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       # taz.de -- Was das Wahlergebnis für LGBTQ+ bedeutet: Die Qual nach der Wahl
       
       > Queere Rechte sind Menschenrechte. Nach der Bundestagswahl, die den
       > Rechtsruck endgültig belegt, ist das nicht mehr selbstverständlich.
       
   IMG Bild: Die Grünen-Wahlparty fand im Berliner Queerenclub SchwuZ statt – doch tun die Grünen genug für LGBTQ-Menschen?
       
       Es ist noch Februar. Trotzdem steckt Deutschland schon zwischen der
       Merz-Revolution und dem MAGA-Wahn: Make Alemannia Germanisch Again war zwar
       kein offizieller Wahlkampfslogan, aber beim Rennen um das Bundeskanzleramt
       spielte die Sehnsucht nach der Vergangenheit unleugbar die Hauptrolle. Am
       Sonntag wurde gewählt. Die Hochrechnungen sind vorbei, die Niederungen der
       Sondierungsgespräche stehen an. Ein blauer Himmel erstreckt sich über das
       Land und man sieht schwarz.
       
       In den Augen vieler Menschen innerhalb der LGBTQ-Community verblasst der
       Regenbogen. Dass die Union und die Alternative für Deutschland am stärksten
       abgeschnitten haben, lässt, auch wenn die beiden tatsächlich keine
       Koalition miteinander bilden, befürchten, dass hart erkämpfte Rechte bald
       gekippt werden könnten. Das Trump-Musk-Gespann macht erfolgreich vor, wie
       man mit Pomp und Populismus Nichtheterosexuelle ausgrenzt.
       
       Friedrich Merz, der Kanzler von 83 Millionen Bürger:innen werden will,
       erklärt, er werde wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung machen,
       die gerade denke und „alle Tassen im Schrank“ habe. Man weiß, was oder
       besser wen der CDU-Vorsitzende mit den anderen meint.
       
       Die AfD besteht sogar darauf, sowohl die [1][Ehe für alle als auch das Amt
       des Queer-Beauftragten der Bundesregierung abzuschaffen]. Eine auf den
       ersten Blick kuriose Wunschliste für eine Partei, deren Chefin homosexuell
       ist. Womöglich hält Alice Weidel den [2][Dyke* March] für ein Ereignis, das
       bei Ebbe am Wattenmeer stattfindet.
       
       ## Queer sein ist etwas Natürliches
       
       Wer A wie AfD sagt, muss aber auch B wie BSW sagen. Denn wenn
       Demagog:innen die Demokratie umarmen, ob von rechts oder links, handelt
       es sich um einen Würgegriff. Siehe Sahra Wagenknecht, die am Sonntag die
       Fünf-Prozent-Hürde, um in den Bundestag einzuziehen, verpasste. „Nein zu
       diesem Selbstbestimmungsgesetz! Das Geschlecht ist keine Lifestyle-Frage“,
       [3][schrieb die BSW-Gründerin 2024 auf Instagram]. Ich erwiderte: „Ein Ja
       zum BSW ist ein Ja zum bundesdeutschen Scharia-Wahlverein. Fundamentalismus
       ist nämlich keine Lifestyle-Frage, sondern eine Lebensbedrohung.“
       
       Fakt ist: Queer sein ist etwas Natürliches. Es ist eine der mannigfaltigen
       Manifestationen des menschlichen Bedürfnisses, in Eigenregie zu lieben und
       zu leben. Wir, die direkt Betroffenen, wollen keine Sonderrechte, sondern
       Rechte.
       
       Wer mit Gift und Galle gegen die sexuelle Selbstbestimmung wettert, lässt
       tief blicken, auch und gerade wenn sie mit oberflächlichen Begründungen
       aufwarten. Man wolle Frauen und Kinder schützen. Zweifelsohne müssen Frauen
       und Kinder geschützt werden: zum Beispiel Trans*frauen und nonbinäre
       Kinder vor Hass und Hetze.
       
       ## Ein angeblich tolerantes, multikulturelles Milieu
       
       Doch die Enttäuschung vieler in der LGBTQ-Community richtet sich nicht nur
       auf Konservative und Rechtsextreme. Nachholbedarf haben auch jene
       politischen Parteien, die zumindest in ihren Wahlprogrammen das queere
       Leben deutlicher in den Mittelpunkt der Gesellschaft rücken. Es ist toll,
       dass Grüne und die wieder erstarkte Linke [4][für eine umfassende
       gesundheitliche Versorgung queerer Menschen plädieren].
       
       Damit ist aber nicht die Frage beantwortet, was diese Parteien ganz konkret
       gegen die [5][anwachsende Hasskriminalität gegen Queere] jeglicher Couleur
       unternehmen. Die meisten queerfeindlichen Angriffe in Berlin fanden 2024
       nach [6][Polizeiangaben] in den Bezirken Tempelhof-Schöneberg, Mitte und
       Charlottenburg-Wilmersdorf statt, zumindest die angezeigten.
       Queerfeindlichkeit ist also nichts, was man den eher konservativen bis
       rechtsextremen Außenbezirken zuweisen kann.
       
       Diese Taten, zu denen auch seit dem 7. Oktober vermehrt antisemitische
       zählen, geschehen mitten unter uns im doch angeblich toleranten,
       multikulturellen Milieu. Den Aufschrei darüber kann ich bei den
       „progressiven“ Parteien nicht vernehmen. Bleibt er aus, weil man Angst hat,
       als xenophob oder islamfeindlich gebrandmarkt zu werden?
       
       Der Eindruck, dass Täterschutz oft vor Opferschutz geht, ist nach meiner
       Wahrnehmung in der queeren Community weit verbreitet. Wer die
       Sicherheitsbedürfnisse der Opfer, zu denen nicht zuletzt muslimische Queere
       zählen, nicht hinreichend berücksichtigt, darf sich aber nicht wundern,
       wenn er das Vertrauen der LGBTQ-Community verliert.
       
       26 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/ehe-fuer-alle-afd-bundestag-bundestagswahl-100.html
   DIR [2] /Lesbischer-Dyke-March-in-Berlin/!6026229
   DIR [3] https://www.instagram.com/sahra_wagenknecht/p/CzqxkmRNI6j/
   DIR [4] https://www.gruene.de/themen/eine-vielf%C3%A4ltige-gesellschaft-gestalten
   DIR [5] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/05/berlin-queerfeindlich-angriffe-anstieg-straftaten.html
   DIR [6] https://archive.ph/20250115092039/https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/lsbtiq-beauftragte-der-polizei-berlin-ist-kein-hotspot-der-queerfeindlichkeit-12981412.html#selection-3277.0-3281.466
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michaela Dudley
       
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