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       # taz.de -- Reform der Schuldenbremse: Bundesbank plädiert für mehr Schulden
       
       > Der Vorschlag könnte bei den Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen.
       > Der neuen Bundesregierung stünden viele Milliarden Euro mehr zur
       > Verfügung.
       
   IMG Bild: Bundesdienstflagge und Europafahne vor der Deutschen Bundesbank-Zentrale in Frankfurt
       
       Berlin taz | Für Spendierfreudigkeit war [1][die Bundesbank] noch nie
       bekannt. Die frühere Notenbank der D-Mark, jetzt Teil des Eurosystems,
       legte immer Wert auf eine harte Währung – und auf staatliche Sparsamkeit,
       die sie als Basis dafür betrachtete. Deshalb ist es bemerkenswert, dass die
       Institution nun für eine höhere Verschuldung plädiert, als [2][die
       Schuldenbremse im Grundgesetz] bisher erlaubt.
       
       Der Schwenk hatte sich angedeutet, etwa beim Weltwirtschaftsforum in Davos
       im Januar. „Wir leben in einer Welt mit tektonischen Verschiebungen“, sagte
       Bundesbankchef Joachim Nagel dort, „diesen Veränderungen müssen wir uns
       stellen.“ Am Dienstag wurde der konkrete Vorschlag veröffentlicht, der in
       den Verhandlungen zwischen Union und SPD über die Bildung der neuen
       Bundesregierung eine Rolle spielen könnte. Die Spitzen der beiden Parteien
       stehen vor der Frage, woher sie Hunderte Milliarden Euro nehmen sollen, die
       für die Unterstützung der Ukraine, die Aufrüstung der Bundeswehr und zivile
       Infrastruktur-Investitionen gebraucht werden.
       
       Momentan erlaubt die Schuldenregel dem Bund nur eine Kreditaufnahme von
       0,35 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Jahr, was
       etwa 15 Milliarden Euro ausmacht. In Fällen schlechter Konjunktur kann die
       zulässige Kreditsumme auf mehr als 30 Milliarden Euro steigen. Länder und
       Gemeinden dürfen sich nicht verschulden.
       
       Die Bundesbank schlägt demgegenüber vor, die jährliche Verschuldung auf
       mindestens 0,9 Prozent des BIP anzuheben, wenn die Gesamtverschuldung des
       Staates bereits über der in den EU-Verträgen festgelegten Grenze von 60
       Prozent liegt. Das ist augenblicklich der Fall. Sänke die
       Gesamtverschuldung künftig unter 60 Prozent, soll eine Kreditaufnahme von
       bis zu 1,4 Prozent im Verhältnis zum BIP erlaubt sein. Der zusätzliche
       Spielraum für Investitionen beliefe sich damit auf etwa 100 bis 220
       Milliarden Euro bis 2030, rechnerisch zwischen 16 bis 37 Milliarden Euro
       jährlich, wobei die Mittel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu teilen
       wären.
       
       ## Deutlich höherer Spielraum
       
       Die Bundesbank rät, die Schuldenregel im Grundgesetz entsprechend zu
       ändern. Parallel dazu sei es auch möglich, etwa ein höheres Sondervermögen
       zur besseren Finanzierung der Bundeswehr einzurichten. Diese Kredite
       müssten jedoch auf die neue Regel angerechnet werden. Das Gleiche sollte
       für höhere Verteidigungsausgaben gelten, die sich möglicherweise aus einer
       Änderung der EU-Politik ergeben.
       
       Orientierten sich die kommende Koalition und der Bundestag an diesem
       Vorschlag, stünde deutlich mehr Geld zur Verfügung. Allerdings reichte auch
       dieser Spielraum nicht an die bis zu 100 Milliarden Euro zusätzlicher
       Verschuldung heran, die derzeit im Umkreis der Sondierungsgespräche
       zwischen Union und SPD diskutiert werden.
       
       „Es ist erfreulich, dass die Bundesbank ein neues Element in die
       Verhandlungen über die Regierungsbildung einbringt“, sagte [3][Sebastian
       Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie (IMK)]. Er
       plädierte dafür, die Schuldenbremse so zu lockern, dass zusätzliche
       kreditfinanzierte Investitionsausgaben von beispielsweise 60 Milliarden
       Euro jährlich über zehn Jahre möglich wären. Das solle unter anderem dazu
       dienen, die Verkehrswege zu modernisieren.
       
       ## BIP stiege an
       
       Nach neuen Berechnungen des IMK stiege dadurch das Bruttoinlandsprodukt
       Deutschlands erheblich an. Das sei auch der Grund dafür, warum die
       Staatsschuldenquote – die Relation von Wirtschaftsleistung zu Schulden –
       mittelfristig nicht etwa zunehme, sondern sich im Gegenteil verringere,
       argumentierte das Institut. Dullien ist für eine Reform der Schuldenbremse
       und sprach sich gegen die vermeintlich einfache Lösung mittels neuer
       Sondervermögen aus.
       
       Diesen Weg mit der noch vorhandenen Zweidrittelmehrheit des alten
       Bundestages zur Änderung des Grundgesetzes haben die vier Ökonomen Clemens
       Fuest, Michael Hüther, Moritz Schularik und Jens Südekum angeregt. Sie
       fürchten, dass eine Reform der Schuldenbremse an der Sperrminorität der
       rüstungskritischen Parteien AfD und Linke im neuen Bundestag scheitert. Die
       vier Ökonomen schlagen ein Sondervermögen von 400 Milliarden Euro für die
       Bundeswehr und eines mit 500 Milliarden Euro für Infrastruktur vor.
       
       4 Mar 2025
       
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