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       # taz.de -- Spanien senkt Wochenarbeitszeit: Weniger schuften fürs gleiche Geld
       
       > Spaniens Linkskoalition senkt die Arbeitszeit pro Woche auf 37,5 Stunden
       > – bei vollem Lohnausgleich. Unternehmer und die rechte Opposition sind
       > dagegen.
       
   IMG Bild: Süßwaren-Handwerksbetrieb in Andalusien, Spanien
       
       Madrid taz | Während es in Deutschland Diskussionen um eine
       [1][Verlängerung der Lebensarbeitszeit] gibt und im einst
       krisengeschüttelten Griechenland vergangenen Sommer die Sechs-Tage-Woche
       wieder eingeführt wurde, geht Spaniens Regierung in die entgegengesetzte
       Richtung. Die Linkskoalition unter dem Sozialisten Pedro Sánchez verkündete
       am Dienstagnachmittag nach der Kabinettssitzung eine Verkürzung der
       regulären [2][Wochenarbeitszeit] von 40 auf 37,5 Stunden bei vollem
       Lohnausgleich.
       
       Der Gesetzesentwurf wurde zuvor mit den beiden großen Gewerkschaften des
       Landes, der postkommunistischen [3][CCOO] und der sozialdemokratischen UGT
       ausgehandelt. Die Arbeitgeberverbände stimmten nicht zu. Sie zogen sich aus
       den elf Monate andauernden Verhandlungen mit der Regierung zurück. Auch
       innerhalb des Kabinetts kam es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten
       zwischen Arbeitsministerin Yolanda Díaz, Kommunistin und bei den letzten
       Wahlen Spitzenkandidatin des linksalternativen Wahlbündnisses Sumar, und
       ihrem sozialistischen Kollegen im Wirtschaftsressort, Carlos Cuerpo
       Caballero. Díaz setzte sich durch.
       
       Jetzt muss die Regierung Sánchez eine Mehrheit für das Gesetz im Parlament
       finden, damit die 37,5-Stundenwoche wie versprochen vor Jahresende in Kraft
       tritt. Die rechte Opposition aus der konservativen Partido Popular (PP) und
       die rechtsextreme VOX kündigten bereits an, dagegen zu stimmen.
       Fortschrittliche Regionalparteien sehen das Gesetz der Koalition aus der
       sozialistischen PSOE und der linksalternativen Sumar positiv.
       
       Damit hängt alles an den Stimmen der beiden nationalistischen
       Mitte-Rechts-Parteien aus dem Baskenland und Katalonien, die Baskisch
       Nationalistische Partei (PNV) und Junts rund um den sich noch immer im Exil
       befindenden ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles [4][Puigdemont].
       Beide gelten als unternehmernah.
       
       ## Öffentlicher Dienst hat bereits 37,5-Stunden-Woche
       
       Zwölf Millionen Beschäftigte im Privatsektor würden von der kürzeren
       Arbeitszeit profitieren. Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst
       arbeiten bereits 37,5-Stunden-Woche. In einigen Großbetrieben ist dies – so
       die Tarifverträge – ebenfalls schon der Fall.
       
       Das Gesetz, das einer Forderung der Gewerkschaften Rechnung trägt, geht auf
       die Initiative von Arbeitsministerin Díaz zurück. „Die Verkürzung des
       Arbeitstages wird die Produktivität in unserem Land verbessern“, verteidigt
       sie den Vorstoß gegenüber den Unternehmerverbänden, die genau das Gegenteil
       befürchten. Laut Díaz mache es „keinen Sinn, Stunden über Stunden bei der
       Arbeit zu verbringen“ es gehe „vielmehr darum, effizient zu sein.“
       
       Neben der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich enthält das Gesetz
       weitere Maßnahmen. Teilzeitbeschäftigte werden entsprechend höhere Löhne
       erhalten, damit auch sie so am Lohnausgleich teilhaben. Das betrifft
       überwiegend weibliche Beschäftigte. Außerdem muss die Zeiterfassung in den
       Betrieben und Büros auf digitale und nicht manipulierbar Einrichtungen
       umgestellt werden.
       
       Die Strafen für unterlassene Arbeitszeiterfassung werden verschärft, mit
       einer Geldbuße pro Arbeitnehmer – statt einer pro Unternehmen. Die
       Beschäftigten haben künftig auch das Recht, sich in ihrer Freizeit digital
       völlig auszuklinken, um Unternehmen daran zu hindern, mit den Mitarbeitern
       außerhalb der Arbeitszeit Kontakt aufzunehmen.
       
       ## Mindestlohn um 54 Prozent erhöht
       
       Es ist nicht die erste Reform des Arbeitsmarktes von Ministerin Díaz, einer
       auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwältin. So schränkte sie mit Erfolg die
       Teilzeitarbeit und prekäre Kurzverträge ein und der [5][Mindestlohn] wurde
       in mehreren Schritten um 54 Prozent von 736 auf 1134 Euro bei 14
       Monatslöhnen, erhöht.
       
       Auch diese Maßnahmen wurden von der rechten Opposition scharf kritisiert.
       Sie würden zu mehr Arbeitslosigkeit führen. Genau das Gegenteil ist der
       Fall. Mit 21,86 Millionen arbeiten in Spanien so viele Menschen wie nie
       zuvor, mehr denn je haben einen Festvertrag.
       
       5 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Politologin-ueber-Altersarmut-bei-Frauen/!6066327
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