URI: 
       # taz.de -- Um Hilfe bitten in Bus und Bahn: Klage gegen Bettelverbot
       
       > Seit fast einem Jahr setzen die Hamburger Verkehrsbetriebe ein
       > Bettelverbot in Bussen und Bahnen um. Jetzt klagen Betroffene dagegen.
       
   IMG Bild: Mehr Stress für ohnehin Gestresste: Wer in der U-Bahn bettelt und erwischt wird, muss seit Mai 2024 eine Vertragsstrafe zahlen
       
       Hamburg taz | Das Bettelverbot in Hamburgs Bussen und Bahnen wird
       gerichtlich überprüft. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat am
       Mittwoch gemeinsam mit dem Straßenmagazin Hinz&Kunzt und zwei Betroffenen
       beim Amtsgericht Hamburg eine Klage gegen den Hamburger Verkehrsverbund
       (HVV) eingereicht. Betteln ist in Deutschland [1][grundsätzlich erlaubt].
       Bettelverbote sind daher [2][rechtlich sehr umstritten].
       
       Seit Mai 2024 setzen die Hochbahn AG, die U-Bahn und Busse betreibt, und
       die S-Bahn der Deutschen Bahn ein [3][Bettel- und Musizierverbot] um. Das
       Verbot steht schon seit 2004 in den Beförderungsbedingungen ihres
       Gemeinschaftsunternehmens Hamburger Verkehrsverbund (HVV). Aber erst seit
       Frühjahr 2024, kurz vor der Fußball-Europameisterschaft, die auch in
       Hamburg stattfand, wird es durchgesetzt. Ähnliche Regeln gibt es unter
       anderem in Bremen und München, wo sie aber unterschiedlich streng
       angewendet werden.
       
       In der Hamburger U-Bahn weisen seit Frühjahr 2024 Durchsagen auf das Verbot
       hin. Aktuell werden sie nicht mehr stündlich, sondern alle drei Stunden
       gespielt, sagt ein Pressesprecher der Hochbahn der taz. In der S-Bahn gibt
       es solche Durchsagen nicht, dafür Hinweise im Fahrgastfernsehen.
       
       ## Person beim Betteln erwischt
       
       Wenn die Kontrolleur:innen eine Person beim Betteln erwischen, sieht
       das genauso aus wie bei der Fahrkartenkontrolle. Sie nehmen die Personalien
       der Person auf, rufen die Polizei, wenn sie sich nicht ausweisen kann, und
       stellen ihr eine schmale, graue Quittung aus. Darauf steht: „Beanstandung:
       Betteln“.
       
       Ein [4][Verstoß gegen das Bettelverbot] kostet 40 Euro und stellt eine
       sogenannte Vertragsstrafe dar. Anders als Fahren ohne Fahrschein ist
       Betteln keine Straftat. Das hat den Vorteil, dass den Menschen, die die 40
       Euro nicht bezahlen können, keine Ersatzfreiheitsstrafe aufgebrummt werden
       kann.
       
       Aber 40 Euro sind trotzdem viel Geld. Vor allem, wenn man so arm ist, dass
       man betteln muss und vielleicht auch noch keinen Fahrschein hat, sagt
       Teresa Jakobs. Sie arbeitet als Straßensozialarbeiterin der Diakonie in der
       Hamburger Innenstadt. Jakobs hat mehrere Klient:innen, die bei einer
       Kontrolle zwei Strafen auf einmal bekommen haben, wegen Fahrens ohne
       Fahrschein und wegen des Bettelverbots.
       
       Einen ihrer Klienten habe das sogar mehrfach betroffen. „Das sind auf einen
       Schlag 100 Euro, die Menschen nicht bezahlen können“, sagt Jakobs. Die
       Folge: Inkasso-Verfahren, rasant steigende Kosten und Schulden, die
       Menschen oft jahrelang beschäftigten. Dass Menschen Strafe zahlen sollen,
       weil sie nach einer Spende gefragt haben, findet Jakobs absurd.
       
       ## Es geht um eine bundesweite Klärung
       
       „Für meine Bitte um Hilfe bestraft zu werden, ist herabwürdigend“, zitiert
       Hinz&Kunzt einen der Kläger, den wohnungslosen René, in einer
       Pressemitteilung. Die Verfahrenskoordinatorin bei der GFF, Mareile
       Dedekind, sagt:„Menschen in Not für ihren Appell an Mitmenschlichkeit zur
       Kasse zu bitten, verletzt Grundrechte.“ Ihr geht es um eine bundesweite
       Klärung.
       
