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       # taz.de -- Die Neuen in der Linkspartei: Jung, links und entschlossen
       
       > Die Linke gewinnt täglich an Mitgliedern. Wer sind die Neuen? Warum
       > treten sie gerade jetzt ein? Und wie soll es nach der Wahl für sie
       > weitergehen? Aus Pirna, Offenbach und Berlin.
       
   IMG Bild: Silberlocken zu Dauerwelle? Die Linkspartei scheint den Generationenwechsel vollzogen zu haben
       
       Mit einem Satz springt Zada Salihovic in die Luft, reißt den Arm hoch und
       rupft einen Sticker ab, der an einem Vordach klebt. Sie zeigt ihn den
       anderen. Er ist blau, „Widerstand“ steht darauf. Alle nicken wissend, dass
       er aus dem Umfeld der AfD kommt.
       
       Salihovic steht als Jugendkandidatin auf Listenplatz 4 der sächsischen
       Linken, dabei ist sie erst im Oktober 2023 neu eingetreten. Als die Partei
       diesen „gemischten Platz“ wählte, setzte sie sich gegen drei Männer durch.
       „Das ist selten“, sagt sie, „gemischte Plätze“ gingen meist an Männer.
       Bescheidenheit und Stolz kämpfen auf ihrem Gesicht. Ein rasanter Aufstieg.
       Was sehen die Leute in ihr? „Vielleicht, dass ich ehrlich bin?“, sagt sie
       vorsichtig.
       
       Zusammen mit fünf Genoss*innen ist sie unterwegs nach Pirna-Copitz,
       einem Stadtteil der 40.000-Einwohner-Stadt im Osten Sachsens. Sie wollen an
       den Haustüren der dortigen Wohnblocks Wahlkampf machen. Über ihren
       Schultern hängen Jutebeutel mit der roten Aufschrift „Die Linke“. In die
       Partei sind im Freistaat seit November 2.000 Personen eingetreten, was bei
       8.500 Mitgliedern insgesamt beachtlich ist. Bundesweit gab es seit
       Jahresbeginn über 23.500 Eintritte.
       
       Doch was sind die Neumitglieder für Menschen? Was wollen sie bei der
       Linken? Der aktuelle Höhenflug der Partei – Vorhersagen sehen sie bei fünf
       bis sieben Prozent – wird oft mit dem Merz-Eklat und der Rede von Heidi
       Reichinnek im Bundestag erklärt. Aber ist das wirklich der Grund für den
       Zulauf? Welche Motive nennen die Neuen selbst? Und wie soll es nach dem
       Wahltag für sie weitergehen?
       
       Zügig steigt Salihovic die Treppe zur Elbbrücke hinauf. Unten funkelt das
       Wasser in der Sonne, am Ostufer schmiegt sich das Schloss Sonnenstein in
       den Hang. „Eigentlich ist Pirna eine schöne Stadt“, sagt die 24-Jährige.
       „Wären da nur nicht bestimmte Menschen.“ Sie meint die Rechten, spricht es
       aber nicht aus, es ist sowieso klar. „Die sind aber die Minderheit.“
       
       Im [1][Schloss Pirna-Sonnenstein] haben die Nazis zwischen 1940 und 1941
       mindestens 13.000 Menschen ermordet. Heute sitzen darin 27 Politiker der
       AfD, die im dort tagenden Kreistag zweitstärkste Kraft ist. Sie stellt in
       Pirna zudem den ersten Oberbürgermeister Deutschlands und sahnte hier 2021
       das Direktmandat für den Bundestag ab. Die Linke erzielte damals 9,3
       Prozent.
       
       ## „In der Linken kann man sofort aktiv werden“
       
       Als Schülerin hat Salihovic Handball gespielt, politisiert wurde sie von
       ihrer großen Schwester, später arbeitete sie in der Pflege. Aber die
       Bedingungen waren miserabel, jetzt hat sie einen Job bei der Gewerkschaft.
       Welche, darf sie wegen ihres Wahlkampfs nicht sagen.
       „Betriebsvereinbarung.“ Salihovic, die Tochter eines Serben und einer
       Sächsin, ist sicher: „Dass so viele in die Linke eintreten, liegt auch
       daran, dass sie wissen: Hier kann man sofort aktiv werden.“
       
       Das bestätigen ihre Mitstreiter*innen: drei Frauen, zwei Männer, einer
       trans. Damit repräsentiert die Gruppe die Geschlechter in der Gesamtpartei
       ganz gut: Unter den Neuen sind laut der Pressestelle viele queere Menschen,
       mehr als die Hälfte sei weiblich, der Frauenanteil liege nun bei 42
       Prozent. Das entspricht dem der Grünen, wo die Neuen allerdings deutlich
       älter sind: Bei den neuen Linken beträgt [2][das Durchschnittsalter 28,7
       Jahre], bei den neuen Grünen 42,2 Jahre.
       
