URI: 
       # taz.de -- Kinotipp der Woche: Ungefüg unterwegs
       
       > Klassisches Hollywood mit innovativen Twists: Die Reihe „The Lady with
       > the Torch“ zeigt Filme der Columbia Studios, u. a. Dorothy Arzners
       > „Craig's Wife“.
       
   IMG Bild: Eigene Pläne: Rosalind Russell als Harriet Craig in „Craig's Wife“ (Regie: Dorothy Arzner, USA 1936)
       
       Während ihr Mann Walter in New York glaubt auf einen Pokerabend zu gehen,
       der dann mangels Teilnehmern ausfällt und in einem Abend voller
       Selbstmitleid des Gastgebers versinkt, ist Harriet Craig mit ihrer Nichte
       Ethel auf Krankenbesuch bei ihrer Schwester in Albany, New York State. Als
       Ethel ihrer Mutter auf die Laune zu schlagen beginnt, entführt Harriet die
       junge Frau kurzerhand für ein paar Wochen zu sich in die Stadt.
       
       Auf der Zugfahrt zurück gesteht Ethel Harriet, dass sie sich mit einem
       Lehrbeauftragen des Colleges verlobt hat. Zu Ethels Verwunderung hält
       Harriet dergleiche romantische Verwirrungen für einen Irrweg. Dorothy
       Arzner, eine der wenigen Regisseurinnen großer Hollywood-Filme in den
       1930er Jahren, porträtiert in „Craig’s Wife“ (1936) eine Frau, die in der
       Ehe mit dem naiven Walter ihre Unabhängigkeit finanziell abzusichern
       versucht.
       
       Arzner zeigt unübersehbar die Missbilligung, die Harriet in ihrem ungefügen
       Auftreten entgegenschlägt. Der Film ist eines der Beispiele, mit denen das
       [1][Programm] die Geschichte der Columbia Studios in ihrer klassischen
       Hollywoodzeit beleuchtet.
       
       Die Filmreihe „The Lady with the Torch“ zeigt eine Auswahl jener
       Retrospektive, mit der das Filmfestival in Locarno letzten Sommer Columbia
       würdigte. Da das eigene Kino des Arsenals noch im Bau ist, läuft die
       Filmreihe in Berlins filmhistorisch relevantestem Kino, dem
       [2][Zeughauskino] (das seinerseits ebenfalls im Exil in einem
       Ausweichquartier ist).
       
       ## Agilität eines Wandschranks
       
       „Craig’s Wife“ ist ein Schauspielerfilm. Harriets Mann Walter wird gespielt
       von John Boles, der seinen Rollen die körperliche und geistige Agilität
       eines Wandschranks zu verleihen pflegte, ohne dabei eine schlechte Figur zu
       machen. Wichtiger aber noch: [3][Dorothy Arzner] spielt in dem Film mit dem
       Image ihrer Hauptdarstellerin Rosalind Russell als distinguierte junge
       Dame.
       
       In einem Interview aus dem gleichen Jahr, in dem Arzners Film entsteht,
       hadert Russell genau mit dieser Art Rolle: „Eine perfekt gekleidete Dame
       zieht im echten Leben Misstrauen auf sich und wenn man mit schönen Kleidern
       und charmanten Manieren auf eine Leinwand stolziert, ahnt noch der naivste
       Kinogänger, dass man dem Helden nichts Gutes will.“ Arzners Harriet zeigt
       das Beharren darauf, dass es in weiblichen Rollen nicht darum gehen muss,
       dem männlichen Helden Gutes zu wollen.
       
       Der Titel der Filmreihe greift das Markenzeichen der Columbia auf, die Frau
       mit der Fackel, die vor jedem Film zu sehen ist. In der Geschichte der Frau
       mit der Fackel spiegelt sich der Aufstieg des Studios. Als die Brüder Jack
       und Harry Cohen ihre New Yorker Cohn-Brandt-Cohn Film Sales Corporation
       1924 neu erfanden und aus der Produktionsfirma für Billigfilme einen
       Inbegriff für hochwertige Filme machen wollten, suchten sie nach einem
       Logo, das dieses Rebranding bildlich darstellte.
       
