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       # taz.de -- Migration: Der Mexican Dream und sein Preis
       
       > Auf dem Weg in die USA entscheiden sich immer mehr Migranten, in Mexiko
       > zu bleiben. Das hilft auch der Wirtschaft. Doch Kriminalität trübt den
       > Traum.
       
   IMG Bild: Keine Mauern, kein Grenzschutz, keine Hindernisse bei der Einreise nach Südmexiko. Doch Gewalt ist allgegenwärtig
       
       Es ist ein Fluss. Ein ganz normaler Fluss, der hier, am südlichsten Zipfel
       Mexikos, die Grenze zu Guatemala bildet. Nicht besonders breit, nicht
       besonders wild, das andere Ufer deutlich zu sehen. Suchiate heißt er,
       gelegen am Städtchen Hidalgo. Ein unspektakuläres Bild. Wären da nicht die
       Boote, Flöße aus Lastwagenreifen, als Ruder dient ein langer Stab.
       
       Es sind Dutzende. Grenzbewohner transportieren damit Waren von der einen
       auf die andere Seite. Manche der Flöße sind dagegen vollgepackt mit
       Menschen. Die Überfahrt dauert kaum zehn Minuten, dann haben sie eine
       weitere Etappe geschafft: die Einreise nach Mexiko. Ohne Grenzbeamte, ohne
       Stempel im Pass. Irregulär. Das eint diese Menschen genauso wie die
       Hoffnung auf ein besseres Leben.
       
       Sie sind Migranten und Geflüchtete, vor allem aus lateinamerikanischen
       Ländern, viele aus Honduras und Haiti. Hunderttausende reisen jedes Jahr
       über Guatemala nach Mexiko ein und weiter Richtung Norden. Ihr Ziel:
       eigentlich die USA. Mexiko war für Menschen auf der Flucht lange nur
       Transitland. Doch das ändert sich gerade.
       
       Auch Yunaisy Quintro Hernández ist so nach Mexiko eingereist. Heute geht
       sie durch eine riesige Lagerhalle in der Industriestadt Guadalajara, in
       Zentralmexiko. Haushohe Regalwände säumen die Gänge, drei Meter über dem
       Boden läuft ein Band und transportiert kleine Kartons. Entfernt brummt der
       Motor eines Gabelstaplers, in den Regalen liegen teils überdimensionale
       Schraubenschlüssel.
       
       ## Dieselben Rechte wie Mexikaner
       
       Hernández arbeitet seit fünf Monaten bei Urrea, einer großen Firma, die
       Armaturen, Sanitärprodukte und Werkzeug herstellt. Eigentlich ist sie
       Krankenschwester. Stattdessen kontrolliert sie momentan in der
       Verpackungsabteilung die Bestellungen, fast vollautomatisch laufen die über
       die Fließbänder und werden dann verpackt.
       
       „Ich fühle mich hier sehr, sehr gut“, sagt Hernández. Sie hat die schwarzen
       Haare auf dem Kopf zum Dutt gebunden, ihre 45 Jahre sieht man ihr nicht an,
       kaum eine Falte prägt das Gesicht. Sie lacht viel, spricht schnell. „Meine
       Kollegen sind cool, wie sie mich ‚Cubanita‘ nennen, kleine Kubanerin. Wir
       lachen viel miteinander. Und ich habe dieselben Rechte wie eine
       mexikanische Arbeiterin auch.“
       
       Hernández floh im Februar 2022 aus ihrer Heimat Kuba. Vor der politischen
       Situation dort, mehr will sie dazu nicht sagen. Mit einem Charterflug ging
       es für sie nach Nicaragua. Ihr Ziel war Mexiko, von Anfang an.
       
       Hier hat sie politisches Asyl beantragt – und es nach gerade einmal vier
       Monaten auch bekommen. In die USA wollte sie nie. „Ich höre immer, dass es
       dort viel Diskriminierung gibt, ohne Englisch bekommt man keinen guten
       Job“, sagt Hernández. „In Mexiko spricht jeder Spanisch, jeder versteht
       mich, ich verstehe die Mexikaner. Was soll ich in den USA machen? Quatschi,
       quatschi … und ich verstehe gar nichts?! Dann bleibe ich lieber in Mexiko.“
       
       ## Sprunghafter Anstieg von Asylbewerbern
       
       Vor allem für Menschen aus Lateinamerika ist das Land attraktiv – sie
       stammen aus einer ähnlichen Kultur, haben meist die gleiche Religion,
       sprechen die gleiche Sprache. Das macht es leichter, Fuß zu fassen.
       
