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       # taz.de -- Küppersbusch über den Wahlkampf: „Kulturell erleben wir ein 68 von rechts“
       
       > Friedrich Küppersbusch sieht in Deutschland eine neue Hegemonie von
       > rechts. Gleichzeitig sucht er nach Erklärungen für den Höhenflug der
       > Linken.
       
   IMG Bild: Verzweiflung ja, Zittern nein. Es gibt ja was zu tun. Alice Weidel mit Fähnchen nach der Bundestagswahl
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Die Umfragen.
       
       taz: Und was wird besser in dieser?
       
       Küppersbusch: Olaf Scholz und Volker Wissing machen einfach weiter.
       
       taz: Bei der Bundestagswahl steht viel auf dem Spiel. Muss man vor
       Verzweiflung zittern?
       
       Küppersbusch: 2021 hatten Union, FDP und AfD zusammen 45 Prozent, diesmal
       sind’s rund 55 Prozent. Das BSW darf man getrost dazu verrechnen, dann sind
       wir bei 60 Prozent. Bei den Themen Migration und Militarisierung haben SPD
       und Grüne klassische Positionen aufgegeben. Kulturell erleben wir ein „68
       von rechts“, eine Hegemonie rechter Gedanken, die sich als Kampf gegen eine
       Hegemonie linker Gedanken tarnt. Außenpolitisch ist die Drift noch
       dramatischer, die Spannungspolitik Russlands und der USA lässt sich als
       Ende der Entspannungspolitik der 70er lesen. Schließlich eskaliert die
       Geschwindigkeit dieses Umbruchs, durch digitale Medien und Resignation.
       Also Verzweiflung ja, Zittern nein. Es gibt ja was zu tun. Eine
       Gesellschaft, die in sich nicht gerecht ist, kann es auch nach außen nicht
       sein.
       
       taz: In den TV-Duellen wurden immer die gleichen Argumente ausgetauscht.
       Hat es sich trotzdem gelohnt, einzuschalten? 
       
       Küppersbusch: Bemerkenswert stabile Umfragen bei ungewöhnlich vielen
       TV-Sendungen. Sprich: Wumpe. Bewegung war bei der Linken, die
       sturzgeburtartig Social Media gelernt hat. Kein Schwund bei der AfD, die
       Social Media länger kann. Friedrich Merz hat drumherum maximal wenig
       gemacht und sich so immerhin nicht schon wieder verplappert. Olaf Scholz
       hat circa alles gemacht, war aber überall nur wieder Olaf Scholz. Der
       Themenverlauf war – irgendwas mit Wirtschaft, dann Migrationshysterie, dann
       Brandmauer, und schließlich ein Rest Ukraine und Trump. Klima, Wohnen,
       Bildung, soziale Gerechtigkeit kamen höchstens in der Schnellfragerunde.
       Fernsehen suggeriert, es könne alles, und ist damit für einen Impotenten
       ziemlich weit gekommen. Aber jetzt ist gut.
       
       taz: Die Linke war auf einem Höhenflug. Wird der nach der Wahl anhalten? 
       
       Küppersbusch: Ausgang des Linke-Comebacks waren die drei Münchhausen, die
       sich am eigenen Wahlkreis aus dem Sumpf zu ziehen versprachen. Dann
       verwandelte Heidi Reichinnek im Bundestag souverän die Trottelflanke von
       Friedrich Merz. Bei der Themensetzung – Wohnen, soziale Gerechtigkeit – und
       Social Media mussten die Linken dann nur noch tun, was die SPD nicht
       hinkriegt, fertig war die Rettung. Offenbar gibt’s in Deutschland ein
       beliebtes Rollenfach Jeanne d’Arc durch Pipi Langstrumpf mal Sozialismus,
       und wer Reichinnek und Wagenknecht nebeneinander sah, entdeckte eine
       angestaubte Ikone und einen frischen Vorschlag dafür. Regiert die SPD
       weiter mit, ist mir um ihre Zukunft nicht bange. Also die der Linken.
       
       taz: Trump und Putin entscheiden über die Ukraine und die EU hinweg. Ist
       Europa nun endgültig auf dem Abstellgleis der Geschichte gelandet? 
       
       Küppersbusch: Das muss man ja auch erst mal hinkriegen: Drei Jahre bis zur
       Hysterie „Woffn, Woffn, nochmal Woffn“ zu penetrieren, und die andere
       Hälfte der Wahrheit – Frieden, Verhandeln, Diplomatie – als unmoralisch,
       putinesk und insgesamt pfui aus dem Diskurs zu nehmen. Vor dem „Maidan“
       ließen sich die Europäer von Russland einschüchtern und von den USA
       überrollen. Genau da allerdings liegt ihre Chance. Mit Putin und der
       Ukraine über deren EU-Mitgliedschaft zu reden, wäre allein deshalb schon
       klasse, weil Trump einen ordentlichen Strahl kotzen würde. Hochrüsten und
       Fresse halten ist das, was Trump von uns will. Widerstand stelle ich mir
       anders vor.
       
       taz: In Südafrika wurde der erste offen schwule Imam erschossen. Braucht
       der Fortschritt Märtyrer wie ihn? 
       
       Küppersbusch: Menschen, die verkalkte Religionen zur Menschenfreundlichkeit
       zurück- und nach vorne führen, sollten grundsätzlich vor ihrer Ermordung
       bekannt werden.
       
       taz: Der Ex-Präsident des spanischen Fußballverbandes Luis Rubiales muss
       eine Geldstrafe zahlen, weil er die Spielerin Jenni Hermoso nach dem
       WM-Finale 2023 ohne ihre Zustimmung auf den Mund küsste. Ein angemessenes
       Urteil? 
       
       Küppersbusch: Das Gericht befand auf „sexuelle Aggression“, nicht jedoch
       auf Nötigung. Dabei kann man Rubiales’ Griff nach dem Kopf der Spielerin
       fast umgekehrt wahrnehmen: Nötigung und dann sexueller Übergriff. Hätte er
       es gelassen. Oder sie ihm sofort eine gescheuert. So ein Bild braucht es
       auch mal.
       
       taz: Und was macht der RWE?
       
       Küppersbusch: Spielt im Sommer beim schottischen Erstligisten Hibernian, um
       zu feiern, dass sie vor 70 Jahren der erste deutscher Club in einem
       europäischen Wettbewerb waren. 1955, als Deutscher Meister. Fragen: Julia
       Schöpfer, waam
       
       Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und wäre jetzt nicht gern
       Christian Lindner.
       
       24 Feb 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Friedrich Küppersbusch
       
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