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       # taz.de -- Grippewelle: Wäre ein bisschen Infektionsschutz wirklich so unzumutbar?
       
       > Unsere Autorin trägt Maske und wird dafür immer wieder angegangen. Sie
       > bleibt ruhig, erklärt, und findet: Das ist wirklich die blödste aller
       > Realitäten.
       
   IMG Bild: In der Coronazeit lag die Mundschutzmaske neben den Wohnungsschlüsseln griffbereit auf dem Küchentisch
       
       Krankheitszeit! Es ist Grippewelle, dazu kommen sonstige Atemwegsinfekte
       und ein bisschen Covid ist immer. Kolleg*innen fehlen, Kitas schließen,
       der Bus fährt nicht, es macht keinen Spaß. Die Grippewelle 2020/21 hingegen
       fiel so gut wie aus. Damals schützte sich die Allgemeinheit noch vor
       Infektionen.
       
       Nun ist die Hochphase der Pandemie zwar vorbei, doch Covid geht immer noch
       um. Was bedeutet, dass weiterhin Menschen an Long Covid erkranken, [1][für
       das es nach wie vor keine zugelassenen Therapien gibt]. Es gibt auch keine
       Prävention – außer zu versuchen, sich gar nicht erst zu infizieren. Aber
       auch harmlosere Infekte machen richtig Probleme, weil sie zu jeder Menge
       Ausfällen führen. Wäre es wirklich so unzumutbar, ein bisschen was für den
       Infektionsschutz zu tun?
       
       Ich werde oft gefragt, warum ich eine [2][Maske] trage. Eher selten auf die
       empathisch-neugierige Art, sondern aggro. Ich werde zur Rede gestellt,
       meist von fremden Menschen, die glauben, dass ich eine ansteckende
       Krankheit habe.
       
       In der Hoffnung, der nächsten betroffenen Person diese Frage ersparen zu
       können, erkläre ich dann, dass ich die Maske trage, um mich zu schützen,
       wie die allermeisten Menschen mit Maske. Und dass außerdem nicht die
       Infizierten mit Maske das Problem sind, sondern die ohne. Warum zur Hölle
       werden stets die Maskentragenden konfrontiert – also die Risikopersonen,
       Vorsichtigen und Solidarischen? Und nicht diejenigen, die ohne Maske
       offensichtlich krank in Geschäfte und Bahnen gehen?
       
       ## Wir nutzen unsere Werkzeuge kaum
       
       Auf eine Art bin ich froh, wenn Menschen mich ansprechen, statt böse zu
       starren, in meine Richtung zu husten oder mich anzuschreien. Aber es zieht
       echt Kraft. Und eigentlich kennen doch alle schon lange die Antwort: Aus
       welchen Gründen auch immer eine Person eine Maske trägt – sie schützt
       gleichzeitig sich und andere. Warum wird man trotzdem ständig angegangen,
       wenn man Maske trägt, mit Worten wie: Du machst mir Angst, geh weg?
       
       Das ist doch die blödste aller Realitäten. Leute mit Maske werden
       diskriminiert, Luftfilter entsorgt. Ein Teil der Bevölkerung glaubt, dass
       die Impfung an Long Covid schuld sei und nicht Covid. Die
       Grippe-Impfquoten sind weit von den Zielquoten entfernt. Weil so viele
       krank sind, kommen die, die es noch können, halb krank zur Arbeit und
       schalten die übrigen Verbliebenen aus.
       
       Klar ist Maske tragen lästig, und auf Impfarm hat auch niemand Lust. Aber
       sie kurz in der Bahn oder dem Supermarkt aufzusetzen, tut echt nicht weh.
       Tagelang mit einem Infekt flachzuliegen ist definitiv lästiger.
       Maskentragende werden oft für verrückt und paranoid gehalten. Aber
       vielleicht ist es auch ein bisschen verrückt, sich ungeschützt in eine
       U-Bahn voller hustender Menschen zu setzen und zu rätseln, warum irgendwie
       alle krank sind.
       
       Wir haben einigermaßen gute Werkzeuge zur Verfügung. Die Kasse zahlt die
       Impfungen. Tests und Masken werden uns hinterhergeworfen. Ein Luftfilter
       kostet Arbeitgeber_innen weniger als ein, zwei Vertretungsschichten.
       Aber wir nutzen sie kaum. Währenddessen bleiben Risikopersonen lieber zu
       Hause und müssen sich gut überlegen, ob sie es sich leisten können, zur
       Ärztin zu gehen.
       
       Der Autor [3][Ed Yong] hat einen Pulitzer-Preis für seine Texte über die
       Pandemie bekommen, auf Veranstaltungen trägt er weiterhin Maske. Yong
       spricht von einem Zyklus aus Panik und Vernachlässigung als Reaktion auf
       Krisen. Die Vernachlässigung führt dazu, unvorbereitet in die nächste Krise
       zu gehen und dann wieder Panik zu schieben. There is no glory in
       prevention, heißt es. Deshalb an dieser Stelle Applaus und Dank an alle,
       die versuchen, sich und andere gesund zu halten.
       
       2 Mar 2025
       
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