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       # taz.de -- Stiftungsmitarbeiterin über Rojava: „Die Angriffe durch den türkischen Staat sind dramatisch“
       
       > In Celle ist eine Ausstellung über die Frauenrevolution im Nordosten
       > Syriens zu sehen. Stiftungsmitarbeiterin Elisabeth Olfermann über die
       > Lage vor Ort.
       
   IMG Bild: Widerstand gegen die Situation in Rojava gibt es auch hierzulande: Demonstration in Frankfurt am 14. Dezember 2024
       
       taz: Frau Olfermann, wie organisiert sich die Gesellschaft in der
       [1][kurdischen Selbstverwaltung Rojava im Nordosten Syriens]?
       
       Elisabeth Olfermann: Die Gesellschaft organisiert sich dort von unten nach
       oben. In Nachbarschaftskomitees werden zum Beispiel kleine Probleme
       angesprochen. Auf städtischer Ebene geht es um übergeordnete Strukturen und
       Probleme. Parallel dazu gibt es Organisationen, in denen Frauen unter sich
       diskutieren.
       
       taz: Die Frauen spielen also eine große Rolle? 
       
       Olfermann: Oft wird von der Rojava-Revolution vor mehr als zwölf Jahren
       auch als der Frauen-Revolutionen gesprochen. Das liegt daran, dass die
       Frauen seither in allen Bereichen eine leitende Rolle übernommen haben.
       Schon zu Beginn der Bewegung waren Frauen ein sehr starker Teil der
       Proteste. Sie haben Institutionen und Strukturen mit aufgebaut und haben
       sich stark an der Selbstverwaltung beteiligt, indem sie an der
       militärischen Verteidigung gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“
       mitgewirkt haben. Das sieht man auch in den Strukturen: Den Komitees sitzen
       zum Beispiel immer eine Frau und ein Mann vor.
       
       taz: Wie war das unter dem dem syrischen Diktator Baschar al-Assad? 
       
       Olfermann: Das Regime von Baschar al-Assad hat die eigene Bevölkerung
       unterdrückt und Frauen massiv entrechtet, insbesondere Kurd*innen und
       andere Minderheiten. Jetzt haben die Frauen ihre eigenen
       Bildungsinstitutionen und Frauenakademien, um sich fortzubilden, arbeiten
       zu können und unabhängiger zu werden.
       
       taz: Wird die Arbeit von Frauen in Rojava von Repressionen bedroht?
       
       Olfermann: Was wirklich dramatisch ist, sind die Angriffe auf Syrien durch
       den türkischen Staat. Auch zivile Infrastruktur wird attackiert.
       Getreidesilos oder auch ein Krankenhaus wurden bereits zerstört. Im Zuge
       des [2][Sturzes des Assad-Regimes] durch die islamistische Hajat Tahrir
       al-Scham (HTS) hat sich die Syrisch Nationale Armee, die im Norden und
       Nordwesten Gebiete besetzt, militärisch ausgedehnt und die zuvor noch
       selbstverwaltete Region Minbic besetzt. Dabei hat man sehr deutlich
       gesehen, dass explizit die Fraueninstitutionen angegriffen wurden.
       
       taz: Wie geht die [3][internationale Politik] mit Nord- und Ostsyrien um?
       
       Olfermann: In all den Jahren hat es die Politik immer noch nicht geschafft,
       die Region anzuerkennen – und das, obwohl eine sehr konkrete demokratische
       Gesellschaft aufgebaut wurde. Es ist sehr fadenscheinig, wenn
       Bundesaußenministerin Annalena Baerbock von „Jin Jiyan Azadî“ spricht, aber
       dann Nord- und Ostsyrien vergisst.
       
       taz: Also „Frau, Leben, Freiheit“, die Losungsworte der [4][Proteste nach
       dem gewaltsamen Tod] der jungen Kurdin „Jina“ Mahsa Amini in Iran.
       
       Olfermann: Ja, da hat es bis jetzt noch keine Veränderung gegeben – eher im
       Gegenteil. Wenn man sich anschaut, was es generell für Krisen und Konflikte
       auf der Welt gibt, gerät Nordost-Syrien eher immer weiter in den
       Hintergrund.
       
       taz: Welche Konsequenzen hat das für die Bevölkerung ? 
       
       Olfermann: Ganz unterschiedlich. Es gibt ein Embargo. Dadurch ist es total
       schwierig, bestimmte Medikamente oder wirtschaftliche Güter in die Region
       zu bekommen. Es gibt eine hohe Inflation. Das sind wirtschaftliche Folgen,
       die gerade arme Menschen und Frauen, die wirtschaftlich schlechter
       aufgestellt sind, härter treffen. Das alles mit der Ungewissheit von der
       permanenten Kriegsbedrohung, wo der [5][türkische Staat Drohnenangriffe]
       fährt.
       
       taz: Kann man da noch Hoffnung haben? 
       
       Olfermann: Wenn die Frauen von [6][Solidaritätsaktionen aus anderen
       Ländern] hören, ist das total bestärkend. Ansonsten haben sie das Gefühl
       sie werden vergessen. Es scheint als wären die Bedrohungen, denen sie
       ausgesetzt sind, der westlichen Welt egal.
       
       1 Mar 2025
       
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