       Insgesamt 1.923 Mal habe die Hochbahn 2024 Strafen wegen Bettelns verhängt,
       so ein Sprecher auf taz-Anfrage. Die S-Bahn möchte dazu keine konkreten
       Zahlen nennen. Von den Strafen der Hochbahn sind nur 24 bezahlt worden. Das
       führt das Unternehmen darauf zurück, „dass häufig kein fester Wohnsitz
       vorliegt“.
       
       Ob die Strafen zugenommen haben, seitdem das Verbot durchgesetzt wird,
       lässt sich nicht so einfach sagen. Die Hochbahn erfasst die Verstöße erst
       seit 2024 gesondert. Zahlen aus einer Anfrage der Linken legen aber nahe,
       dass die Strafen wegen des Bettelverbots seit Mai 2024 stark zugenommen
       haben. Das hat Hinz&Kunzt [5][im vergangenen Jahr ausgerechnet].
       
       In der Bahn zu betteln, ist anders als draußen. „Wenn ich irgendwo sitze,
       rennen ja die Leute an mir vorbei. In der U-Bahn ist es umgekehrt“, sagt
       Jörn Sturm, Geschäftsführer von Hinz&Kunzt. In der Bahn sind es die
       Menschen, die nach einer Spende fragen, die in Bewegung sind. So hätten die
       sitzenden Fahrgäste, für die eine Spende überhaupt infrage kommt, mehr Zeit
       zum Überlegen: „Gebe ich was oder nix?“ – ein Vorteil für beide Seiten,
       sagt Sturm.
       
       Für Menschen, die betteln müssen, bedeutet das Verbot zusätzlichen Stress,
       sagt Sturm. Das liege auch daran, dass das Verbot Auswirkungen auf die
       anderen Fahrgäste habe. „Es legitimiert die Rechthaber und Lautsprecher
       unter den Fahrgästen, die sagen: ‚Du darfst das hier nicht, geh weg‘“, sagt
       Sturm.
       
       26 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bettel-Verbote-in-Staedten/!6009294
   DIR [2] /Bettelverbot-in-Krefeld/!5937187
   DIR [3] /Bettelverbot-in-Hamburger-U-Bahnen/!6009293
   DIR [4] https://dialog.hochbahn.de/allgemein/betteln-durchsagen/
   DIR [5] https://www.hinzundkunzt.de/1319-bussgelder-fuers-betteln-in-bahnen/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Amira Klute
       
       ## TAGS
       
   DIR Fahren ohne Fahrschein
   DIR Hamburg
   DIR Öffentlicher Nahverkehr
   DIR Obdachlosigkeit in Hamburg
   DIR Obdachlosigkeit
   DIR Hamburg
   DIR Fahren ohne Fahrschein
   DIR Bettler
   DIR Bettler
   DIR wochentaz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bettelverbot in Hamburgs S- und U-Bahnen: S-Bahn verhindert Grundrechtsentscheidung
       
       Die Hamburger S-Bahn zahlt lieber ein Bußgeld zurück, als ein Urteil über
       ihr Bettelverbot zu riskieren. Für Betroffene deutschlandweit ist das
       fatal.
       
   DIR Bettel-Verbot im Hamburger Nahverkehr: Das Recht der Stärkeren
       
       Hamburg bestraft jene, die in der Bahn um Geld bitten. Doch wer was ändern
       will, muss Armut bekämpfen, statt unerwünschtes Verhalten zu sanktionieren.
       
   DIR Bettel-Verbote in Städten: Ungeklärte Rechtslage
       
       Viele Städte verbieten das Betteln auf rechtlichen Umwegen. Dabei tendiert
       das Bundesverfassungsgerichts dazu, dass Betteln ein Grundrecht sein
       könnte.
       
   DIR Bettelverbot in Hamburger U-Bahnen: Keine kleine Spende mehr
       
       Die Hamburger Hochbahn will das Bettelverbot in U-Bahnen strikter
       durchsetzen. Das Obdachlosenprojekt Hinz&Kunzt hält das Verbot für
       grundrechtswidrig.
       
   DIR Bettelverbot in Krefeld: Sich wehren hilft
       
       Ein Betroffener hat in Krefeld eine Aufhebung des dortigen Bettelverbots
       bewirkt. Auch Arme gehörten dazu in einer Gesellschaft, sagt er.