       Von den Aktivist*innen in Pirna sind alle unter 30. Einige von ihnen
       gehen noch zur Schule oder machen eine Lehre. Eine setzt sich für eine
       Skatehalle im Nachbarort ein. Für sie sei die Linksjugend das Richtige,
       weil sie mit ihr dafür sorgen könne, dass es in der Gegend mehr Angebote
       für junge Menschen gibt. „Damit die eine gute Zeit haben, bevor sie
       weggehen.“ Denn früher oder später gingen alle von hier weg.
       
       An den Wohnblocks in Copitz angekommen, teilt sich die Gruppe in
       Dreierteams auf. Die Straße ist menschenleer, nur ab und zu bringt einer
       Müll raus. Klingeln, warten, klingeln. Endlich, der Buzzer summt. Sie
       drücken die Tür auf, eilen die Treppen hoch, stellen sich vor und fragen:
       „Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was sich in der Politik ändern müsste,
       was wäre das?“
       
       Eine Frau Mitte vierzig antwortet: „Dass die Parteien mehr
       zusammenarbeiten, statt nur nach Macht zu streben.“ Die 27-jährige Aileen
       Thonig hakt nach: „Also wünschen Sie sich mehr Miteinander?“ – „Ja, und
       dass man die Bevölkerung im Blick hat.“ Wieder greift die Aktivistin die
       Aussage der Frau auf, um dann die Frage zu stellen, die sie allen stellt:
       „Bei der Bevölkerung – dazu gehören Sie als Bürgerin ja – was sind denn die
       Hauptthemen, die Sie gerade umtreiben?“
       
       Ohne nachzudenken, antwortet die Bürgerin: „Die Mieten. Da seid ihr von der
       Linken ja ganz vorne. Und die Rente, die Preise, ständig schließen hier
       Läden.“ Thonig stimmt ihr zu, wie schade das sei. „Dürfen wir Ihnen etwas
       zum Lesen dalassen?“ Die Frau nimmt einen Flyer – und presst leise hervor:
       „Im Wahl-o-Mat sind Sie bei mir ja an erster Stelle … Aber wenn ich Sie
       wähle, fürchte ich, dass die AfD hochkommt.“
       
       ## Stimme verschenkt?
       
       Falls die Linke den Einzug in den Bundestag nicht schaffe, sei ihre Stimme
       verschenkt, die Rechten erhielten noch mehr Sitze. Dann geht es kurz
       durcheinander. „Aber die aktuellen Umfragen …“, wirft eine ein. „Sie wollen
       also [3][strategisch wählen?]“, fragt gleichzeitig eine andere. Die Frauen
       bemerken das sofort und beißen sich auf die Zunge. Stille. Die Dame in der
       Haustür nimmt den Faden wieder auf. „Mein Problem ist wirklich: Wähle ich
       taktisch oder das, wo mein Herz hin geht?“
       
       Thonig ist gerührt. Ob der Haustürwahlkampf ihr liegen würde, wusste sie
       vorher nicht so recht. „Ich bin die, die immer bei Demos spricht, das fällt
       mir leicht.“ Angst hätte sie aber keine gehabt. „Ich erwarte bei solchen
       Aktionen nichts, was ich nicht auch im Alltag andauernd erlebe“, sagt sie –
       und meint Rassismus. Ihr Vater ist Schwarz.
       
       Als Teenie habe sie sich im Auto immer geduckt, wenn jemand vorbeikam, den
       sie kannte. „Damit keiner checkt, dass ich zu ihm gehöre, ich wollte mir
       keine dummen Sprüche anhören.“ Später habe ihr das leidgetan, sagt sie.
       „Eines Tages habe ich mich dafür bei meinem Vater entschuldigt.“
       
       Dann geht eine Tür im Erdgeschoss auf. Alle lachen. Denn man kennt sich.
       Hier wohnt Justin, ein 17-Jähriger in Jogginghose. Er geht mit Alex, einem
       Mann aus der Wahlkampfgruppe, zur Berufsschule. Wen er wählen würde, wenn
       er denn dürfte? „AfD“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Wieso? Er
       zögert lange. „Die sieht man halt am meisten … so in den Medien.“ Andere
       Gründe kann er nicht nennen. „Zum Glück ist der noch nicht wahlberechtigt“,
       raunt die eine der anderen beim Rausgehen zu.
       
