Anflug von Genervtheit war ungewöhnlich, weil
       Leverkusen bis dahin gegen die Bayern ein so selbstbewusstes wie brillantes
       Spiel abgeliefert hatte.
       
       Mit enorm hohem Pressing und schwindelerregend schnellen
       Flachpasskombinationen hatten sie die Bayern regelrecht an die Wand
       gespielt und dabei alles gezeigt, was dem Rekordmeister selbst immer wieder
       fehlte: Tiefe, Kreativität, Überraschung.
       
       Oft reichten zwei Steilpasskombinationen über den herausragenden Wirtz,
       über Grimaldo, Hincapié oder eben Frimpong, um die Bayernabwehr
       auszuhebeln. Zweimal rettete die Latte, einmal Ito auf der Linie, immer
       wieder Neuer. Es war nicht so sehr ein Spitzenspiel als vielmehr eine
       Demontage erschreckend hilfloser Münchner, die von Bayer im Mann gegen Mann
       über den halben Platz verfolgt wurden und kein Mittel fanden.
       
       Seit Beginn der Statistiken ist es wohl keinem Team in der Liga gelungen,
       den Rekordmeister derart zu deklassieren, er kam kaum über die Mittellinie.
       Offen bleibt, über wen das mehr aussagt: Leverkusens taktische
       Meisterleistung oder Bayerns Verwundbarkeit.
       
       ## Schlinge zieht sich zu
       
       Alonsos Team trat mit dem Selbstverständnis eines Meisters auf: Ruhig zog
       man die Schlinge immer enger, in dem Wissen, dass irgendwann ein Treffer
       fällt. Und in 99 von 100 Variationen dieses Abends gewann Bayer Leverkusen.
       Allein, sie gewannen nicht. Die Partie endete 0:0. In der Mixed Zone wusste
       Jonathan Tah nicht so recht, was er nun fühlen sollte. Tah selbst hatte
       großen Anteil am dominanten Auftritt, indem er Jamal Musiala völlig aus dem
       Spiel nahm. „Wir müssen das Spiel ganz klar gewinnen.
       
       Auf der einen Seite ärgert es uns, auf der anderen Seite sind wir extrem
       stolz auf diese Leistung“, sagte er. Wer gezweifelt hatte, sah spätestens
       an diesem Abend, dass am Rhein auch mittelfristig ein Bayernrivale erwächst
       – jedenfalls, [1][solange der kriselnde Bayer-Konzern es finanzieren will],
       also auch eine mögliche weitere Saison mit Alonso und Wirtz. Für viele
       neutrale Fans bedeutet die Wahl zwischen den verhassten Bayern und dem
       Investorenklub am Autobahnkreuz freilich eine zwischen Pest und Cholera.
       
       Es war aber auch eine Offenbarung, wie wenig Antworten die Münchner fanden.
       „Es hat nicht alles so geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben“, sagte
       ein konsternierter Aleks Pavlović. „Es war sehr schwer, rauszukommen. Wir
       hatten nicht so viele Ideen.“ Und: „Eigentlich wollten wir das Spiel
       machen.“ Warum Leverkusen sich trotzdem nicht belohnen konnte? Weil
       Upamecano und Kim in der Innenverteidigung ein großes Spiel machten. Weil
       die Bayern streckenweise zumindest leidenschaftlich im Kollektiv
       verteidigten.
       
       Weil Leverkusen nicht zum ersten Mal in dieser Spielzeit zu fahrlässig mit
       einem eigentlich sicheren Spiel umging. Und weil Fußball halt so ist.
       Früher nannte man das Bayern-Dusel. Ein bisschen absurd war das nachher,
       als der mögliche Meister wie ein verdroschener Hund dastand, aber mit acht
       Punkten Vorsprung zugleich halb den Titel klarmachte.
       
       Obwohl der FC Bayern München diese Saison oft wackelt, in der Spielanlage
       schwächer ist als der Rivale vom Rhein und nach Kimmichs Aussage „kein
       Spitzenteam“ ist, liegt Leverkusen nun fast außer Schlagdistanz. Alonsos
       Team hat die Meisterschaft nicht in dieser Partie verloren – sondern in der
       Schwächephase im Oktober und November, als man viel zu oft Remis spielte
       und gegen eigentlich unterlegene Gegner defensiv zu chaotisch agierte.
       
       In der Gesamtschau aber wirkt Bayer extrem gefestigt, taktisch noch reifer
       als mit dem Hurra-Stil des vorigen Jahres. Vor einem möglichen
       Champions-League-Duell der beiden besten deutschen Teams muss die Elf
       keinen Bammel haben.
       
       Am Ende blieben gemischte Gefühle auf allen Seiten. Den Titeltraum hat
       Leverkusen zumindest offiziell nicht begraben. Vincent Kompany gab sich
       indes ungewohnt knapp, verwies immer wieder auf die vielen Bayerntore in
       der Saison, die fehlende Frische durch das Spiel in Glasgow, die gute
       Defensivleistung. Als wolle er belegen, dass man nicht zufällig oben an der
       Spitze steht. Acht Punkte Vorsprung im Februar, das ist in 99 von 100
       Szenarien ein Meistertitel für Bayern. Aber nicht in 100. [2][Und ob die
       Tabelle die Wahrheit sagt], wer Deutschlands Spitzenteam ist, dahinter
       setzte Bayer Leverkusen am Samstag ein großes Fragezeichen.
       
       16 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bayer.com/de/gesellschaftliches-engagement/bayer-sportfoerderung-uebersicht
   DIR [2] https://www.bundesliga.com/de/bundesliga/tabelle
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
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