URI: 
       # taz.de -- Zaun um den Görlitzer Park: Zaun zu, Augen zu
       
       > Am Wochenende protestierten Hunderte gegen die geplante Umzäunung des
       > Görlitzer Parks. Sie werfen dem schwarz-roten Senat Populismus vor.
       
   IMG Bild: Einen offenen Park für alle: Mit dieser Forderung zogen Demonstrant*innen bei der Görli-Parade durch den Park
       
       Berlin taz | „Kai Wegner lügt dich an!“ steht auf einem Transparent. Damit
       ist der Ton gesetzt auf der Demo letzten Samstag gegen die Pläne des
       Berliner Senats, den Görlitzer Park in Kreuzberg vollständig zu umzäunen
       und nachts abzuschließen. Um die 400 Personen sind dem Aufruf zur Demo des
       Kiezbündnisses Görli zaunfrei gefolgt.
       
       Bereits in der Einladung zur Veranstaltung werden die Pläne des
       schwarz-roten Senats als „populistischer Quatsch“ bezeichnet. Der Senat
       hatte sich letzten September vor dem Oberverwaltungsgericht gegen den
       Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg durchgesetzt, der die Zaunidee ablehnt.
       Auch auf der Demo lautet der Tenor: Zäune lösen keine Probleme. „Ganz
       Kreuzberg einzäunen!“ steht auf einem anderen Schild, das ein Demonstrant
       hochhält – sarkastisch gemeint. Was für den Satz darunter wohl nicht gilt:
       „Keine Aufenthaltsgenehmigung für die CDU!“
       
       Riesig ist die Demo nicht. Was auch daran liegen könnte, dass der Zaunbau
       zwar beschlossene Sache ist, der Baubeginn sich aber verschoben hat.
       [1][Auch wegen der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Bezirk und
       Senat]. Der Baubeginn, der für das Frühjahr 2025 angesetzt war, soll nun
       erst im Juni beginnen. Ende des Jahres sollen die Bauarbeiten abgeschlossen
       sein.
       
       Immer teurer wird das Projekt auch. Vor ein paar Monaten war noch von
       Kosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro die Rede. Nun liegen die geschätzten
       Kosten bei [2][über zwei Millionen Euro für den Zaun inklusive neuer
       Beleuchtungen.] Für den Wachschutz kommen jährliche Kosten von rund 800.000
       Euro dazu. Ganz schön teuer alles also, und das in Zeiten klammer Kassen.
       
       ## Es geht um mehr als nur einen Park
       
       Auch wenn die Demo überschaubar ist, wird dennoch deutlich, dass es bei der
       Zaunfrage längst um mehr geht als bloß um eine Kiezposse. Die ganze Stadt
       beschäftigt sich mit dem Park, spätestens seit der Regierende Bürgermeister
       Kai Wegner (CDU) diesen zur Chefsache erklärt hat. Der Berliner Sänger
       Peter Fox, einer der größten Popstars Deutschlands, hat letzten Herbst hier
       ein Free-Konzert gegeben, das Wegner sicherlich nicht als
       Werbeveranstaltung für seine Pläne deuten konnte. Und die beliebte Berliner
       HipHop-Band „K.I.Z.“ hat ihr aktuelles Album nach dem Kreuzberger Park
       benannt und befindet sich gerade auf großer „Görlitzer
       Park“-Deutschlandtour.
       
       Es ist auch kein Wunder, dass der Park und der Umgang mit ihm weit jenseits
       des Wrangelkiezes so emotionalisiert. In welcher Stadt, in welchem Land, in
       welcher Gesellschaft wollen wir leben? Große Fragen, wie diese, werden auf
       einem Flecken Grün mitten in Kreuzberg verhandelt.
       
       Aus Sicht ihrer Gegner will vor allem die CDU dem linken
       Friedrichshain-Kreuzberg ihre „Law-and-Order“-Politik aufzwingen.
       [3][Außerdem kritisieren sie den Ansatz, Probleme einfach wegzuschließen,
       anstatt ihre Ursachen zu bekämpfen]. Dem gegenüber steht die Position des
       Berliner Senats, dass nun lange genug über Probleme geredet worden ist und
       jetzt gehandelt werden muss. In diesem Spannungsfeld wird der Zaun um den
       Görli diskutiert, der damit zu einem Symbol wird für die ganze Republik.
       
       Dass der Görli längst mehr ist als bloß ein Park scheint selbst die
       Deutsche Kommunistische Partei (DKP) erkannt zu haben, die auf der Demo ein
       Flugblatt verteilt, das das Stück Kreuzberger Grün sogar für die
       Systemfrage hernimmt. Im Kapitalismus werde es immer Problemorte wie den
       Görli geben, steht darin. Deswegen müsse eine „sozialistische Alternative“
       her, so die DKP.
       
