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       # taz.de -- Europa nach dem Bruch mit Trump: Macrons „Friedensplan“ sorgt für Unfrieden
       
       > Einen Monat Teilwaffenruhe in der Ukraine? London erteilt diesem
       > Vorschlag aus Paris eine Absage. Die Realität vor Ort sieht sowieso
       > anders aus.
       
   IMG Bild: Umarmung zu Dritt: Wolodymyr Selenskyj mit Keir Starmer und Emmanuel Macron in London
       
       Berlin taz | Am Sonntag in London wurde noch europäische Einigkeit
       zelebriert – am Montag sah es schon wieder anders aus. Erst machten am
       Morgen Meldungen die Runde, wonach Großbritanniens Premierminister Keir
       Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen „Friedensplan“ für
       die Ukraine ausgearbeitet hätten. Es solle in der Ukraine eine einmonatige
       „Waffenruhe in der Luft, auf den Meeren und in der Energieinfrastruktur“
       geben, [1][zitierte die französische Zeitung Le Figaro] Präsident Macron.
       Wenige Stunden später dementierte die britische Regierung.
       
       „Es ist keine Einigung darüber erzielt worden, wie eine Waffenruhe aussehen
       soll“, [2][sagte gegenüber Times Radio] Luke Pollard, Staatsminister im
       britischen Verteidigungsministerium. Eine „kurze Pause“ sei
       kontraproduktiv, da sie Russland eine Verschnaufpause im Krieg biete.
       
       Macron hatte auf seinem Rückflug vom Sicherheitsgipfel in London dem Figaro
       [3][ein Interview] gegeben, in dem er zunächst Abstand von der Idee nahm,
       eine europäische Friedenstruppe könne kurzfristig einen Frieden in der
       Ukraine überwachen, so wie es den USA vorschwebt. Die Frontlinie sei dafür
       zu lang.
       
       Deswegen habe er gemeinsam mit Starmer die Alternative einer befristeten
       Teilwaffenruhe entwickelt. Erst in einer zweiten Phase würden auch am Boden
       die Waffen schweigen. Dann würde die Frage einer europäischen Überwachung
       wieder ins Spiel kommen. Vorher nicht, so Macron: „Es wird in den kommenden
       Wochen keine europäischen Truppen auf ukrainischem Boden geben.“
       
       ## London will erst Verbündete sammeln
       
       Macrons Vorpreschen sorgt in London für Ärger. Dort bemüht man sich nämlich
       darum, erst noch Verbündete ins Boot zu holen. Von einer „Koalition der
       Willigen“ hatte Keir Starmer am Sonntag gesprochen; Berichten zufolge
       zeigen sich Kanada und die Türkei offen.
       
       Starmer geht es darum, dass eine kritische Masse von Militärmächten in
       Europa sich willens zeigt, einen Beitrag zur Absicherung eines möglichen
       Ukraine-Deals zu leisten. Nur dann, heißt es, könne man ernsthaft wieder
       mit dem Ansinnen in Washington antreten, auch die USA müssten mitmachen –
       die berühmten „Sicherheitsgarantien“, die Trump ablehnt.
       
       Macrons „Teilwaffenruhe“ sei, so versuchte Frankreichs Außenminister
       Jean-Noël Barrot am Montag das Wirrwarr zu glätten, ein Versuchsballon.
       „Dieser Waffenstillstand in der Luft, im Meer und bei der
       Energieinfrastruktur wird Putins guten Willen demonstrieren, wenn er dem
       zustimmt. Dann können richtige Friedensverhandlungen beginnen“, [4][sagte
       Barrot dem TV-Sender BMFTV].
       
       ## Ein Plan ohne den Faktor Putin
       
       Aber dass Putin zustimmt, gilt als ausgeschlossen. Russlands Regierung hat
       entsprechenden Ideen mehrfach eine Absage erteilt. Moskau strebt lediglich
       eine bilaterale Verständigung mit den USA an, als deren Ergebnis Russland
       seine Vorstellungen durchsetzt und der ukrainische Widerstand endet.
       
       Um genau das zu verhindern, drängen die europäischen Partner darauf, dass
       das vielgeschmähte Rohstoffabkommen, das ukrainische Exporteinnahmen in ein
       US-verwaltetes Sondervermögen leiten soll, jetzt doch noch unterschrieben
       wird – damit entstünde nämlich ein US-Interesse daran, dass ihr
       Vertragspartner in Kyjiw weiterregiert.
       
       Nicht Selenskyj, sondern Trump war es, der am Freitag durch den Rauswurf
       seines Gastes aus dem Weißen Haus die vorgesehene Unterschrift torpedierte.
       Aus Washington kommen jetzt Signale, man werde Selenskyj wiederkommen und
       unterschreiben lassen, sofern er sich für seinen „respektlosen“ Auftritt im
       Oval Office entschuldige – eine Forderung, die in der Ukraine auf
       Unverständnis stößt, in London jedoch als notwendiges diplomatisches Übel
       zum Verhindern einer Trump-Putin-Einheitsfront gesehen wird. Es gibt in
       Washington aber auch Stimmen, die den kompletten Bruch mit Kyjiw wollen.
       
       ## Die Ukraine kommt militärisch voran
       
       Der Ukraine bleibt vor diesem Hintergrund wenig anderes übrig, als
       militärische Fakten zu schaffen. Die Rückeroberung der einst 35.000
       Einwohner zählenden Stadt Toretsk im Gebiet Donezk am Wochenende bietet der
       Ukraine einen seltenen Lichtblick. Russland hatte von Oktober 2024 bis
       Anfang Februar 2025 gebraucht, um die strategische Kleinstadt einzunehmen.
       Nun gelang es der Ukraine innerhalb weniger Tage, die russischen Einheiten
       im zerbombten Stadtzentrum einzukesseln. Sollte Toretsk vollständig befreit
       werden, wäre es der größte ukrainische Erfolg an der Front von Donezk seit
       gut einem Jahr.
       
       Auch die ukrainischen Angriffe auf russische Militärinfrastruktur weiten
       sich aus. In der Nacht zum Montag setzte ein Drohnenangriff die
       [5][Ölraffinerie in der Stadt Ufa] am Fuße des Uralgebirges – 1.400
       Kilometer von der Ukraine entfernt – in Brand. Mehrere Dutzend russische
       Ölraffinerien sind in den vergangenen Monaten durch ukrainische Angriffe
       beschädigt worden. Die Ukraine dürfte wenig Interesse daran haben, nach
       Macrons Vorstellungen solche Schläge einstellen zu müssen, während
       russische Truppen am Boden weiter angreifen.
       
       3 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.lefigaro.fr/international/ukraine-dissuasion-nucleaire-depenses-militaires-les-pistes-d-emmanuel-macron-pour-pousser-le-reveil-europeen-20250302
   DIR [2] https://www.youtube.com/watch?v=c8k_h5oKmB8
   DIR [3] https://www.lefigaro.fr/international/ukraine-dissuasion-nucleaire-depenses-militaires-les-pistes-d-emmanuel-macron-pour-pousser-le-reveil-europeen-20250302
   DIR [4] https://www.bfmtv.com/international/europe/ukraine/guerre-en-ukraine-jean-noel-barrot-met-en-garde-sur-une-ligne-de-front-qui-ne-cesse-de-se-rapprocher-de-nous_AN-202503030212.html
   DIR [5] https://kyivindependent.com/media-large-oil-refinery-in-russias-ufa-caught-fire/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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