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       # taz.de -- Fans und VAR: Ruinierter Höhepunkt
       
       > Aus intensivster Spannung wird Leere. Wie der Videoschiedsrichter den
       > Fußball tötet und warum es schade ist, dass Norwegen ihn nicht
       > abgeschafft hat.
       
   IMG Bild: Das Ende schönster Freude und tiefster Trauer: die Überprüfung eines Tores
       
       Seit einiger Zeit meldet sich bei mir immer kurz vor dem Höhepunkt jemand
       von unter dem Bett und sagt, Moment bitte, bevor es so weit sei, müsse
       geprüft werden, ob dieser Orgasmus regelkonform zustande gekommen sei. Das
       dauert ein paar Minuten. Ganz ehrlich: Egal, ob er nach der Überprüfung
       zurückgenommen wird oder ob alles rechtmäßig war –bis dahin ist mir der
       Spaß vergangen.
       
       Nun mag dieser Vergleich nicht der allergeschmackvollste sein, aber
       zumindest in meinem Fall wirkt sich der [1][Videoschiedsrichter], vulgo
       „Keller“, beim Spitzenfußball dergestalt aus, dass die intensiven Gefühle
       des Moments verloren gegangen sind, weil man nie weiß, ob das Tor denn nun
       tatsächlich eines war oder zurückgenommen wird. Das betrifft die Ekstase
       des eigenen Tors genauso wie den vormals tiefen Schmerz eines Gegentors.
       Drei Minuten später ist da allenfalls noch ein dumpfer Ärger.
       
       Insofern war es eine große Hoffnung, dass der Profifußball in Norwegen am
       vergangenen Wochenende die Abschaffung des Videoschiedsrichters zur
       Abstimmung brachte. Es hätte etwas ins Rollen bringen können. Doch der
       Antrag wurde abgelehnt (321:129).
       
       Nun bin ich nicht ignorant gegenüber den Vorteilen einer Überprüfung
       dessen, was der Schiedsrichter mit dem menschlichen Auge binnen
       Sekundenbruchteilen sehen und bewerten muss. Es gibt neben den vielen
       Immer-noch-keine-Ahnung-Szenen tatsächlich Fouls, Handspiele,
       Abseitsstellungen, die man mit einer Wiederholung oder anderen Einstellung
       sehen und dann sein Urteil korrigieren kann.
       
       Doch die dahinterstehende Annahme ist irrig, der Fußball werde dadurch
       „gerechter“. Eine bestimmte Aktion wird richtig statt falsch bewertet,
       okay. Aber den Hunderten Malen, wo der Ball glücklich oder unglücklich
       fällt oder abgefälscht wird, ist mit der verständlichen Idee von
       Gerechtigkeit nicht beizukommen. Im Gegenteil, diese Zufälle konstituieren
       das Spiel.
       
       Fußball ist nicht gerecht. Sonst wäre [2][Ungarn 1954] Weltmeister
       geworden. Und [3][Holland 1974]. Man hat die Phrase vom „nicht unverdienten
       Sieg“ erfunden, um letztlich jeden Sieg als okay zu bewerten. Eben! Das
       gilt vor allem für die unverdienten Siege. Ihnen wohnen die gewaltigsten
       Emotionen inne.
       
       Während man vor dem Fernseher nun abgelenkt wird durch sinnlose
       Diskussionen, sitzt man im Stadion nur noch apathisch da, schaut ins Leere
       und denkt: Ich fühle nichts. Gar nichts. Wozu bin ich denn dann hier?
       
       2 Mar 2025
       
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