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       # taz.de -- Vertreibung von Palästinensern: Amerikaner in Gaza
       
       > Trumps Plan, die Bevölkerung im Gazastreifen kurzerhand auszutauschen,
       > stößt in Israel auf breite Unterstützung. Eine Lösung sieht anders aus.
       
   IMG Bild: Einen unendlichen Strom von Vertriebenen im Gazastreifen zeigt das Luftbild vom 27. Januar nach der Öffnung des Nordkorridors
       
       Kaum schweigen die Waffen im Gazastreifen, schon ziehen israelische
       Truppen in den unheilvollen Kampf im Westjordanland. Regierungschef
       Benjamin Netanjahu brüstet sich damit, ganze Straßenzüge zu zerstören.
       [1][Rund 40.000 Palästinenser wurden dort bereits vertrieben]. Eine fast
       harmlose Zahl angesichts der rund zwei Millionen obdachlosen Menschen im
       Gazastreifen.
       
       Seit den Anfängen des Zionismus hegten bekannte Namen, wie der Visionär des
       Judenstaates Theodor Herzl, Israels erster Ministerpräsident David
       Ben-Gurion oder der legendäre einäugige Verteidigungsminister Mosche Dajan
       Fantasien und gar Pläne für die Umsiedlung der einheimischen Bevölkerung.
       Sie gründeten auf Lebensraum- und Sicherheitserwägungen, die durch
       rassistische und religiöse Argumente untermauert wurden.
       
       Die derzeitige israelische Regierung hat sich besonders lautstark und
       unverblümt zu ethnischen Säuberungen zu Wort gemeldet. US-Präsident Donald
       Trump hat diesen Umsiedlungsträumen nun das Siegel der
       [2][US-amerikanischen Zustimmung] verliehen. Es überrascht daher nicht,
       dass einige Israelis begeistert sind.
       
       Bezeichnenderweise beschränkt sich die Euphorie für Trumps Plan nicht auf
       rechtsgerichtete jüdische Extremisten, sondern sie ist im gesamten
       politischen Spektrum Israels zu hören. Selbst [3][führende Politiker der
       Opposition] schließen sich dem Chor des Dankes an den großen Führer Trump
       an.
       
       ## Die Idee hatte der Schwiegersohn
       
       Bemerkenswert ist, dass Trump den Gazastreifen keinesfalls an Israel
       übergeben will. Stattdessen wollen die [4][USA das Küstengebiet übernehmen]
       und zu einer Riviera umgestalten. Trump verspricht, dass die USA für die
       Beseitigung aller gefährlichen Blindgänger und anderer Waffen auf dem
       Gelände verantwortlich sein werden. Er habe die Pläne [5][mit regionalen
       Führern] besprochen und sie unterstützten die Idee. Das allerdings dürfte
       Trump’sche Auslegung sein.
       
       Ein Zuhause für alle Menschen der Welt solle der Gazastreifen werden. „Die
       Riviera des Nahen Ostens …, das könnte so großartig sein.“ Bereits im
       vergangenen Oktober sprach Trump über den Gazastreifen als
       Immobilienprojekt, mit einem Potenzial, das an Monaco heranreiche. Es mag
       sein Schwiegersohn [6][Jared Kushner] sein, der ihm diese Idee unterbreitet
       hat. Schon im vergangenen Jahr machte Kushner seinen Schwiegervater auf die
       Grundstücke direkt am Mittelmeer aufmerksam.
       
       Damals war der Krieg zwischen der Hamas und Israel noch in vollem Gange,
       aber Kushner erkannte das Potenzial. Schließlich sei es auch im
       israelischen Interesse. Er jedenfalls betrachtet es als gute Lösung „die
       Menschen hinauszubewegen und dann aufzuräumen“. Trump und Kushner sprechen
       über die Gentrifizierung von Gaza: die Einheimischen hinausschmeißen.
       