       ## Anwohner sind gespalten
       
       Einen Tag nach der Demo in der Falckensteinstraße im Gespräch mit Anwohnern
       und Anwohnerinnen – denjenigen, die direkt von Kriminalität und den Folgen
       von Drogenkonsum betroffen sind: Ein junger Mann, der sich als Clemens
       vorstellt und gerade eine Haustür in unmittelbarer Nähe zum Görli
       aufschließt, sagt, er halte den Zaun für „keine gute Sache“. Die Dealer,
       die er von hier aus sehen kann, seien normalerweise friedlich. Sie nachts
       aus dem Park zu sperren, werde Probleme nicht lösen und nur woanders hin
       verschieben, meint er. Der Zaun sei demnach „der größte Quatsch“. Fast
       gegenüber von ihm verlässt gerade eine Frau ihr Haus, sie hat es eilig und
       nur Zeit für ein paar Worte: „Ich will mal ganz geradeaus sein. Ich sage Ja
       zum Zaun. Erst vor drei Wochen habe ich fast eine Bierflasche auf den Kopf
       bekommen“, sagt sie.
       
       Am Eingang zu einem kleinen Fußballplatz in der Falckensteinstraße steht in
       großen Lettern „Der Görli bleibt auf“. Derartige Spuren des Ringens um den
       Görli finden sich überall im Kiez. Der Park beschäftigt seine Anwohner und
       Anwohnerinnen. Das lässt sich besonders gut aus den Aussagen eines Pärchens
       heraushören. Er kommt aus Irland, sie aus Schweden, beide leben bereits
       sechs, beziehungsweise sieben Jahre im Wrangelkiez. Sie hätten bereits oft
       über den geplanten Zaun diskutiert, erzählen sie. Er legt los, berichtet
       von Schießereien, Schlägereien und Vergewaltigungen im Park. Es sei
       grotesk, dass es so etwas mitten in der Stadt gebe. Ein Zaun könnte
       vielleicht etwas an den Zuständen ändern, hofft er.
       
       Sie hält dagegen: „Ich stimme all dem nicht zu.“ Man müsste vielmehr Geld
       für den Kiez in die Hand nehmen, findet sie, und zwar nicht für die
       Umzäunung des Parks. Nachts sei es in der Falckensteinstraße zu dunkel, es
       seien kaum noch Kneipen offen und auf der Straße seien nur noch Dealer
       unterwegs. Ein belebterer Kiez in der Nacht würde Probleme lösen, glaubt
       sie. Auch deswegen sei sie am Tag davor bei der Demo von Görli zaunfrei
       gewesen. Und ihr Partner, der den Zaun haben möchte, der hat mitkommen
       müssen.
       
       Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass sich Anwohner gegen den
       Zaun wehren. Das Bündnis hat bereits weitere Demos angekündigt.
       
       3 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Zaun-um-den-Goerlitzer-Park/!6024746
   DIR [2] /Zaun-um-den-Goerlitzer-Park/!6017885
   DIR [3] /Goerlitzer-Park-in-Berlin-Kreuzberg/!6022210
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Görlitzer Park
   DIR Kai Wegner
   DIR Clara Herrmann
   DIR Görlitzer Park
   DIR taz Plan
   DIR Förderprogramm
   DIR Schwerpunkt Stadtland
   DIR Görlitzer Park
   DIR Görlitzer Park
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Görlitzer Park: Zaun-Baustart steht bevor
       
       Der Berliner Senat hat eine Baufirma für den Zaun um den Görli gefunden.
       Schon in den kommenden Tagen wird mit dem Baustart gerechnet – und mit
       Protesten.
       
   DIR Bewegungstermine in Berlin: Rechte, wohin das Auge reicht
       
       Berlin erlebt eine Welle rechtsextremer Aufmärsche, die Berliner AfD will
       ihren Parteitag abhalten. Doch Antifas stellen sich entschlossen dagegen.
       
   DIR Görlitzer Park: Kein Ja zum Zaun, kein Moos
       
       Der Senat will keine Sanierungen in Kreuzberg fördern, weil der Bezirk die
       Umzäunung des Görlitzer Parks ablehnt.
       
   DIR Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg: Eine Mauer gegen soziale Probleme
       
       Der Berliner Senat will unbedingt den Zaun um den Görlitzer Park, der
       Bezirk nicht. Dabei geht es nicht nur um die Frage der Drogenpolitik.
       
   DIR Zaun um den Görlitzer Park: Der Kampf um den öffentlichen Raum
       
       Gegner:innen der Schließung des Görlitzer Parks versammeln sich zur
       großen Aktionsnacht. Unterdessen verzögert sich der Beginn erster
       Zaunarbeiten.
       
   DIR Zaun um den Görlitzer Park: Das Machtsymbol materialisiert sich
       
       Der Zaunbau am Görlitzer Park soll schon in zwei Wochen starten. Für das
       Schließ-Management rechnet der Senat mit Kosten von 800.000 Euro jährlich.