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       # taz.de -- Soziologe über AfD-Erfolg: „Der Erfolg der Linken zeigt, wie es gehen kann“
       
       > Die AfD könnte im Osten künftig noch weiter wachsen, sagt Soziologe Axel
       > Salheiser. Was helfen könnte: das eigene Parteienprofil schärfen.
       
   IMG Bild: Die Wut der Zukurzgekommenen: Wahlkampfabschluss der AfD in Erfurt am 22.02.2025
       
       taz: Die AfD ist in allen ostdeutschen Flächenländern stärkste Kraft
       geworden. Wie erklären Sie sich das? 
       
       Axel Salheiser: Ich hatte damit gerechnet. Was mich aber schockiert, ist,
       dass sie im Vergleich zu den letzten Landtagswahlen kräftig zugelegt hat.
       Sie profitiert einerseits vom Klima in ganz Deutschland. Andererseits
       zeigen Nachwahlbefragungen, dass in Ostdeutschland andere Themen
       wahlentscheidend waren als in Westdeutschland. Themen wie Umwelt und Klima
       haben im Osten so gut wie keine Rolle gespielt. Hier war das Hauptthema die
       Zuwanderung – als Sündenbockdebatte. Das Narrativ, dass MigrantInnen
       systematisch bevorzugt werden, verfängt hier, weil viele Ostdeutsche sich
       als BürgerInnen zweiter Klasse sehen.
       
       taz: Warum? So schlecht geht es den Leuten im Osten nicht. 
       
       Salheiser: Das stimmt, aber demokratische PolitikerInnen scheuen sich, das
       anzusprechen, weil niemand seine WählerInnen beschimpfen will. Und es ist
       ja auch schwierig, den Leuten zu sagen: „Es geht euch vielleicht nicht so
       gut, wie ihr erhofft habt. Aber es könnte euch noch viel schlechter gehen.“
       
       Was stimmt, ist: Die Erfolge der Politik der letzten 35 Jahre werden viel
       zu wenig adressiert. Stattdessen malen die Ostdeutschen ihre Zukunft
       düster: Strukturwandel, die Jungen ziehen weg, die Regionen werden leerer.
       Wir wissen, dass da, wo die Zukunftsorientierung besonders negativ ist, die
       Unzufriedenheit mit der Demokratie besonders groß ist.
       
       taz: Aber auch andere Regionen in Deutschland stehen vor ungelösten
       Zukunftsfragen. Warum ist der Osten noch empfänglicher für rechte
       Narrative? 
       
       Salheiser: Wir untersuchen seit vielen Jahren die Einstellungen der
       ThüringerInnen. Der wichtigste Faktor, der erklärt, warum Menschen die AfD
       wählen, sind nationalistische und fremdenfeindliche Einstellungen. Das
       heißt, dass Menschen, die rassistisch eingestellt sind, am ehesten die AfD
       wählen. Das klingt banal, bleibt aber relevant. Nicht alle Menschen, die
       unzufrieden sind mit der Demokratie wählen AfD. Aber alle, die die AfD
       wählen, sind unzufrieden mit der Demokratie. Die AfD saugt die politische
       Unzufriedenheit auf wie ein Schwamm.
       
       taz: Die AfD hat in Thüringen und Sachsen [1][fast 40 Prozent errungen].
       Was bedeutet das? 
       
       Salheiser: Daraus ergibt sich ein großes Repräsentationsdefizit. Wenn fast
       jeder zweite Thüringer die AfD gewählt hat, fragt man sich zu Recht, warum
       diese politische Kraft von der Macht ferngehalten wird. Das können die
       demokratischen Parteien nicht ausreichend erklären. Im Gegenteil: Die CDU
       steht für eine Migrationspolitik, die sehr nah an dem ist, was die AfD
       will. Wie soll sie dann überzeugend erklären, warum sie nicht mit der AfD
       arbeitet?
       
       taz: Die demokratischen Parteien haben viel probiert: Sie verweisen auf die
       rechtsextremen Tendenzen, sie versuchen sie inhaltlich zu stellen. All das
       scheint nichts zu nützen. Wie geht es besser? 
       
       Salheiser: Der Erfolg der Linkspartei zeigt ja im Kleinen, wie es gehen
       kann: Kein Abarbeiten an der AfD, stattdessen das eigene Profil schärfen.
       Es ist ein Fehler, die soziale Frage an die Herkunft von Menschen zu
       knüpfen. Das Reden von der Einwanderung in unsere Sozialsysteme bleibt
       falsch. Das führt dazu, dass Migration in Gänze als illegal geframt wird.
       Die demokratischen Parteien müssen es schaffen, dieses Narrativ abzuräumen.
       Es nutzt nur der AfD.
       
       taz: Die Stärke der AfD ist kein rein deutsches, schon gar kein rein
       ostdeutsches Phänomen. Rechtspopulisten triumphieren global. Schließt
       Deutschland jetzt also zum generellen Zeitgeist auf? 
       
       Salheiser: Ja, aber der Vergleich zu den Rechtspopulisten in Italien,
       Niederlanden und Frankreich hinkt. Ich will die dortigen rechten Parteien
       nicht verharmlosen. Aber die AfD ist viel schärfer. Sie steht nicht nur
       stramm rechts. Sie ist rechtsextrem und will den Systemwandel.
       
       taz: Ist absehbar, dass die AfD aufhört zu wachsen? 
       
       Salheiser: Nein, davon ist überhaupt nicht zu sprechen, gerade im Osten.
       Wir sehen eine lineare Entwicklung über die letzten Wahlen. Wenn wir diese
       Linie verlängern, dann erringt die AfD bei den nächsten ostdeutschen
       Landtagswahlen eine absolute Mehrheit. Das ist eine katastrophale
       Entwicklung. Welche Schäden die demokratische Kultur nimmt, können wir im
       Regionalen schon jetzt sehen.
       
       Die AfD baut mit ihrer Präsenz in den Parlamenten ihre Strukturen aus und
       stärkt ihre außerparlamentarischen Vorfeldorganisationen. Es führt zu mehr
       Gewalt, zu mehr Polarisierung. Die Leidtragenden sind in erster Linie
       Geflüchtete, Queere, linke und nicht-weiße Menschen auf dem Land.
       
       24 Feb 2025
       
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