       Als die Aktivist*innen sich wieder vor dem Wohnblock sammeln, öffnet
       sich im dritten Stock ein Fenster: „Hört auf mit euern scheiß Prospekten“,
       brüllt eine ältere Frau. „Solchen Müll brauch’ ich nicht in meinem
       Briefkasten.“ Salihovic guckt geknickt. „Manchmal knallen die Leute die Tür
       auch sofort zu, reißen sie wieder auf, beleidigen uns als
       ‚Kommunistenpack!‘ und knallen sie wieder zu“, erzählt sie. Dann streicht
       sie sich eine ihrer blonden Locken aus dem Gesicht und hebt den Blick.
       „Aber es gibt keine erfolglosen Haustürgespräche. Auch wenn uns jemand
       nicht mag, haben wir gezeigt: Wir sind da.“
       
       ## Nervt bei der Linken auch was?
       
       Ob die Linke am Sonntag genug Stimmen holen wird, sodass Salihovic in den
       Bundestag kommt, ist offen. Vorhersagen lässt sich das kaum, weil die
       Berechnung der Sitze komplex ist und die Anzahl, die letztlich verteilt
       wird, auch davon abhängt, wie viele Parteien überhaupt einziehen. „Ob ich
       reinkomm oder nicht, ich hab Blut geleckt, die Parteiarbeit macht echt
       Spaß“, sagt Salihovic auf Sächsisch.
       
       Nervt sie bei der Linken auch etwas? „Nee,“ antwortet Salihovic und betont,
       wie dankbar sie für alles sei, was ältere Genossen ihr schon beigebracht
       hätten. So habe einer, der seit Jahren das Gedenken an die NS-Verbrechen in
       Dresden organisiert, vorgeschlagen, dass sie das künftig übernimmt. „Er hat
       mir genau erklärt, worauf es ankommt.“
       
       Kopfschüttelnd aus dem Parteibüro rausgegangen sei sie bisher nur einmal.
       „Da hatte ich mich erkundigt, wie ich noch unterstützen kann und ein
       Genosse sagte, ich solle flyern und plakatieren.“ Salihovic aber meinte die
       inhaltliche Arbeit. Die leistet sie in der Linksjugend längst, zum Beispiel
       in der AG Antifaschismus. Als nächstes will sie eine AG Gewerkschaft
       gründen, um Streiks zu unterstützen. „Ist alles schon fertig, muss nur noch
       auf die Website.“ Zu einer Strömung in der Partei gehöre sie nicht. „Aber
       wenn, dann am ehesten die Gewerkschaftslinken.“
       
       Interessant ist auch, was hier nicht thematisiert wird: Außenpolitik. „Das
       spricht kaum jemand an“, sagt die Kandidatin. Fragt man sie nach ihrer
       Haltung zum Nahostkonflikt oder Waffenlieferungen an die Ukraine, sagt
       Salihovic: „Damit kenne ich mich nicht aus.“ Das sei in ihren Augen auch
       nicht nötig, schließlich gäbe es für alles in der Partei Fachleute.
       
       Nach der Wahl will sie die Haustürgespräche definitiv fortsetzen. „Und wenn
       die Preise weiter so steigen, kochen wir eben einmal pro Woche KüfA, also
       Küche für alle. Da können die Leute kostenlos oder gegen Spende essen.“ Sie
       werde auf jeden Fall weitermachen. „Wir können ja auch hier vor Ort etwas
       machen“, verspricht sie beim Abschied.
       
       ## Die Linke ist ihr eigentlich zu sozialdemokratisch
       
       Am nächsten Morgen, 500 Kilometer weiter westlich, zwängt Jule Sommer sich
       zwischen einen Vorratsschrank und einen Türrahmen, um niemandem im Weg zu
       stehen. So viele Leute sind zum Brunch für Neumitglieder in der „Linken
       Ecke“, dem Parteibüro in Offenbach am Main, gekommen.
       
