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       # taz.de -- Hamas-Propaganda bei der BBC: „Signifikante Fehler“
       
       > Eine BBC-Doku sollte den Krieg in Gaza aus der Sicht palästinensischer
       > Kinder zeigen. Nun gab die BBC zu, Hamas Propaganda übernommen zu haben.
       
   IMG Bild: Szene aus der Doku „How to Survive a War Zone“
       
       „Obwohl der Vorstand versteht, dass Fehler gemacht werden können, sind die
       Fehler in diesem Fall signifikant und schaden der BBC.“ So äußerte sich der
       Vorstand der britischen BBC am Donnerstag nach ersten Prüfungen
       schwerwiegender Vorwürfe. Wieder einmal ging es um die Berichterstattung
       zum Israel-Gaza-Konflikt.
       
       Nachdem seit dem 7. Oktober 2023 BBC-Berichte [1][immer wieder im
       Rampenlicht gestanden hatten], hieß es bislang, dass Beschwerden beider
       Seiten sich ausbalancierten; Zeichen dafür, dass die BBC ihren sich selbst
       auferlegten Grundsätzen der Neutralität gerecht blieb.
       
       Doch diesmal scheinen die Grenzen des Gleichgewichts tatsächlich
       überschritten worden zu sein. Die Rede ist von der Doku „Gaza: How to
       Survive a War Zone“, im Auftrag der BBC vom unabhängigen Londoner
       Filmstudio Hoyo Films produziert. Sie sollte das Erleben des Konflikts aus
       der Sicht dreier palästinensischer Kinder in Gaza vermitteln.
       
       Doch der Ende Februar ausgestrahlte Film habe Hamas-Propaganda vermittelt,
       so der Vorwurf. Jetzt bestätigte die BBC ernst zu nehmende inakzeptable
       Mängel, die sowohl von Hoyo Films als auch der BBC begangen worden seien.
       Die BBC stelle sich deshalb nicht nur ganz der Verantwortung und den
       Konsequenzen bezüglich des Rufs des Unternehmens, sondern entschuldige
       sich.
       
       ## Nicht irgendein Junge
       
       Es war die einfache Recherche David Colliers, eines investigativen
       jüdischen Journalisten, die ergab, dass einer der minderjährigen
       Protagonisten nicht irgendein Junge aus Gaza war, sondern der 14-jährige
       Sohn eines hochrangigen Hamas-Mitglieds, des stellvertretenden
       Landwirtschaftsministers Ayman al-Yazouri.
       
       Mehr als 45 britischjüdische VIPs legten demnach eine Beschwerde beim
       Sender ein. Zusätzlich folgten um die hundert Personen danach einem
       Demonstrationsaufruf der Gruppe Campaign Against Antisemitism vor der
       Londoner BBC-Zentrale.
       
       Wie es zu erwarten war, kam es auch zu Gegenaussagen ganzer 450 anderer
       Persönlichkeiten, darunter der Filmemacher Ken Loach, der Israel
       boykottiert, sowie Mike Leigh und Gary Lineker, der englische
       Fußballmoderator, ebenso der Dramatiker Hanif Kureishi und die jüdische
       Schauspielerin Miriam Margolyes.
       
       In einem gemeinsamen Schreiben behaupteten sie, dass Palästinensern in
       verwaltenden Posten eine Mitschuld an Gewalt untergeschoben werde, was in
       diesem Fall die Identität eines Kinds schwer problematisiere. Die
       Lebensrealitäten palästinensischer Kinder, von denen 13.000 im Konflikt
       ums Leben kamen, würden nur dann anerkannt, wenn ihre Familien bestimmte
       Kriterien der „Reinheit“ erfüllten. Etwa, wenn die Eltern der Kinder nicht
       Hamas-Mitglieder sind.
       
       ## Systematische Voreingenommenheit
       
       Nach dem jetzigen Schuldeingeständnis seitens des Senders gab sich selbst
       die britische Kulturministerin Lisa Nandy bei einem Treffen mit dem
       Generalintendanten Tim Davie besorgt und forderte Antworten und Sorgfalt,
       während die konservative Oppositionsführerin Kemi Badenoch von
       systematischer Voreingenommenheit sprach.
       
       Es scheint, als ob die BBC, die sich seit einigen Jahren einen Namen als
       Faktenchecker machen will, Fragen zu den Protagonisten unbeantwortet ließ
       und nicht weiter nachprüfte. Darüber hinaus hatte Hoyo Films, so bestätigte
       inzwischen auch die BBC, der Mutter des Jungen eine Geldsumme über dessen
       Schwester überweisen lassen. Das steht im Gegensatz zur Versicherung der
       Filmemacher:innen, keine Gelder an Hamas-Mitglieder oder Verbündete gezahlt
       zu haben. Die BBC hat zur Überprüfung der Fakten nun einen vollen
       Finanzbericht vom Filmstudio angefordert.
       
       Auch sind möglicherweise Aussagen bei den Übersetzungen verändert worden.
       Konkret sollen mindestens fünfmal die Wörter Jude und Juden als Israel und
       israelische Streitkräfte übersetzt worden sein. So wurde generelle
       Judenfeindlichkeit als lediglich Israelfeindlichkeit dargestellt.
       
       Aufgrund der eigenen Fehler, so die BBC, hätte der Generalintendant Tim
       Davie die Beschwerde jetzt vor die höchste Beschwerdestelle des Senders
       gebracht und eine Untersuchung aller Fakten angeordnet, die sich mit den
       Vorwürfen auseinandersetzen. Sie soll feststellen, ob und wie sehr
       redaktionelle Richtlinien gebrochen wurden und ob Disziplinarverfahren
       eingeleitet werden müssen.
       
       2 Mar 2025
       
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