       Der erste Anlauf war eine junge Frau, deren Gewänder sich bauschen, ein
       Schild in der Linken, einen Olivenzweig in der Rechten. Das Bild griff das
       Motiv einer 25 Cent-Münze auf. 25 Cent waren damals ein geläufiger Preis
       für ein Kinoticket. Vier Jahre später, 1928, lief vor den Filmen der
       Cohen-Brüder erstmals eine Variante jenes Logo, das Columbia Pictures
       berühmt machen sollte: eine junge Frau, gehüllt in die Flagge der USA mit
       einer Fackel in der rechten Hand.
       
       Im Mai 1936 weicht die Fahne einem drapierten Stück Stoff. Die Frau mit der
       Fackel hatte ihr Erscheinungsbild gefunden und Columbia Pictures sich in
       der Zwischenzeit neben Universal und United Artists unter den
       Hollywood-Studios der zweiten Reihe einen Namen gemacht.
       
       Die Werkschau der klassischen Phase von Columbia Pictures in den 1930er und
       1950er Jahren präsentiert neben Klassikern wie Frank Capras „Mr. Deed goes
       to Town“ (1936), Orson Welles’ Rita Hayworth-Vehikel „The Lady from
       Shanghai“ (1947) und Fritz Langs „The Big Heat“ (1953) auch eine Reihe von
       Filmen, in denen nicht zuletzt europäische Exilanten mit kleineren Budgets
       Innovatives probierten: Hugo Haas drehte mit eigenem Geld den Film Noir
       „Pickup“, in dem sich die Lebenswege einer jungen Frau mit einem etwas
       älteren tschechischen Emigranten kreuzen.
       
       Andre de Toths seit einigen Jahren wiederentdeckter „None Shall Escape“
       zeigt die Übergriffe von Nazi-Deutschland als deutsche Urgroßväter Polen
       überrannten und nimmt die Nürnberger Prozesse vorweg. Die Reihe „The Lady
       with the Torch“ lädt ein zu einer Zeitreise als Hollywood-Studios noch
       Labor und Vermarktungsinstitutionen für innovatives Kino waren.
       
       5 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.arsenal-berlin.de/kino/filmreihe/zeughauskino-the-lady-with-the-torch-hommage-an-columbia-pictures/
   DIR [2] https://www.dhm.de/zeughauskino/
   DIR [3] /!1416754/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Tietke
       
       ## TAGS
       
   DIR Filmgeschichte
   DIR Arsenal Kino
   DIR Filmreihe
   DIR Kino Berlin
   DIR taz Plan
   DIR Zeughauskino
   DIR Regisseurin
   DIR Hollywood
   DIR taz Plan
   DIR taz Plan
   DIR taz Plan
   DIR Film
   DIR wochentaz
   DIR taz Plan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kinotipp der Woche: Wie wird „man“ ein Mann?
       
       Bei der Doku-Reihe „Man wird nicht als Mann geboren“ im Kino Krokodil
       finden diese Woche diverse Labore der Männlichkeit den Weg auf die
       Kino-Leinwand.
       
   DIR Wieder im Kino: Rennen, schnaufen, schwitzen
       
       Physische Präsenz: Im Babylon ermittelt Gene Hackman noch einmal in „The
       French Connection“. Das Zeughauskino würdigt seine Zeitgenossin Kim Novak.
       
   DIR Wieder im Kino: Urlaub mit Che Guevara
       
       Das Babylon Mitte schickt uns auf eine Reise voller Hoffnung. Das
       Zeughauskino erinnert an den nach der Flucht vor den Nazis vergessenen Hugo
       Haas.
       
   DIR „Anora“ räumt bei 97. Oscarverleihung ab: Das Independent-Kino als Hoffnung
       
       Bei den Oscars gewann Sean Bakers Komödie „Anora“ über eine Sexarbeiterin
       als bester Film. Die Veranstaltung setzte nach und nach politische Akzente.
       
   DIR Film „Flow“ von Gints Zilbalodis: Eine Katze empört sich
       
       Bei Flut müssen Tiere zusammenhalten: Der für einen Oscar nominierte
       Animationsfilm „Flow“ trägt sein Publikum durch eine traumhaft reduzierte
       Welt.
       
   DIR Kinotipp der Woche: Tierisch gut gespielt
       
       Sozial am Berg, flauschige Gegenüber und antrainierte Regeln: Die
       Kurzfilmreihe Shorts Attack! widmet sich im Februar dem Thema
       Gesellschaftsspiele.