       [4][Sommer sagt, sie habe es am Mittwoch des Merz-Eklats gepackt.] „Noch in
       der S-Bahn habe ich den Mitgliedsantrag ausgefüllt“, erzählt die 32-Jährige
       mit den kurzen, blonden Haaren. Sie sagt zwar: „Das war eine
       Übersprungshandlung.“ Doch hört man ihr länger zu, klingt die Entscheidung
       wohlüberlegt.
       
       „Natürlich kommt uns der Merz-Eklat im Bundestag gerade zugute“, bestätigt
       eine Person aus der Parteispitze der taz hinter vorgehaltener Hand. Doch
       eine Vorhersage hatte die Linke schon einige Tage davor erstmals wieder bei
       fünf Prozent gesehen. Die Spitzenkandidatin und Gruppen-Vorsitzende im
       Bundestag, Heidi Reichinnek, war schon vor [5][ihrer fulminanten
       Bundestagsrede] beliebt auf Tiktok. Keine:r der vielen Neuen, die die taz
       für diese Recherche befragt, erwähnt Reichinnek auch nur.
       
       Alle waren schon vorher politisch aktiv. Das legitimiert eine leise
       Hoffnung, dass die Eintrittswelle mehr als ein Strohfeuer sein könnte.
       Schafft die Partei es, die Neuen einzubinden und mit ihnen ihre internen
       Konflikte zu bearbeiten, könnte sie sich vom Wahlverein ostdeutscher
       Rentner, der zu werden sie zuletzt drohte, zu einer aktiven
       Mitgliederpartei mit rosiger Zukunft transformieren.
       
       Sommer, die an der Universität Gießen arbeitet, beißt in ihr Börek, kaut,
       denkt nach und zitiert linke Theoretiker wie Theodor W. Adorno und Antonio
       Gramsci. Die Linkspartei sei ihr eigentlich zu sozialdemokratisch. „Im
       Herzen bin ich eine radikale Maus. Daran hat sich auch nichts geändert.
       Aber die Gesellschaft hat sich verändert“, erklärt sie.
       
       ## Er hat seine Familie umgestimmt
       
       „Geliebäugelt hatte ich mit einem Eintritt zum ersten Mal, als
       „Abschiebungen im großen Stil schon von Scholz angekündigt …“ – „So ein
       Opfer!“, wirft ein großer bärtiger Mann im Vorbeigehen seine Meinung über
       den Bundeskanzler ein, grinst und bahnt sich seinen Weg zum Buffet. Sommer
       muss lachen. „Ja, so kann man es auch sagen. Ich habe einfach eine
       Riesenwut auf SPD und Grüne, weil sie keine linke Politik machen.“
       
       Der bärtige Mann, das ist Harun Malik. Er tritt vor die Tür, holt Luft. Auf
       dem Gehweg trifft er Janine Wissler, die hessische Spitzenkandidatin, die
       in der „Linken Ecke“ gerade eine Rede gehalten hat. Eigentlich ist sie
       schon auf dem Sprung zum nächsten Event, doch die beiden kommen über die
       Lage der Kurden ins Gespräch. Wissler engagiert sich seit Jahren für sie –
       etwa, indem sie unrechtmäßige Abschiebungen verhindert.
       
       Malik ist 25, steht kurz vor seinem Examen für Lehramt Deutsch und Politik
       und will seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung sehen. Er kommt aus
       dem Offenbacher Stadtteil Lauterborn und ist fünf Tage vorher in die Linke
       eingetreten. „Ich habe eine sehr große Familie“, erzählt der Student. „Mein
       Opa war einer der ersten Gastarbeiter. Die haben alle immer SPD gewählt“,
       sagt er. Jetzt, „endlich“, habe er sie umgestimmt. „Weil SPD und Grüne
       Waffen an die Türkei liefern, die das Erdoğan-Regime gegen uns Kurden
       einsetzt, und weil sie von hier Kurden [6][in die Türkei abschieben]“,
       erklärt Malik.
       