       Wie Kushner bin ich Jude. Aber seine Faszination für den Gazastreifen als
       Profitcenter kann ich nicht teilen. Wir sprechen immerhin von zwei
       Millionen Menschen. Zwei Millionen Leben. Zwei Millionen Palästinensern,
       von denen die meisten Flüchtlinge der zweiten, dritten oder vierten
       Generation sind, die im Krieg von 1948 ihr Zuhause im Gebiet des heutigen
       Israel verloren haben und im Gazastreifen Zuflucht fanden. Seitdem hat
       Israel ihre Rückkehr in ihre alten Häuser und Dörfer verhindert.
       
       Nun hat Israel den [7][barbarischen Angriff der Hamas vom 7. Oktober]
       ausgenutzt und mithilfe amerikanischer Waffen und Munition sowie
       finanzieller und diplomatischer Unterstützung weite Teile des Gazastreifens
       zerstört. Und jetzt hofft man in Jerusalem, die Palästinenser aus dem
       Gebiet komplett zu vertreiben. Wohin? Das interessiert sie nicht. Nur weg.
       
       ## 80 Prozent für den Transfer
       
       Bevölkerungstransfers sind weder ein neues noch ein einzigartiges Phänomen.
       Doch mit ihrer eigenen Geschichte vertraute Deutsche sollten wissen, wie
       viel Leid und Traumatisierung Vertreibungen und Heimatverlust mit sich
       bringen. Die Neuregelung der Grenzen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
       führte zur Vertreibung und erzwungenen Umsiedlung von mehr als 12 Millionen
       Deutschen. Wir Juden haben eine besonders lange Geschichte der Verfolgung
       und Vertreibung, der erzwungenen Migration und Umsiedlung.
       
       Leid und Schmerz haben unsere Geschichte geprägt und unsere Identität
       geformt. Und dann zeigen [8][Umfragen] tatsächlich, dass 80 Prozent der
       israelischen Juden die ethnische Säuberung des Gazastreifens unterstützen.
       Ausgerechnet wir Juden, die wir im Laufe der Geschichte immer wieder unter
       Vertreibungen zu leiden hatten und denen die internationale Gemeinschaft
       die Möglichkeit gegeben hat, einen eigenen Staat zu gründen, vertreiben nun
       Menschen mit Waffengewalt aus ihren Häusern.
       
       Die Brutalität der Immobilienhändler, die bei dem Gedanken an profitable
       Rivieras ins Schwärmen geraten, überrascht mich nicht. Über die Zustimmung
       in Israel schäme ich mich aber zutiefst. Die Gründung des jüdischen Staates
       und sein Erfolg erfüllten viele Juden in der Diaspora mit großem Stolz. Sie
       werden jedoch nicht umhinkommen, sich früher oder später mit der Dissonanz
       zwischen ihren Werten und ihrer Loyalität gegenüber einem jüdischen Staat
       auseinanderzusetzen, dessen Verhalten genau diesen Werten widerspricht.
       
       Für viele wird dies eine schmerzhafte Entscheidung sein. Die Besetzung des
       Westjordanlands durch Israel, in dem sich Hunderttausende [9][jüdische
       Siedler] gemütlich einrichten, und ein Apartheid-ähnliches System stellen
       nicht nur viele Juden in der Diaspora vor ein moralisches Dilemma, sondern
       führen auch zu einem Anstieg des weltweiten Antisemitismus. Die jüdische
       Welt braucht dringend moralische Führungspersönlichkeiten, die uns den
       richtigen Weg weisen, von dem wir auf tragische Weise abgekommen sind.
       
       7 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kaempfe-im-Westjordanland/!6072230
   DIR [2] /-Nachrichten-im-Nahost-Konflikt-/!6068146
   DIR [3] https://www.ynetnews.com/article/r1fgg7ztje
   DIR [4] /Pietaetlose-Propaganda-aus-den-USA/!6068873
   DIR [5] https://www.youtube.com/watch?v=73POZu8bAkk
   DIR [6] /Kommentar-USA-und-der-Nahostkonflikt/!5526843
   DIR [7] /7-Oktober---ein-Jahr-danach/!6034819
   DIR [8] https://www.middleeastmonitor.com/20250206-80-of-israeli-jews-support-us-president-trumps-proposal-to-ethnically-cleanse-gaza-survey-finds/
   DIR [9] /Siedlungsbau-im-Westjordanland/!6043087
       
       ## AUTOREN
       
   DIR David Ranan
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