       Insgesamt 140.777 Menschen haben im Jahr 2023 Asyl in Mexiko beantragt. Zum
       Vergleich: 2013 waren es lediglich 1.296. Laut dem UNHCR, dem
       Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, gehört Mexiko damit zu den
       sechs Ländern mit den meisten Asylanträgen weltweit. Das UNHCR geht davon
       aus, dass zwischen 60 und 80 Prozent jener, die hier ankommen, ein Recht
       auf Asyl haben, also Geflüchtete sind. Bedingt wird dieser Anstieg auch
       dadurch, dass es Krisen in immer mehr süd- und mittelamerikanischen Staaten
       gibt.
       
       Die Fluchtgründe sind vielfältig: fehlender Zugang zu Bildung, Nahrung oder
       medizinischer Versorgung, Perspektivlosigkeit und vor allem mangelnde
       Sicherheit. In einer aktuellen Befragung des UNHCR gaben 70 Prozent an, in
       ihrem Heimatland Gewalt und Verfolgung zu fürchten.
       
       „Ich bin glücklich“, sagt Yunaisy Quintro Hernández. „Ich habe hier so viel
       erreicht, das hätte ich nie für möglich gehalten.“ Sie hat eine kleine
       Wohnung gemietet und neben der Arbeit bei Urrea studiert sie noch mal, um
       auch in Mexiko als Krankenschwester arbeiten zu können. Bald sollen ihre
       beiden erwachsenen Kinder mit Familie nachkommen.
       
       ## Wirtschaftswachstum durch Einwanderer
       
       Dass Hernández in Mexiko so schnell einen Job bekommen hat, hängt auch mit
       einem [1][UNHCR-Programm] zusammen, das Asylbewerber dabei unterstützt, aus
       dem ärmeren Süden Mexikos in die Industrieregionen in der Mitte des Landes
       und im Norden zu kommen.
       
       Nach eigenen Angaben hat das UNHCR seit 2016 so schon mehr als 50.000
       Menschen in Arbeit gebracht. Bei den Firmen sind Asylbewerber gern gesehene
       Mitarbeiter. Mexikos Wirtschaft geht es momentan gut. In einer Umfrage
       gaben im vergangenen Jahr fast 70 Prozent der mexikanischen Arbeitgeber an,
       Probleme zu haben, offene Stellen zu besetzen.
       
       Auch der mexikanische Staat profitiert damit von den Asylbewerbern. Allein
       jene, die durch das UNHCR Arbeit gefunden haben, erwirtschaften jährlich
       Steuereinnahmen in Höhe von mehr als 13 Millionen Dollar. Das ist mehr als
       das gesamte Budget der mexikanischen Asylbehörde Comar.
       
       An Comar zeigt sich die Widersprüchlichkeit der Flüchtlingspolitik in
       Mexiko. Einerseits ist die Anerkennungsquote für Asylbewerber hoch, die
       Gesetze sind weitreichend und über Anträge wird vergleichsweise schnell
       entschieden. Maximal 90 Arbeitstage darf es laut Gesetz dauern.
       
       ## Migranten aus den USA fernhalten
       
       Andererseits würde ohne das UNHCR hier nicht viel funktionieren. Das
       Hilfswerk finanziert 60 bis 70 Prozent des Budgets von Comar. 2023 stoppten
       die mexikanischen Behörden die Ausgabe von Ausweisdokumenten an
       Asylbewerber. Vermutlich auch auf Druck aus den USA. Das führte dazu, dass
       diese kaum noch legal arbeiten, studieren oder auch nur mit öffentlichen
       Bussen durchs Land reisen können. Auch dadurch sind immer mehr Migranten
       leichte Beute für organisierte kriminelle Gruppen geworden, die sie
       erpressen.
       
       Mexiko soll die Geflüchteten von der Grenze zu den USA fernhalten – und tut
       das auch. Die mexikanischen Behörden karren Menschen regelmäßig in Bussen
       aus dem Norden weiter in den Süden zurück. „Migrationskarussell“ nenne
       manche Wissenschaftler das schon.
       
