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       # taz.de -- 20 Jahre nach dem Mord an Hatun Sürücü: Femizide im Namen des Patriarchats
       
       > Mit einem stillen Gedenken ist am Freitag in Tempelhof an die Ermordung
       > der jungen Berlinerin Hatun Aynur Sürücü vor 20 Jahren gedacht worden.
       
   IMG Bild: Gedenkstein für Hatun Sürücü an der Oberlandstraße in Tempelhof
       
       Berlin taz | Es ist kalt an diesem Freitag, kurz vor 12 Uhr. Rund 50
       Menschen, junge und alte, Frauen und Männer, drängen sich an der
       Oberlandstraße in Tempelhof um den Gedenkstein, der an den Mord an Hatun
       Aynur Sürücü am 7. Februar 2005 erinnert. Neben Gedenkkränzen legen sie
       ihre mitgebrachten Blumen nieder und zünden Kerzen an. Hier, an der Stelle,
       an der die damals 23-Jährige von ihrem Bruder erschossen wurde, weil sie
       selbstbestimmt leben wollte.
       
       Anlässlich des 20. Todestages von Hatun Aynur Sürücü haben die Bezirksämter
       Neukölln und Tempelhof-Schöneberg zu einem stillen Gedenken aufgerufen. So
       still ist das Gedenken an der stark befahrenen Straße gleichwohl nicht. Ein
       Kamerateam ist da, vor dem Gedenkstein wird ein Mikrofonständer
       aufgestellt. Die Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg und
       Neukölln, Jörn Oltmann (Grüne) und Martin Hikel (SPD), nehmen ebenso an der
       Gedenkveranstaltung teil wie Sozialstaatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) als
       Senatsvertreter.
       
       Der Mord an Sürücü, [1][der damals als Ehrenmord, heute als Femizid
       bezeichnet wird], löste bundesweit Entsetzen und Anteilnahme aus. Und auch
       am Freitag ist die Aufmerksamkeit groß. Zu Recht – aber zu wenig. Denn dass
       Femizide wie dieser damals wie heute keine Einzelfälle sind, sondern
       strukturelle Ursachen haben, bestätigen [2][die erschreckend hohen Zahlen],
       die trotz Präventionsmaßnahmen in den letzten Jahren gestiegen sind. Allein
       im vergangenen Jahr gab es in Berlin 29 Femizide.
       
       „Auch wenn die Zahlen Bände sprechen, ist es wichtig, an die individuellen
       Schicksale wie das von Hatun Sürücü zu erinnern“, sagt Julia Selge, die
       Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte von Tempelhof-Schöneberg.
       
       ## „Wir müssen an die Wurzeln ran“
       
       Einig sind sich die anwesenden Politiker*innen, dass sich Gewalt gegen
       Mädchen und Frauen durch alle gesellschaftlichen Schichten zieht,
       unabhängig von der Herkunft der Täter. „Gewalt gegen Mädchen und Frauen,
       nur weil sie Mädchen und Frauen sind, kennt keine Herkunft“, sagt
       Staatssekretär Bozkurt. Er fordert: „Wir müssen an die Wurzeln ran.“ Dazu
       gehöre auch ein falsch verstandenes Männlichkeitsbewusstsein.
       
       Persönlich wird es bei Baran Fonte Venegas, der sich im Neuköllner Projekt
       Heroes engagiert, [3][in dem sich Männer gegen „Unterdrückung und Gewalt im
       Namen der Ehre“ einsetzen]. Er selbst versteht sich als Multiplikator, geht
       an Schulen, um ein Bewusstsein bei jungen Männern für sexualisierte und
       patriarchale Strukturen zu schaffen. Das sei „ein megawichtiges Thema“. Im
       Rahmen des Projekts werde Schülern Raum gegeben, um Sachen zu hinterfragen.
       „Das fängt an bei einem sexistischen Witz. Hinterfragen ist schon ein
       großer Move“, sagt Fonte Venegas.
       
       Für ihn ist klar: „Hinter der Gewalt steht ein ganzes Patriarchat, das wir
       bekämpfen müssen, damit wir gleichberechtigt Seite an Seite, Hand in Hand
       mit Frauen leben können.“ Hatun Aynur Sürücü habe eigentlich nur etwas
       Kleines, Selbstverständliches gewollt: ein selbstbestimmtes Leben. „Wir
       werden dich nie vergessen, Hatun“, sagt Fonte Venegas, „du warst eine
       starke Frau.“
       
       Die Gedenkveranstaltung endet nach 20 Minuten mit einer Schweigeminute, für
       einen kurzen Moment setzt Stille ein.
       
       7 Feb 2025
       
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