       „Wieso erst jetzt?“, wundert sich die Reporterin. [7][Das tun SPD und Grüne
       doch schon seit Jahren.] Im Ton eines Geständnisses ergänzt er: „Ja, das
       lag auch an Palästina.“ Er meint damit, dass die Linken einen Exportstopp
       für Waffen an Israel fordern. Gerade religiöse Kurd:innen verbindet oft
       eine besondere Solidarität mit Muslimen in Palästina. Malik, der auch auf
       Instagram viel Politisches postet, betont, er wolle – unabhängig von der
       Wahl – seinen Stadtteil organisieren. „Da wohnen viele Migranten, die
       Mieten steigen, es muss dringend etwas passieren.“
       
       Drinnen im Parteibüro ist es inzwischen leerer geworden, Kinder toben, zwei
       Männer kochen Kaffee, andere machen sich fertig, um flyern zu gehen. Auch
       Jule Sommer ist noch da. Was die Zukunft der Partei betrifft, glaubt sie
       nicht, dass die alten Konflikte – wie über Waffenlieferungen an die
       Ukraine, die sie sehr befürwortet – aus der Partei verschwinden werden.
       „Aber sie werden jetzt anders geführt als mit narzisstischen
       Persönlichkeiten wie Sahra Wagenknecht“, hofft sie.
       
       ## Zu oft über Grüne und SPD geärgert
       
       Zwei Wochen vorher, an einem Samstag in Berlin-Friedrichshain, steht Saadet
       Ekşi zur perfekten Zeit am perfekten Ort. Zusammen mit 15 Genoss*innen,
       davon mehr als zwei Drittel Frauen, hat die 27-Jährige einen Wahlkampfstand
       an der Warschauer Straße aufgebaut. Die Sonne scheint. Massen strömen
       vorbei. Sie kommen aus der S-Bahn, dem Shoppingcenter, dem Club oder dem
       Fußballstadion.
       
       Ekşi ist im Dezember Mitglied geworden. Sie habe es einfach nicht mehr
       ausgehalten, platzt es aus der jungen Frau heraus. „Ich wollte was gegen
       den Rechtsruck tun. Ich habe selbst Migrationshintergrund und fand wichtig,
       gegen die Rechten, also auch die CDU, aktiv zu werden“, erklärt sie. Dann
       drückt sie der nächsten Passantin einen Flyer in die Hand. Die meisten
       reagieren höflich, viele nehmen einen mit. Andere halten nicht einmal an.
       Sie sagen bloß: „Ich wähle euch sowieso“.
       
       Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gilt traditionell als links.
       Doch wer hier das Direktmandat erobert, bleibt spannend. Laut dem
       Prognose-Portal YouGov liegt Pascal Meiser von der Linken mit 20 Prozent
       knapp hinter der Grünen Kandidatin, der 22 Prozent vorhergesagt werden. Für
       die Deutsch-Türkin Ekşi kommen weder Grüne noch SPD infrage. „Über die habe
       ich mich zu oft geärgert, zum Beispiel über die Bezahlkarte für
       Geflüchtete. Die ist entmündigend.“
       
       Wegen der Migrationspolitik wenden sich immer mehr Anhänger*innen und
       gar Mitglieder von Grünen und SPD neuerdings der Linken zu. Eine der ersten
       war die Sozialarbeiterin und Autorin Cansin Köktürk, die die Grünen
       verlassen hat und jetzt für die Linke antritt.
       
       Doch auch Linksradikale, für die die Partei immer ein rotes Tuch war,
       unterstützen die Linke jetzt. Zum Beispiel eine Aktivistin, die sich wegen
       Antisemitismus von ihrer alten Gruppe Migrantifa abgewandt hat, oder auch
       eine ehemalige Politikerin der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), der
       die Linke eigentlich nicht pazifistisch genug ist.
       
       Ekşi begründet ihren Eintritt so: „Ich finde wichtig, dass im Bundestag
       eine starke Linke vertreten ist, die nicht „wie die anderen Parteien immer
       einknickt“. Sie ist Sozialarbeiterin in der Jugendhilfe und hat davor mit
       Menschen mit Behinderungen gearbeitet. Für diese fordert die Linke den
       Mindestlohn, wenn sie in Werkstätten arbeiten, was Ekşi begrüßt. „Die Linke
       ist die einzige Partei, die Politik für alle macht. Also auch für die
       Randgruppen.“ Dann ist die junge Frau nicht mehr zu verstehen.
       
       Zwei Jungs mit roten Bäckchen und HSV-Trikots torkeln vorbei und grölen wie
       ein Stadiongesang: „Greeegor, Greeegor Gysi.“ Dann brechen sie in
       schallendes Gelächter aus – und versichern den verwirrt Guckenden, [8][dass
       sie die Silberlocken lieben], „fast so sehr wie den HSV“. Bis alle Fans der
       Linken verstanden haben, dass diese auch neue Spieler*innen aufs Feld
       schickt, dürfte es wohl noch eine Weile dauern.
       
       18 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
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