       Wie Mexiko mit Migranten und Geflüchteten umgeht, das hat letztlich immer
       auch mit den USA zu tun. Das Nachbarland übt Druck auf die mexikanischen
       Behörden aus, was mit der erneuten Präsidentschaft von Donald Trump noch
       zunimmt. Schon im Januar gab es erste Abschiebeflüge aus den USA nach
       Mexiko und Guatemala.
       
       In Mexiko landen dadurch auch Menschen aus anderen Ländern. Die
       mexikanische Regierung hätte gern, dass diese in ihre Heimat zurückkehren.
       „Aber über 50 Prozent der Menschen, die hier ankommen, haben Anrecht auf
       Asyl, weil sie vor Gewalt fliehen“, sagt Regina de la Portilla vom UNHCR in
       Mexiko. Die Zahl der Asylanträge sei im Dezember und Januar deutlich
       gestiegen.
       
       ## Übergriffe, Entführungen, Gewalt
       
       Dabei ist das Land nicht ungefährlich für Geflüchtete. 80 bis 90 Prozent
       jener, die im Norden Mexikos ankommen, also einmal längs durchs ganze Land
       gereist sind, sagen laut UNHCR, sie hätten unterwegs Gewalterfahrung
       gemacht. Die Menschen sind ein lukratives Geschäft für [2][die organisierte
       Kriminalität in Mexiko]. Nicht selten lukrativer als der Drogenhandel.
       Regelmäßig kommt es zu Entführungen. Insbesondere Frauen und Mädchen müssen
       zudem sexuelle Übergriffe fürchten.
       
       „Migranten sind auch ein Geschäft für die korrupten Leute innerhalb der
       nationalen Einwanderungsbehörde“, sagt die mexikanische Journalistin Marta
       Durán de Huerta – also auch für Teile der Polizei und der Nationalgarde,
       die die Grenze eigentlich überwachen soll. Durán de Huerta beschäftigt sich
       seit Jahren mit diesem Thema. „Tatsächlich überwachen sie nicht die Grenze,
       sie administrieren dieses Geschäft mit den Migranten.“
       
       Wer es bis nach Mexiko geschafft hat, schließt sich auf dem Weg weiter nach
       Norden deshalb meist einer der Karawanen an, die in Tapachula starten. Die
       Stadt liegt knapp 40 Kilometer entfernt vom inoffiziellen Grenzübergang am
       Fluss im Süden Mexikos.
       
       Maria Díaz kam vor drei Wochen in Mexiko an, lebt momentan zusammen mit
       ihrem Mann und ihrem 14-jährigen Sohn in Tapachula in einer Unterkunft für
       Geflüchtete. Aufeinander gestapelte Container bilden zwei Stockwerke, in
       einem begrünten Innenhof sitzen Menschen an Tischen und unterhalten sich,
       von irgendwoher dröhnt Musik. Auf einem Basketballplatz spielen sich
       Jugendliche eifrig die Bälle hin und her. Alles wirkt auffallend sauber und
       geordnet.
       
       ## Durch den Albtraum zum Traum
       
       Maria Díaz ist erleichtert. Kein Wunder, sie hat ihr Ziel erreicht: Mexiko.
       Díaz heißt eigentlich anders. Sie möchte unerkannt bleiben, aus Angst um
       ihre Sicherheit. In ihrer Heimat Venezuela verkaufte sie Empanadas und
       Arepas, also Teigtaschen und Maisfladen. „Das hat ausgereicht, damit wir
       über die Runden kommen“, sagt sie.
       
       Aber Venezuela steckt in einer politischen und wirtschaftlichen Krise, die
       öffentliche Versorgung findet kaum noch statt, es fehlt an Wasser,
       medizinischer Versorgung, Strom. „Ich bin zusammen mit anderen auf die
       Straße gegangen, um dagegen zu protestieren“, erzählt Díaz. „Aber
       bewaffnete Milizen haben uns vertrieben. Und dann auch angefangen, mich zu
       bedrohen.“ Die Milizen seien sogar zu ihr nach Hause gekommen. Obwohl die
       Behörden davon wussten, hätten sie nichts dagegen gemacht.
       
