# taz.de -- FDP-Debakel: Liberale auf Sinnsuche – mal wieder
> Die Führung der FDP verabschiedet sich nach dem verpassten Einzug in den
> Bundestag. Vor einer Fehleranalyse drückt sich Christian Lindner.
IMG Bild: Steht nun nicht mehr zur Verfügung: FDP-Chef Christian Lindner nach der Bundestagswahl
Berlin taz | Die Karte, auf die Christian Lindner alles gesetzt hat, heißt:
Christian Lindner. Der FDP-Chef ist mit seiner Strategie gescheitert, den
Liberalen bei der Wahl zu einem Überraschungserfolg zu verhelfen. Mit 4,3
Prozent der Stimmen fliegt die FDP aus dem Bundestag. Ein Großteil der
bislang bekannten Liberalen kündigte deshalb nun seinen Rückzug aus der
FDP-Führung an, darunter auch der Parteichef selbst. Lindner wollte am
Montag nicht einmal für eine Analyse seines verpatzten Wahlkampfs zur
Verfügung stehen.
„Ich werde mich an der öffentlichen Analyse nicht beteiligen“, sagte der
amtierende Parteichef nach der Sitzung der FDP-Gremien in Berlin.
„Vielleicht, wenn ich etwas Distanz gewinne.“ Lindner kündigte an, die
Geschäfte in der FDP-Zentrale bis zum Parteitag im Mai nur noch formal
führen zu wollen. [1][„Ich habe schon gesagt, dass ich nicht zur Verfügung
stehe] für eine Fortsetzung meiner politischen Arbeit in der FDP.“ Neben
ihm erklärten auch Generalsekretär und Ex-Justizminister Marco Buschmann
sowie die ehemalige Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ihren
politischen Rückzug.
Die Liberalen müssen nun mit dem doppelten Problem umgehen, dass sie nicht
nur aus dem Bundestag fliegen, sondern auch führungslos dastehen.
Vorbereitet scheint dieses Szenario nicht. Bislang wagten sich die
prominente Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Parteivize
Wolfgang Kubicki mit Äußerungen aus der Deckung, sich den Job prinzipiell
vorstellen zu können.
Dabei kamen Kubickis Äußerungen als Überraschung: Noch am Wahlabend hatte
er gesagt, es übersteige „seine Kräfte und sein Wollen“ als bald
73-jähriger Mann, das Comeback der FDP zu organisieren. Nur wenige Stunden
später schien er dann doch noch irgendwo Energiereserven aufgespürt zu
haben. Er sei in der Nacht von vielen Menschen aus der Partei und von
Unterstützern gebeten worden, die Führung der Partei zu übernehmen. „Ich
denke ernsthaft darüber nach, im Mai zu kandidieren, um die Partei
zusammenzuhalten und neu zu motivieren“, schrieb Kubicki bei X.
## Lindner hat auch keine Tipps für seine Nachfolger
Zu all diesen Vorgängen wollten weder Lindner noch Buschmann sich äußern.
Er sei Kubickis Freund und nicht sein Sprecher, sagte der Parteichef. „Ich
habe nicht wahrgenommen, dass in den Gremien heute überhaupt jemand eine
Kandidatur erklärt hätte.“
Lindner führte die FDP nun mehr als 11 Jahre lang. Er übernahm die Partei
im Dezember 2013 aus der Rolle der außerparlamentarischen Opposition,
nachdem sie damals aus dem Bundestag geflogen war. Lindner richtete die
Liberalen gemeinsam mit Verbündeten wie Kubicki nach seinem
wirtschaftsliberalen Profil aus. Sein Charisma und seine rhetorische Stärke
verhalfen der FDP zu neuem Leben, nachdem die Liberalen zuvor in einer
schwarz-gelben Koalition unter Angela Merkel sich aufgerieben und an Profil
verloren hatten.
Lindner führte 2017 die FDP erst mit neuen Zugewinnen in den Landtag von
Nordrhein-Westfalen und löste dort mit der Union die SPD-geführte Regierung
ab. Im Herbst desselben Jahres gelang ihm dann der Wiedereinzug in den
Bundestag, 2021 erreichte Lindner auch sein Ziel, Finanzminister zu werden.
Linder wich der Frage aus, ob er seinen Nachfolger*innen Tipps mitgeben
könnte – schließlich würde die Person die Partei in einer ähnlichen
Verfassung übernehmen, wie er damals. Das Einzige, wozu sich der Parteichef
hinreißen ließ, war: „Man muss überzeugt sein von dem, was man tut,
Widerworte gibt es jeden Tag.“
Dabei ist die Frage, ob der Parteichef in den vergangenen Monaten den
skeptischen Bemerkungen genug Raum gegeben hat, berechtigt. Lindner hat die
FDP eigenwillig aus der Ampel-Regierung geführt, wie sich im Nachhinein
herausstellte, sollen die Liberalen [2][dabei die Koalition in ihren
letzten Monaten aktiv hintertrieben haben]. In Folge dieses
„D-Day“-Skandals musste Generalsekretär Bijan Djir-Sarai seinen Posten
räumen, Christian Lindner jedoch blieb fest im Sattel.
## Ideologische Abwege
Zuletzt hatte sich der Parteichef auch ideologisch auf Abwege begeben, als
er davon schwadronierte, es gelte manchmal mehr Disruption im Sinne
libertärer Figuren wie Javier Milei und Elon Musk zu wagen. Diese
Äußerungen sorgten bereits für leichte Irritationen innerhalb seiner
Partei. [3][Zum endgültigen Bruch kam es jedoch, als er einem restriktiven
Migrationsgesetz der CDU mit AfD-Stimmen im Bundestag zur Mehrheit
verhelfen wollte.] Große Teile seiner Fraktion verweigerten ihm bei der
Abstimmung die Gefolgschaft, darunter prominente gesellschaftlich liberale
Abgeordnete wie Johannes Vogel und Konstantin Kuhle.
Vogel und Kuhle waren auch unter den Namen, die zuletzt immer wieder als
mögliche Nachfolger von Lindner genannt wurden. Doch in den nächsten
Monaten geht es nicht nur um die personelle Neuaufstellung. Es wird auch
darum gehen, wie die Partei Themen jenseits des Wirtschaftsliberalismus
bedienen kann. Der Gang in die außerparlamentarische Opposition schnürt die
Partei nun von Geld und anderen Ressourcen ab. Doch in der Partei der
Eigenverantwortung könnte auch dieses Problem als dornige Chance gewertet
werden.
25 Feb 2025
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## AUTOREN
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