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       # taz.de -- Ersatzreligion Fußball: FC Sakral verliert haushoch
       
       > Dass der Fußball die Kirche als religiöse Heilanstalt längst abgelöst
       > hat, weiß nun auch das Beratungsunternehmen McKinsey.
       
   IMG Bild: Neumodischer Choral: Bayernfans singen die Stadionhymne
       
       Wer noch nicht um die echt krasse Bedeutung des Fußballs in Deutschlands
       wusste, der weiß es jetzt. McKinsey hat eine Studie veröffentlicht. Das tut
       die Unternehmensberatung alle fünf Jahre, jetzt unter der Überschrift
       [1][„Mehr als nur ein Spiel“].
       
       Sie kommt unter Anwendung von allerlei bilanztechnischen Tricks zu der
       Aussage, die Steuereinnahmen durch den Fußball seien größer als die Kosten
       für die Bundespolizei und richtet dieses Statement wohl vor allem an jene,
       die die immensen Kosten durch Polizeieinsätze bekritteln.
       
       Der Fußball dient dem Gemeinwohl, sagen die Dienstleister von McKinsey
       und werden von der Deutschen Fußball Liga (DFL) dafür natürlich heftig
       beklatscht: Die Bundesliga sei ein bedeutender Wirtschaftsmotor, freut sich
       DFL-Geschäftsführer Lenz über die freundliche Schützenhilfe durch die
       Berater.
       
       ## „Bedeutender Lebensinhalt“
       
       Schier aus dem Häuschen dürfte Herr Lenz gewesen sein, als er diesen Befund
       vernommen hat: In einer repräsentativen Umfrage gaben 41 Prozent der von
       McKinsey Befragten an, dass die Fußballbundesliga für sie ein „bedeutender
       Lebensinhalt ist“. Zum Vergleich: Die Kirchen kamen in dieser Umfrage nur
       auf ein Ergebnis von 12 Prozent.
       
       Wenn das Bedürfnis nach einem gemeinsamen religiösen Bekenntnis schwindet,
       dann müssen Ersatzreligionen her, denn der Mensch will ja immer noch
       glauben und hoffen. Er sucht nach Erlösung, Transzendenz, innerer Erbauung
       – und Gemeinschaft. Die katholischen und evangelischen Kirchen können
       diesen Beistand kaum mehr leisten. Die vermeintlichen Seelsorger haben zu
       oft verwundete und enttäuschte Seelen hinterlassen.
       
       Dass sie ihren Fokus mehr und mehr auf das Weltliche gerichtet und damit
       ihren Kernbereich des Sakralen vernachlässigt haben, hat zu einem weiteren
       Mitgliederschwund geführt. Die Kirche ist allzu oft banal und
       ranschmeißerisch geworden – und die Quittung dafür hat sie bekommen: Seit
       dem Jahr 2001 ist die Mitgliederzahl der evangelischen und der katholischen
       Kirche zusammengenommen [2][um mehr als 14 Millionen Gläubige
       zusammengeschmolzen]. Immer weniger wollen Kirchensteuer zahlen.
       
       Der Fußball indes bietet stabile Verhältnisse. Man singt wie in der Kirche,
       nur stimmgewaltiger. Man rezitiert Psalmen, nur tut man das gemeinsam in
       großer Zahl. Im eschatologischen Sinne freuen sich nicht nur die Ultras
       auf die Ankunft eines Messias, den sie oft sogar einmal pro Saison
       willkommen heißen können, nein, es ist die breite Fanbase, die den
       50-Millionen-Einkauf anhimmelt.
       
       [3][Die Bibel „Fußball unser“ gibt es längst]. Der Prediger heißt im
       Stadion Kapo. Die Arenen werden als Tempel beschrieben, und christliche
       Rituale (Weihnachtssingen) werden in ihnen auch abgehalten. Wir halten
       fest: Der Trend wird sich fortsetzen. Der Fußball gewinnt. Die Kirchen
       verlieren. Es ist ein Kantersieg. 8:2 mindestens.
       
       28 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.mckinsey.com/de/~/media/mckinsey/locations/europe%20and%20middle%20east/deutschland/news/presse/2025/2025-02-27%20bundesliga/studie_mehr_als_nur_ein_spiel.pdf
   DIR [2] https://www.kirchenaustritt.de/statistik
   DIR [3] https://www.amazon.de/Fu%C3%9Fball-Unser-Dritte-aktualisierte-Auflage/dp/386497187X
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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