       Also entschlossen sie und ihr Mann sich, aus Venezuela zu fliehen – nach
       Mexiko. „Meine Mama hat immer mexikanische Filme geschaut, daher kannte ich
       das“, sagt Díaz lachend. „Dass ich jetzt wirklich hier bin, das ist immer
       noch wie ein Traum.“
       
       Die Fluchtroute sei dagegen ein Albtraum gewesen. Am schlimmsten sei es im
       Dschungel an der Grenze zu Panama gewesen, dort waren Díaz und ihre Familie
       mit einer größeren Gruppe von Flüchtenden unterwegs. „Eine bewaffnete
       Gruppe hat uns überfallen, festgehalten und ausgeraubt“, erzählt Díaz. „Sie
       haben die Männer geschlagen und fünf Frauen vergewaltigt, darunter sogar
       ein Mädchen, das gerade mal zwölf Jahre alt war.“
       
       ## Eines der gefährlichsten Länder
       
       Zwei weitere Male wurde die Familie verschleppt und ausgeraubt. Zuletzt in
       Guatemala, als sie auf das Floß steigen wollten, um den Grenzfluss zu
       überqueren. Erst als sie 60 Dollar pro Kopf zahlten, wurden sie wieder
       freigelassen. Als Zahlungsbestätigung bekamen sie einen Stempel auf den
       Unterarm. „Ich wusste, dass wir Geld zahlen müssen, um bis nach Mexiko zu
       kommen. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich solche Gewalt würde miterleben
       müssen, dass sie uns alles wegnehmen würden, Essen, unsere Kleidung, alle
       Dokumente.“
       
       Maria Díaz wünscht sich nun vor allem Stabilität und Bildung für ihren
       Sohn. „In einem Land zu sein, in dem wir morgens, mittags und abends zu
       essen haben, ein Dach über dem Kopf … für mich ist es schon ausreichend, in
       meinem eigenen Haus nicht bedroht zu werden.“
       
       Doch das ist auch in Mexiko nicht garantiert. Zwischen 70 und 100 Menschen
       wurden im Jahr 2024 im dem knapp 130 Millionen Einwohner zählenden Land
       jeden Tag ermordet oder verschleppt. Die organisierte Kriminalität ist in
       allen Landesteilen aktiv. Etwa [3][60 Prozent der Mexikaner in urbanen
       Regionen fühlen sich laut einer staatlichen Umfrage unsicher].
       
       Das mexikanische Institut für Menschenrechte und Demokratie schätzt zudem
       die Zahl der als verschwunden gemeldeten Menschen für das Jahr 2024 auf
       knapp 120.000. Wer über diese Missstände berichtet, wird selbst zur
       Zielscheibe. Mexiko gehört laut Reporter ohne Grenzen weltweit zu den
       gefährlichsten Ländern für Journalisten.
       
       ## Die Gastfreundlichkeit nimmt ab
       
       Kein Wunder, dass auch aus Mexiko im Laufe der Jahre Millionen Menschen in
       die USA ausgewandert sind. Aber vielleicht ist die Gesellschaft hier auch
       deshalb offen und hilfsbereit gegenüber anderen Migranten. „Mexiko war
       immer gastfreundlich, einfühlsam, hat alles getan, um den Schwächsten zu
       helfen“, sagt die Ordensschwester María Magdalena Silva Rentería. Sie sitzt
       in einem Besprechungsraum mit langem Tisch aus dunklem Holz in
       Mexiko-Stadt. Vom Erdgeschoss eine Etage tiefer schallt Kinderlärm hoch und
       ein Wirrwarr aus Stimmen und Gesprächsfetzen.
       
       Schwester Magda, wie sie hier alle nennen, leitet Cafémino, eine Unterkunft
       für geflüchtete Frauen und Familien. Sie strahlt Freundlichkeit und
       Autorität aus. Kurzhaarschnitt, bequeme Schnürschuhe, leicht lächelnd.
       Schwester Magda kennt sich aus mit dem Thema Migration, hat etwa mehrfach
       die Karawanen begleitet, zu denen sich Migranten zum eigenen Schutz
       zusammentun. „Auf dem Weg haben uns Menschen immer wieder Essen und Hilfe
       angeboten.“
       
       Aber auch in der mexikanischen Gesellschaft verändert sich gerade etwas.
       „Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal Ablehnung von den Nachbarn
       erfahren“, sagt Schwester Magda. „Vorher war es stets ein schönes
       Zusammenleben.“
       
       Nicht weit entfernt haben Geflüchtete an einem Bahngleis ihre provisorische
       Unterkunft aufgeschlagen. Zelte und Bretterverschläge, links und rechts vom
       Gleis, kaum einen halben Meter von diesem entfernt. Es ist ein
       inoffizielles Flüchtlingslager, von denen es in der Stadt immer mehr gibt.
       Das löst wiederum mehr und mehr Unmut in der mexikanischen Bevölkerung aus.
       
