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       # taz.de -- Gen Z und Boomer: Studieren, jobben, Welt retten
       
       > Unsere Autorin hat eigentlich keinen Bock auf Generationenbashing. Doch
       > wenn man ihr und der Generation Z Faulheit vorwirft, steigt Wut in ihr
       > auf.
       
   IMG Bild: „Das war kein Sonnenbaden am Baggerloch. Das war Arbeit“: Protest gegen die Räumung des Dorfs Lützerath im Januar 2023
       
       Vor ein paar Wochen musste ich mich montagmorgens krankmelden. Ausgerechnet
       Montag. Kurz hatte ich Sorge, meine Kolleg:innen würden denken, ich
       mache blau, [1][mich hätte der „Montagsblues“ erwischt], wie es meiner
       Generation aktuell gerne unterstellt wird. Also lieber doch hingehen, trotz
       Ohrenentzündung? Blödsinn! Mit größter Wahrscheinlichkeit hatte niemand
       auch nur eine Sekunde lang das gedacht, worüber ich mir den Kopf zerbrach.
       Ich wurde wütend, dass mir dieser Gedanke überhaupt gekommen war.
       
       Umso mehr freut mich eine neue Studie, die belegt, dass der ganze Bullshit
       mit der angeblich so „faulen“ Gen Z nicht stimmt. Im Gegenteil. Laut dem
       Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung [2][arbeiten wir jungen
       Menschen heute sogar mehr als früher] – weil wir es müssen. Gestiegene
       Mieten, höhere Lebensmittelpreise, schlecht bezahlte Praktika: So ein Start
       ins Erwachsenenleben ist nicht billiger geworden, sondern teurer. Meine
       frühere Mitbewohnerin hatte gleich mehrere Nebenjobs. Ein Freund, der weder
       BAföG noch Unterstützung von seinen Eltern bekam, hat sich sein komplettes
       Studium irgendwie selbst finanzieren müssen. Auch ich hatte einen Studijob.
       
       Eigentlich habe ich keinen Bock auf Generationenbashing, aber mich regt
       auf, dass Arbeit für einen Teil von euch Boomern immer nur als Lohnarbeit
       verstanden wird. Immer höher, schneller, weiter – das scheint das Einzige
       zu sein, was ihr rufen könnt, dabei seht ihr doch selbst, dass es so nicht
       weitergeht. Und so müssen wir Jungen auch darüber hinaus jede Menge Arbeit
       erledigen, die von euch oft nicht als solche gesehen wird. Wir engagieren
       uns für die Rechte von Geflüchteten, setzen uns für Gleichberechtigung ein
       oder unterstützen wie jetzt, vor der Bundestagswahl, den Haustürwahlkampf
       der Linken.
       
       Der besagte Montag, an dem ich krank wurde, war [3][nach dem Wochenende in
       Riesa]. Stundenlang stand ich gemeinsam mit anderen Menschen in der Kälte,
       um gegen die Politik der AfD zu protestieren. Dort zu stehen, gab mir das
       Gefühl, etwas tun zu können, aber es machte mich auch wütend. Es weckte
       Erinnerungen an die Male, die ich mich früher mit meinen Freund:innen auf
       den Weg gemacht hatte. Um gegen den Autobahnausbau der A49 im Dannenröder
       Forst zu demonstrieren, gegen Braunkohle, den Abriss von Lützerath oder,
       oder, oder …
       
       Das war kein Sonnenbaden am Baggerloch. Das war Arbeit! In unserer
       Freizeit! Glaubt ihr, dass es Spaß macht, im Morgengrauen loszuziehen und
       Angst vor willkürlicher Polizeigewalt zu haben? Ich hätte mir Erholsameres
       vorstellen können. Aber leider sitzen wir Jungen nicht an den gemütlichen
       Hebeln der Macht. Und so müssen wir auf der Straße die Jobs machen, die
       viele von euch versäumt habt. Einige der heutigen Probleme wären nicht so
       groß, wenn ihr sie rechtzeitig in Angriff genommen hättet. Wärt ihr früher
       und entschlossener gegen Rechtsextremismus, soziale Ungleichheit und die
       Klimakrise vorgegangen, müssten wir heute nicht so viel ackern.
       
       Klar, auch viele Menschen aus eurer Generation haben sich für eine bessere
       Zukunft engagiert – und auch in meiner gibt es viele, die es nicht tun.
       Deshalb verstehe ich auch nicht, woher euer Frust auf uns kommt. Seid ihr
       neidisch, weil ihr glaubt, dass wir es besser haben als ihr? Habt ihr
       Angst, dass wir euch in dem Schlamassel, den ihr produziert habt, alleine
       lassen – weshalb ihr uns ein schlechtes Gewissen einreden wollt? Sorry, das
       alles zieht nicht mehr. Wenn der Planet nicht auch unsere Lebensgrundlage
       wäre, würden wir jetzt sagen: Ciao, wir machen es anderswo besser.
       
       22 Feb 2025
       
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