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       # taz.de -- Ermittlungen gegen Georgescu in Rumänien: Faschismus und Verschwörung
       
       > Gegen den Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu wird ermittelt. Ob
       > er bei der Wiederholung der Wahl im Mai erneut antreten kann, ist unklar.
       
   IMG Bild: Bukarest am 26. Februar: Calin Georgescu verlässt das Büro des Generalstaatsanwalts
       
       Berlin taz | Der rechtsradikale rumänische Präsidentschaftskandidat Călin
       Georgescu steht unter richterlicher Aufsicht. Die Maßnahme wurde am
       Mittwoch von der rumänischen Generalstaatsanwaltschaft angeordnet. Nach
       einer mehrstündigen Vernehmung wurde Georgescu mit der Auflage entlassen,
       in den nächsten 60 Tagen den Vorladungen der Ermittlungsbehörden Folge zu
       leisten. Gleichzeitig wurde ihm untersagt, neue Konten in den sozialen
       Netzwerken einzurichten, Waffen zu tragen und Rumänien zu verlassen.
       
       Hunderte seiner Anhänger, die eine Verhaftung Georgescus befürchteten,
       hatten sich am Mittwoch vor dem Amtssitz der Staatsanwaltschaft versammelt.
       [1][Sie forderten die Wiederholung der zweiten Runde der
       Präsidentschaftswahlen, die am 6. Dezember 2024 vom Verfassungsgericht
       annulliert wurden].
       
       An den für Mai angekündigten Neuwahlen will auch Georgescu teilnehmen. Die
       dafür benötigten 200.000 Unterschriften wurden bereits am vergangenen
       Samstag während einer Kundgebung von einem Unterstützerteam bestehend aus
       Vertretern der rechtsradikalen Partei Allianz für die Vereinigung der
       Rumänen (AUR) und der Partei der Jungen Leute (POT) gesammelt. Landesweit
       kamen über 300.000 Unterschriften zusammen, die der Wahlbehörde übergeben
       werden sollten. Durch die Festnahme Georgescus wurde das Vorhaben
       vereitelt.
       
       Aus den von der Staatsanwaltschaft veröffentlichten Mitteilungen geht
       hervor, dass Georgescu mehrerer Vergehen beschuldigt wird. Ihm wird unter
       anderem Aufwiegelung gegen die verfassungsmäßige Ordnung vorgeworfen.
       Gleichzeitig wird er der Verbreitung von Falschmeldungen beschuldigt sowie
       der Verschleierung der finanziellen Mittel für seinen Wahlkampf.
       
       ## Nie belangt
       
       Georgescu, der seit vielen Jahren politisch aktiv ist und seine
       faschistoiden Ansichten auch nicht verheimlicht hatte, wurde allerdings nie
       wegen Volksverhetzung belangt. Das Landesinstitut „Elie Wiesel“ für das
       Studium des Holocausts in Rumänien hatte bereits vor drei Jahren Georgescu
       wegen faschistischer Propaganda bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Die
       Anzeige blieb folgenlos.
       
       In dem jetzt von derselben Behörde angekündigten Verfahren werden genau die
       zunächst einmal als harmlos angesehenen Vorwürfe aufgegriffen und in
       schwerwiegende Anklagepunkte umgewandelt: [2][öffentliche Verherrlichung
       von Kriegsverbrechern und Verbreitung von faschistischem,
       fremdenfeindlichem, rassistischem und legionaristischem Gedankengut].
       
       In diesem Zusammenhang verweist die Staatsanwaltschaft auf Verbindungen
       Georgescus zu dem bekannten Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretiker und
       antisemitischen Influencer Marian Motocu. Dessen Versuch, seine ultrarechte
       Bewegung „41 für Rumänien“ in eine Partei umzuwandeln, scheiterte.
       
       Im vergangenen Dezember wurde gegen Motocu ein Ermittlungsverfahren
       eingeleitet. In der von der Staatsanwaltschaft veröffentlichten Begründung
       für das nun auch gegen Georgescu eingeleitete Strafverfahren heißt es,
       dieser habe mit Motocu gegen die verfassungsmäßige Ordnung konspiriert.
       
       ## Wehrsportgruppen organisiert
       
       Georgescu wird zudem beschuldigt mit weiteren Rechtsextremisten
       zusammengearbeitet zu haben. Einer davon ist der frühere französische
       Fremdenlegionär Eugen Sechila, dessen Ausreise am Mittwoch von den Behörden
       auf dem Bukarester Flughafen verhindert wurde. Sechila hat jahrelang
       Wehrsportgruppen organisiert und die Teilnehmer ungehindert legionaristisch
       indoktriniert.
       
       Die sogenannte Legion des Erzengels Michael war die nach dem ersten
       Weltkrieg entstandene rumänische Faschistenbewegung, die für zahlreiche
       Terroranschläge und antisemitische Gewalttaten verantwortlich ist. Mit
       Bezug auf das ideologische Erbe der Legion entstanden nach 1990 zahlreiche
       Gruppierungen, die ihre Propaganda ungehindert verbreiten konnten.
       
       Die öffentliche Verherrlichung legionaristischer Freischärlergruppen als
       national-christliche Kämpfer gegen den Bolschewismus trug wesentlich zu
       einer falschen, geschichtsrevisionistischen Wahrnehmung der Vergangenheit
       bei. Dieses unscharfe Geschichtsbild spiegelt sich nun sogar in der
       Begründung der Staatsanwaltschaft wieder, in der es an einer Stelle heißt,
       Georgescu habe aus den Schriften des Partisanen Ion Gavrilă Ogoranu
       zitiert, dieser sei jedoch kein Anhänger der Legion gewesen.
       
       ## Ehrung mit einem Trauerkranz
       
       Ogoranu war nicht nur ein Legionär, sondern nach 1990 auch einer der
       Initiatoren einer neofaschistischen Partei. Anlässlich seines Todes 2006
       ehrte ihn sogar die rumänische Regierung mit einem Trauerkranz. Sein Sarg
       war mit der Fahne der Legion bedeckt, obwohl sämtliche faschistischen
       Symbole gesetzlich verboten sind.
       
       In einem am Donnerstag bei Facebook veröffentlichten Post kritisiert der
       Historiker Mihai Demetriade die Versäumnisse der Justiz und die
       Gleichgültigkeit der Zivilgesellschaft angesichts des seit Jahren
       grassierenden Rechtsextremismus. „Die Normalisierung des Faschismus“,
       notiert Demetriade, „vollzog sich vor unseren Augen.“
       
       Ob nun Georgescu erneut kandidieren kann, weiß niemand. Seine Unterstützer
       haben für Samstag eine große Solidaritätskundgebung mit Georgescu
       angekündigt. Erwartet werden, laut AUR-Chef, auch Europaabgeordnete der
       ultrarechten Fraktionen.
       
       28 Feb 2025
       
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   DIR William Totok
       
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