       ## Brücken statt Mauern
       
       Insbesondere gegen solche Lager gibt es zunehmend Protest in der
       Bevölkerung. Laut einer Umfrage des UNHCR glauben 64 Prozent der Mexikaner,
       dass Konflikte und Spannungen in der Gesellschaft „sehr“ oder „etwas“ auf
       Migranten zurückzuführen sind.
       
       Ob die Ablehnung gegenüber Geflüchteten und Migranten weiter zunimmt, hängt
       wohl vor allem damit zusammen, wie [4][Präsidentin Claudia Sheinbaum] und
       ihre Regierung mit dem Thema umgehen. Und ob sie das Land ausreichend
       darauf vorbereiten, dass Donald Trump seine Drohungen wahr macht – die
       Grenze der USA noch weiter aufzurüsten und Millionen Migranten
       abzuschieben.
       
       In seiner Antrittsrede sprach er von einer „katastrophalen Invasion“ in
       die USA, per Dekret erklärte er schon am ersten Tag seiner Amtszeit den
       nationalen Notstand an der Südgrenze des Landes. Zudem stellte er CPB One
       ein, eine App, über die Termine für Asylanträge vereinbart werden können.
       Bereits geplante wurden schlicht storniert.
       
       Im November 2024 hatte Trump behauptet, Sheinbaum habe zugesichert, die
       Migration über die mexikanische Grenze zu stoppen. Die erwiderte auf X,
       Mexikos Position bestehe nicht darin, Grenzen zu schließen, „sondern
       Brücken zwischen Regierungen und Völkern zu bauen“.
       
       ## Hilfe für die Deportierten
       
       Mexiko ist wirtschaftlich von den USA abhängig, exportiert mehr als 83
       Prozent seiner Produkte dorthin. Hinzu kommen die Überweisungen von in den
       USA lebenden Mexikanern, einer der wichtigsten Devisenbringer. Gleichzeitig
       importieren die USA mehr aus Mexiko als aus China. Trump hatte zwar Anfang
       Februar Zölle in Höhe von 25 Prozent auf die meisten Importe aus Mexiko
       angeordnet. Kurz darauf vereinbarte er aber mit dem Nachbarland, [5][die
       Zölle für 30 Tage auszusetzen]. Die Drohung bleibt bestehen.
       
       Mexikos Präsidentin Claudia Sheinbaum erklärte, sie wolle mit den USA
       zusammenarbeiten, allerdings immer im Interesse des mexikanischen Volkes.
       Mit Bezug auf Trumps Antrittsrede sagte sie: „Das mexikanische Volk kann
       sicher sein, dass wir unsere Souveränität und unsere Unabhängigkeit immer
       verteidigen werden.“ Es sei immer wichtig, „einen kühlen Kopf zu bewahren“.
       
       Das Land versucht sich auf die vielen Menschen vorzubereiten, die womöglich
       bald zurückkommen könnten. Mexiko wolle seine Staatsbürger „mit offenen
       Armen“ empfangen, sagte Sheinbaum. Entlang der Grenze zu den USA soll es
       Willkommenszentren geben. Die Regierung will die Menschen auch finanziell
       dabei unterstützen, in ihre mexikanischen Heimatorte zurückkehren zu
       können.
       
       Bloß gibt es ja auch die Mexikaner, die aus ihrer Heimat aus
       Sicherheitsgründen geflüchtet sind. „Es gibt Leute, die sind in Gefahr,
       wenn sie in ihre Heimatorte zurückgehen“, sagt Regina de la Portilla vom
       UNHCR in Mexiko. „Wir müssen dafür sorgen, dass sie sich an anderen Orten
       sicher niederlassen können.“
       
       ## Korruptionsindex: Rang 140
       
       Bloß wo? Wegen der starken Korruption im Land trauen viele auch den
       Behörden nicht. Laut der Nichtregierungsorganisation Transparency
       International liegt Mexiko im Korruptionsindex auf Platz 140 von 180
       Staaten. Die organisierte Kriminalität hat großen Einfluss auf die Politik.
       
