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       # taz.de -- Situation von Geflüchteten in Berlin: „Manche trauen sich abends nicht auf die Straße“
       
       > Die aktuelle Migrationsdebatte schaffe ein Klima der Angst, kritisieren
       > Geflüchtete in Berlin. Mit Doppelstandards bei der Behandlung müsse
       > Schluss sein.
       
   IMG Bild: Parisa Hosseini (l.) und Kava Spartak: Von Willkommenskultur ausgeschlossen
       
       Berlin taz | Parisa Hosseini hat eine klare Botschaft: „Die andauernden
       Abschiebungsandrohungen verängstigen die Menschen“, sagt die
       Sozialarbeiterin mit Blick auf die [1][Migrationsdebatte in Deutschland].
       Vor einigen Jahren hat Hosseini in Berlin den [2][Verein Etehad] gegründet,
       der sich für die Belange von Geflüchteten aus Afghanistan einsetzt. Deren
       Situation habe sich [3][nach den Anschlägen von Mannheim und Solingen im
       vergangenen Jahr noch einmal deutlich verschlechtert].
       
       Hosseini nimmt am Mittwoch an einem Treffen von afghanischen und syrischen
       Migrant*innenorganisationen mit Berlins Integrationsbeauftragter
       Katarina Niewiedzial teil. Es herrsche eine „Atmosphäre der Unsicherheit
       und der Angst“ in den migrantischen Communitys, auch in Berlin, betont
       Niewiedzial. „Die negative Rhetorik beim Thema Migration schürt Vorurteile
       und schafft Diskriminierung.“
       
       Das spüren Parisa Hosseini und ihr Kollege Soltan Akbari vom Verein Etehad.
       „Wir bekommen Hassmails, Drohanrufe und auch Hetze auf Facebook“, sagt
       Akbari. Das Büro des Vereins befindet sich in Lichtenberg, hier gibt es
       Beratung für Geflüchtete in Berlin und Brandenburg. „Manche trauen sich
       abends nicht mehr auf die Straße“, betont Akbari.
       
       Hinzu komme der oft unsichere Status von afghanischen Geflüchteten. Immer
       häufiger würden Asylanträge abgelehnt, berichtet Soltan Akbari: „Inzwischen
       kommen pro Tag mindestens zwei Personen zu uns, weil ihr Antrag abgewiesen
       wurde.“ Besonders hart sei der Umgang mit Familien, ergänzt Hosseini:
       Frauen werde Schutz gewährt, Männern nicht. „Das passiert auch bei
       Angehörigen der Hazara-Minderheit, die in Afghanistan unabhängig vom
       Geschlecht von Verfolgung bis hin zu Genozid betroffen sind.“
       
       ## „Nie wirklich Teil der Willkommenskultur“
       
       Eine Härte, die Kava Spartak seit Langem beobachtet: „Afghanische
       Geflüchtete wurden nie wirklich Teil der Willkommenskultur“, sagt Spartak,
       der mit dem [4][Verein Yaar] seit 2016 Geflüchtete berät. Afghan*innen
       würden systematisch von Teilhabe ausgeschlossen, etwa würden ihnen
       Sprachkurse verweigert. „Die Menschen sind verzweifelt. Sie haben Angst,
       dass sie überall, wo sie Schutz suchen, nur Ablehnung erfahren.“
       
       Und es werde nur schlimmer: Nach den von Geflüchteten begangenen Attentaten
       der vergangenen Monate würden geflüchtete Kinder in Schulen beleidigt, ihre
       Eltern erlebten Diskriminierung bei der Wohnungs- und Jobsuche und bei
       Behördenbesuchen, so Spartak. „In meiner Beratungsarbeit berichten mir die
       Menschen oft von ihrer Angst, dass sie pauschal als Mörder oder Kriminelle
       kategorisiert werden – dabei sind sie vor genau solchen Anschlägen und
       Gewalttaten aus ihren Herkunftsländern geflohen.“
       
       ## Doppelstandards bei Menschenrechten
       
       Bei dem Gespräch am Mittwoch wird auch deutlich: Eines der drängendsten
       Themen für Geflüchtete in Berlin ist die Unterbringung. „Die Situation ist
       heute noch prekärer als vor zehn Jahren“, sagt etwa Cornelia Rasulis von
       der [5][Beratungsstelle Yekmal]. Wegen der Wohnungsnot lebten
       [6][insbesondere Familien viel zu lange auf engem Raum in den Heimen].
       „Kleinkinder haben dort nicht einmal einen Teppich, auf dem sie krabbeln
       können – wegen der Brandschutzbestimmungen“, erzählt sie.
       
       Unerträglich sei die Situation vor allem für Frauen, kritisiert Rasulis:
       „Sie erleben viele Anmachen durch männliche Bewohner und männliches
       Personal.“ Hinzu kämen [7][Konflikte zwischen Gruppen]. Angesichts der
       Zustände fordert Rasulis, „keine Doppelstandards“ bei der Einhaltung der
       Menschenrechte zuzulassen.
       
       5 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Forscher-ueber-Einwanderungspolitik/!6068188
   DIR [2] https://etehadberlin.de/
   DIR [3] /Sicherheitspaket-und-die-Haerte-der-EU/!6041120
   DIR [4] https://yaar-ev.de/
   DIR [5] https://yekmal.de/
   DIR [6] /Bundesweit-groesste-Gefluechtetenunterkunft/!6018899
   DIR [7] /Gewalt-im-Ankunftszentrum-Tegel/!6024533
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hanno Fleckenstein
       
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