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       # taz.de -- Nachhaltigkeit in der Europäischen Union: Schluss mit Klima-Kram
       
       > Die EU-Kommission streicht ihren „Green Deal“ zusammen. Während
       > Gewerkschaften und Öko-Gruppen wütend sind, sind Unternehmensverbände
       > voll des Lobes.
       
   IMG Bild: Ursula von der Leyen nach ihrer Ankunft in Brüssel: Thema der wöchentlichen Sitzung war der Green Deal
       
       Brüssel taz | Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise in Europa und harter
       Konkurrenz aus den USA und China will die Brüsseler Behörde ihren „Green
       Deal“ zur Klimapolitik überarbeiten und vier Nachhaltigkeits-Gesetze
       lockern. Außerdem möchte sie die Industrie fördern und die Energiepreise
       senken.
       
       Die am Mittwoch in Brüssel vorgestellten Maßnahmen gehen deutlich über
       [1][die bisherigen Planungen dazu] hinaus. So soll die Anwendung der
       europäischen Lieferkettenrichtlinie verschoben werden. Sie war im Mai 2024
       verabschiedet worden und sollte eigentlich 2027 in Kraft treten. Nun ist
       von Juni 2028 die Rede.
       
       „Wir können kein Business as usual mehr machen“, begründete
       Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis den Vorstoß. Angesichts der
       Annäherung zwischen den USA und Russland beim geplanten Ukraine-Deal könne
       sich die EU nicht mehr auf ihren amerikanischen Partner verlassen. Auch
       China müsse man etwas entgegensetzen.
       
       Die Lieferketten-Richtlinie ist dabei nur eines von vier
       Nachhaltigkeits-Gesetzen, die die EU-Kommission radikal „entschlacken“
       will. Betroffen sind auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD, die
       sogenannte [2][Taxonomie] für nachhaltige Finanzprodukte sowie der
       [3][CO2-Grenzausgleich CBAM]. Sie werden im sogenannten „Omnibus“-Verfahren
       überarbeitet.
       
       ## Viele Details werden erst noch bekannt
       
       Vom CO2-Grenzausgleich CBAM werden jetzt 90 Prozent der europäischen
       Unternehmen ausgenommen. Trotzdem würden immer noch 99 Prozent der
       Treibhausgas-Emissionen erfasst, sagte Klimakommissar Wopke Hoekstra. Man
       wolle die Meldepflichten vereinfachen, der Kern der politischen Ziele werde
       jedoch nicht berührt.
       
       Von den Berichtspflichten der Unternehmen (CSRD) sollen nur noch große
       Konzerne betroffen sein, kleine und mittlere Unternehmen werden
       ausgenommen. Die verbleibenden Betriebe – nur noch 20 Prozent der
       ursprünglich angepeilten Zahl – sollen zudem erst zwei Jahre später als
       vorgesehen die Berichte liefern müssen.
       
       Weitere Details dürften erst nach und nach bekannt werden, da die
       Kommission ihre Vorschläge am Mittwoch erst in allerletzter Minute
       vorgelegt hat. Die sonst üblichen Konsultationen mit den betroffenen
       „Stakeholdern“ wurden ebenso gestrichen wie eine Folgenabschätzung. Auch
       das Europaparlament, das den nun revidierten Gesetzen ursprünglich
       zugestimmt hatte, wurde nun übergangen.
       
       Die EU-Behörde versuchte, ihr Vorgehen gegen Kritik zu verteidigen. „Europa
       kann sich reformieren, und zwar ohne Kettensäge“, sagte Industriekommissar
       Stéphane Séjourné. Dabei spielte er auf Argentiniens rechtsradikalen
       Präsidenten Javier Milei an, der sein Land mit der „Kettensäge“ und
       sozialem Kahlschlag umbauen will.
       
       „Noch haben wir die Chance, die Industrie erfolgreich zu modernisieren“,
       betonte Klimakommissarin Teresa Ribera. Sie will 1 Milliarde Euro aus dem
       laufenden EU-Haushalt für „saubere“ Technologien bereitstellen. Außerdem
       sollen europäische Unternehmen künftig den Vorzug in öffentlichen
       Ausschreibungen erhalten.
       
       Ob das reichen wird, um den Rückstand gegenüber den USA und China
       aufzuholen, ist allerdings fraglich. Brüssel orientiert sich zwar an einem
       Bericht des früheren Zentralbankchefs Mario Draghi, der Entbürokratisierung
       empfohlen hatte. Er war jedoch auch für einen „Marshall-Plan“ für
       Investitionen.
       
       Hier bleibe die EU-Kommission eine Antwort schuldig, kritisieren
       Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften unisono. Ansonsten gehen die
       Meinungen aber weit auseinander. So warnt der BUND vor einem „Angriff auf
       den Green Deal“. Der Industrieverband Business Europe spricht dagegen von
       einem „Meilenstein“, der Europa wieder attraktiver für die Unternehmen
       machen könne.
       
       26 Feb 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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