       Tijuana, im Nordwesten Mexikos, grenzt an die USA. Die Stadt hat schon den
       Notstand ausgerufen, weil es bald losgehen könnte mit den Abschiebungen.
       Bis tief ins Meer hinein ragt hier die Mauer, die die Menschen davon
       abhalten soll, irregulär in die USA einzureisen.
       
       Carlos López sitzt gelassen vor seinem kleinen Kiosk auf dem Gelände einer
       Geflüchtetenunterkunft in Tijuana. Die meisten, die es bis hier schaffen,
       wollen auf die andere Seite. „Klar, unser Traum, unser Ziel waren die USA.“
       Er ist mit seiner Frau und den drei Kindern aus El Salvador geflohen. Dort
       hatten sie ein kleines Geschäft.
       
       Doch dann begann die Schutzgelderpressung. Mitglieder der Mara Salvatrucha,
       einer berüchtigen Mafiagruppe, bedrohten ihn. „Sie sagten, sie wüssten, wo
       meine Kinder zur Schule gehen“, sagt López. Das war der Punkt, an dem er
       und seine Frau sich entschieden, zu fliehen. Aus Angst, dass die
       Bandenkriminalität ihn bis nach Mexiko verfolgen könnte, will auch er
       seinen echten Namen nicht veröffentlicht sehen.
       
       ## Ein Leben aufbauen
       
       Wie so viele andere überquerten auch López und seine Familie den Fluss im
       Süden Mexikos und kamen schließlich 2022 in Tijuana an. In Mexiko erhielten
       sie zwar Asyl. Trotzdem wollten sie in die USA weiter. Den Mythos USA
       konnte selbst die erste Präsidentschaft von Donald Trump nicht zerstören.
       
       „Alle Migranten und Geflüchteten, die ich auf dem Weg hierher getroffen
       habe, sagten, dass sie in die USA wollen. Ich glaube, es sind vor allem
       drei Dinge, die die Familien dazu bewegen: Erstens finanzielle Stabilität,
       zweitens Sicherheit und drittens die beste Ausbildung für ihre Kinder.“
       Finanzielle Stabilität, Legalität, aber auch eine gute Ausbildung sind in
       Mexiko durchaus möglich, zumal vor allem Letzteres in den USA teuer ist.
       
       Monatelang wartete auch López darauf, in die USA einreisen zu können. Mit
       seiner Familie lebte er in der Geflüchtetenunterkunft – ein riesiger Raum,
       der zu einer Kirche gehört. Am Wochenende finden Gottesdienste statt.
       Entlang einer Wand aufgereihte Stockbetten, abends werden zusätzlich
       Matratzen auf den Steinboden gelegt. Bis zu 3.000 Menschen kommen hier
       unter. Und wer schon einmal da ist, muss mithelfen, egal was an Arbeit
       anfällt.
       
       „Wir fingen an, Kaffee und Kekse zu verkaufen“, erzählt Perez. „Ich
       besorgte eine kleine Thermoskanne, einen kleinen Kocher, um das Wasser zu
       erhitzen, eine Kaffeekanne. Ich kann ziemlich gut mit Leuten, als sie mich
       dann wiedererkannten, sagten sie immer: „Lass uns zu Carlos gehen.“ Die
       Familie verdiente immer besser. „Und als dann mein Termin für die Ausreise
       in die USA kam, sagte ich mir, dass ich hier in Tijuana ein Leben habe und
       bleiben möchte.“
       
       Gut möglich, dass sich angesichts der immer brutaleren Migrationspolitik in
       den USA mehr und mehr Menschen in Mexiko mit diesem Gedanken anfreunden.
       Und bleiben.
       
       26 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://reporting.unhcr.org/operational/operations/mexico
   DIR [2] /Verbrechen-in-Mexiko/!6042386
   DIR [3] https://www.inegi.org.mx/contenidos/saladeprensa/boletines/2024/ENSU/ENSU2024_10.pdf
   DIR [4] /Praesidentschaftswahl-in-Mexiko/!6011677
   DIR [5] /Verhandlungen-zwischen-USA-und-Mexiko/!6067451
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Maria Caroline Wölfle
       
       ## TAGS
       
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