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       # taz.de -- Studenten-Protest gegen Sparkurs: Und was bleibt von der Kunst?
       
       > In Berlin fehlen Lehrkräfte für den Kunstunterricht. Die Universität der
       > Künste soll das Problem lösen, doch gegen die Pläne gibt es Widerstand.
       
   IMG Bild: Die Überreste des Protests an der UdK
       
       „We’re being kicked out“ steht auf dem Banner, das Anfang des Monats mit
       einer Hebebühne von der Decke der Universität der Künste (UdK) geholt wird.
       Es ist das letzte Überbleibsel eines provisorischen Protestateliers, das
       Studierende des ersten Semesters der Bildenden Kunst vor Wochen in der
       Eingangshalle aufgebaut hatten.
       
       Doch viele Studierende fühlen sich immer noch betrogen: Von der
       Kunstfakultät und von UdK-Präsident Norbert Palz, der im vergangenen Herbst
       eine tiefgreifende Strukturreform beschlossen hat. Diese wird als Bedrohung
       für die „Studierbarkeit“ ihrer Fächer gesehen – und damit auch für die
       Möglichkeit, das Lehramtsstudium im vorgegebenen Zeitrahmen abschließen zu
       können.
       
       Während sich die Zahl der Studierenden unter der neuen Reform vervielfachen
       soll, werden die Bedingungen zunehmend untragbar. So leidet etwa die
       Kunstdidaktik an der UdK an massivem Personalmangel. Es gibt nur eine
       festangestellte Person, sämtliche Professuren sind nur vertretungsweise
       besetzt.
       
       Hinzu kommen die Sparmaßnahmen des Senats. So sollen künftig
       Lehrbeauftragte nur noch während der Vorlesungszeit beschäftigt werden –
       obwohl offiziell bereits jede Woche 50 von 120 Lehrstunden ausfallen.
       
       ## Mangelnde Betreuung
       
       Thomas Lindenberg, Student des Quereinstiegs-Masters, sagte der taz, er
       wolle eigentlich schnell in den Lehrberuf, doch vor allem die mangelnde
       Betreuung von Abschlussarbeiten bereite ihm Probleme. „Wenn jetzt durch die
       Kürzungen noch die Anstellungszeit reduziert wird, wird es für uns
       Studierende noch schwerer, fristgerecht abzuschließen, um ins Referendariat
       zu gehen.“
       
       Das Kernproblem ist der drastische Lehrkräftemangel in Berlin. Zum
       Schuljahr 2024/25 fehlen 695 Lehrkräfte, darunter viele für das Fach Kunst.
       An Sonderschulen wurde das Schulfach längst abgeschafft. Die
       Senatsverwaltung für Wissenschaft hat den Engpass vor ein paar Jahren
       erkannt, und daraufhin die UdK per Hochschulvertrag verpflichtet, deutlich
       mehr Kunstlehrer:innen auszubilden.
       
       Dabei drohte die Senatsverwaltung der UdK mit der Abschaffung der
       künstlerischen Eignungsprüfung, falls die Universität diese nicht liefere.
       Das würde bedeuten, dass an der UdK nicht wie bisher die künstlerischen
       Fähigkeiten über die Zulassung entscheiden, sondern, wie in den
       Wissenschaften auch, die Abiturnote.
       
       Für viele in der UdK wird die Wurzel des Problems weniger im
       Lehrer:innenmangel, als in politischen Entscheidungen, die ihn verursacht
       haben, verortet. Stefan Kunzmann, langjähriges Mitglied des Fakultätsrats
       der UdK, zählt eine Reihe von Gründen auf, warum es gerade in Berlin an
       Kunstlehrer:innen mangelt. Neben der Streichung des sogenannten
       „Großfachs“, das Lehramtsstudierenden ermöglichte, ausschließlich Kunst und
       Pädagogik zu studieren, habe vor allem die „zeitweise Aussetzung der
       Verbeamtung“ die Attraktivität, als Kunstlehrer:in in Berlin zu
       arbeiten, geschmälert – so der Werkstattleiter im Bereich Digitale Medien.
       
       ## Weniger Geld für Ausbildung von Lehrern
       
       Nun will der Senat – statt die notorisch klamme UdK finanziell für die
       Ausbildung von Lehrkräften weiter zu bezuschussen – die Mittel der
       Universität um voraussichtlich 8 Millionen Euro kürzen. Um welche Summe
       genau, stehe zwar noch nicht „endgültig fest“, teilt die Senatsverwaltung
       für Bildung der taz auf Nachfrage mit. Dass aber gekürzt wird, gilt als
       gesetzt. Eine Entscheidung wird bis Mitte des Jahres erwartet.
       
       Um das Problem anzugehen, dass die UdK nicht genügend Kunstlehrer:innen
       ausbildet, hatte Präsident Palz die große Strukturreform angekündigt. Es
       war seine letzte große Amtshandlung, im nächsten Monat scheidet er aus dem
       Amt. Die Kernidee: Die Lehramtsstudiengänge sollen aus den „integrierten
       Fachklassen“, in denen sie bisher gemeinsam mit der Freien Kunst studiert
       haben, herausgelöst werden.
       
       Für die Reform entsteht ein eigenes Institut für Lehrkräftebildung – jedoch
       ohne eigenen Campus. Die Atelierräume des ersten Semesters sind nun im
       Wedding, die Kurse finden weiterhin in der Hardenbergstraße in
       Charlottenburg statt, und für Lehramtsstudierende liegt die
       Zweituniversität unter Umständen in Dahlem. Neu geschaffene Gastprofessuren
       sollen den Übergang erleichtern; die Klassen der in Rente gehenden
       Professor:innen werden zukünftig in Lehramtsklassen umgewandelt.
       Gegenüber kritischen Studierenden verteidigt Palz die Reform, die als
       prototypisches Modell eingeführt wird: „Unklarheiten sollen in der Praxis
       bewertet und angepasst werden.“
       
       Unter Lehramtsstudierenden geht nun die Sorge um, dass ihre
       Fachklassenprofessuren zunehmend unter pädagogischen Gesichtspunkten
       vergeben werden könnten. Damit würde die künstlerische Ausbildung weiter an
       Bedeutung verlieren. Gleichzeitig sorgen sich auch die Studierenden der
       Freien Kunst vor einer schleichenden „Pädagogisierung“ der UdK – dass also
       nicht mehr der Inhalt, sondern dessen Vermittlung zur zentralen Frage
       künstlerischer Auseinandersetzung wird.
       
       „Auf dem Papier klingt die Reform nicht so schlecht für die Bildende Kunst
       – aber was kommt als Nächstes? Und wie viel Platz bleibt der Kunst?“, fragt
       sich die BK-Studentin Leo Wintzen, die auch den sozialen Austausch mit den
       Lehramtsstudierenden als bereichernd empfindet. Auch die Studierenden des
       Vollzeitfachs kritisieren, dass die ausbleibende finanzielle und ideelle
       Unterstützung dem von der UdK formulierten Anspruch entgegensteht, eine
       exzellente Kunstuniversität zu sein.
       
       11 Feb 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Greta Dassler
   DIR David Kirchner
       
       ## TAGS
       
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