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       # taz.de -- Nach dem Eklat mit Washington: Ukrainer:innen erwarten einen Plan B
       
       > Die Menschen in der Ukraine solidarisieren sich mit ihrem Präsidenten
       > Selenskyj. Gleichzeitig vermissen sie eine Perspektive für ein
       > Kriegsende.
       
   IMG Bild: Ein Treffen wie schlechter Stuhlgang: Abbau nach dem Eklat im Oval Office
       
       Russland spielt Schach, die USA spielen Karten, die Ukraine spielt Risiko –
       aber welche Rolle spielt Europa? Nach dem [1][Eklat im Weißen Haus] stellen
       sich die Ukrainer:innen genau diese Frage. Die Antwort darauf suchen
       sowohl für die Ukrainer:innen als auch für Europa selbst der
       französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister
       Keir Starmer.
       
       Der Westen befinde sich „an einer historischen Weggabelung“, und „die Zeit
       zum Handeln ist gekommen“ – mit diesen Worten fasste der britische
       Regierungschef das [2][Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs] am 2.
       März in London zusammen, an dem Vertreter:innen aus 18 Ländern
       teilnahmen.
       
       Die ukrainische Politologin Marija Solkina kommentierte in einem Interview
       mit Radio Free Europe/Radio Liberty den von Macron vorgeschlagenen Plan
       einer einmonatigen Waffenruhe: „Diese Idee dient eher dazu, die Emotionen
       in Washington zu beruhigen, denn man muss Donald Trump zeigen, dass Europa
       bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Das wird den Kriegsverlauf nicht
       ändern, aber es zeigt, dass Europa handlungsfähig ist“. Die Initiative
       könne laut Solkina ein Schritt zur Wiederherstellung der beschädigten
       Kontakte zwischen der Ukraine und den USA sein.
       
       Viele Ukrainer:innen verfolgten den Skandal im Oval Office live, denn
       nicht nur ukrainische Politiker:innen, sondern auch einfache
       Bürger:innen hatten große Hoffnungen in dieses Treffen mit dem
       US-Präsidenten gesetzt. Schock und Empörung über die Rhetorik der
       amerikanischen Partner waren und bleiben die dominierenden Reaktionen der
       Ukrainer:innen auf das, was sie gesehen haben.
       
       ## Welle der Solidarität
       
       Die breite Solidarisierung der Ukrainer:innen mit Selenskyj begann
       bereits zwei Wochen zuvor, nach den ersten Angriffen von Donald [3][Trump,
       der ihn als „Diktator“ bezeichnete]. Der verbale Schlagabtausch im Weißen
       Haus verstärkte die Welle der Solidarität mit Selenskyj in der Bevölkerung
       noch weiter.
       
       Die Ukrainer:innen vereinen sich jedoch nicht um Selenskyj als Person,
       sondern um die Flagge und die Institutionen des Staates. Die kritische
       Mehrheit der Ukrainer:innen nahm die Versuche von Trump und seinem Vize
       J.D. Vance, Selenskyj öffentlich zu demütigen, als persönliche Beleidigung
       wahr – zumal sie in den Angriffen der Amerikaner auch die russische
       Propaganda gespiegelt sahen.
       
       „Ich habe nicht für Selenskyj gestimmt und werde ihn nach dem Krieg auch
       nicht wählen, aber ich unterstütze ihn und seine Haltung in dieser
       Situation voll und ganz. Er verteidigt die Interessen der Ukraine mit
       Würde“, meint Natalija Tschala, eine Rentnerin aus Kyjiw.
       
       Auch aus der konstruktiven ukrainischen Opposition war Unterstützung für
       Selenskyj zu hören: „Es war schmerzhaft für mich, den Streit im Oval Office
       mit anzusehen. Ich habe keine Illusionen über die Position der neuen
       US-Regierung. Aber Staatsführung, besonders in Kriegszeiten, erfordert
       staatstragende Entscheidungen, einen kühlen Kopf und weniger Emotionen“,
       kommentierte die Parlamentsabgeordnete der Partei des ehemaligen
       Präsidenten und scharfen Selenskyj-Kritikers Petro Poroschenko, Iryna
       Heraschtschenko.
       
       ## Beziehungen wieder herstellen
       
       Sie fordert das Team Selenskyj auf, den Ukrainer:innen einen Plan B
       vorzulegen, falls die Ukraine ohne militärische und finanzielle
       Unterstützung der USA bleibt. Heraschtschenko ruft außerdem dazu auf, sich
       für die Wiederherstellung der Beziehungen zwischen Kyjiw und Washington
       einzusetzen, die sie als für die Ukraine kritisch wichtig betrachtet.
       
       Die Ersten, die die Auswirkungen eines möglichen Stopps der US-Hilfe spüren
       werden, sind die ukrainischen Soldat:innen an der Front: Die Abschaltung
       des US-Satellitensystems Starlink würde sie von der Kommunikation
       abschneiden, das Fehlen von Geheimdienstinformationen Operationen
       erschweren und der Mangel an Munition zu höheren Verlusten führen.
       
       „Selenskyj hat alles richtig gemacht, in diesem Skandal hat er auch die
       Ehre der ukrainischen Soldat:innen verteidigt. Aber jetzt wird es für
       uns sehr schwer. Möglicherweise so schwer wie noch nie zuvor“, vermutet der
       Soldat Anton N., der an den Kämpfen um Awdijiwka in der Region Donezk
       während des sechsmonatigen Einfrierens der US-Militärhilfe im Jahr 2023
       teilgenommen hat.
       
       Es fällt den Ukrainer:innen zunehmend schwer, die Moral hochzuhalten und
       einem Rückgang des Kampfgeistes entgegenzuwirken, da sie keine Klarheit
       darüber haben, wie ein Plan B aussehen könnte oder welche Perspektiven für
       ein Kriegsende bestehen. Gleichzeitig schließen sie weiterhin die
       Möglichkeit einer Kapitulation aus und setzen große Hoffnungen in die
       Bereitschaft Europas, sowohl die Ukraine als auch sich selbst zu schützen.
       
       3 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Anastasia Magasowa
       
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