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       # taz.de -- 5 Jahre nach dem Attentat von Hanau: Erinnern als leere Geste
       
       > Vor fünf Jahren ermordete ein Rassist neun Menschen in Hanau. Fünf Jahre,
       > in denen viel versäumt wurde und die Hinterbliebenen alleingelassen
       > wurden.
       
   IMG Bild: Graffiti in Frankfurt am Main zum Gedenken an die Opfes des Mordanschlags in Hanau
       
       Fünf Jahre ist es her, dass eine psychisch kranke, rechtsextreme Person,
       die den Behörden bereits bekannt war, trotz schwerwiegender Warnzeichen
       weiterhin Waffen besitzen und damit Menschen ermorden konnte. Fünf Jahre
       ist es her, dass jahrelange Probleme bei der Polizei-Notrufstelle
       offenkundig wurden – und dennoch konnte Vili Viorel Păun in seiner
       Verzweiflung die Polizei nicht erreichen. Und fünf Jahre ist es her, dass
       Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtović durch eine Notausgangstür hätten
       fliehen können, doch diese Tür war verschlossen, und niemand hatte
       gehandelt.
       
       Fünf Jahre ist es her, dass [1][ein 43-jähriger Deutscher in Hanau neun
       Menschen erschoss], und nun [2][droht die Verjährung]. Fünf Jahre hatten
       die Behörden Zeit, die Vorgänge vollständig aufzuarbeiten. In diesen fünf
       Jahren hatten die Behörden genügend Zeit, Verantwortung zu übernehmen –
       doch sie ließen sie ungenutzt verstreichen.
       
       Nicht einmal eine Entschuldigung der Verantwortlichen wurde den Betroffenen
       zuteil: weder vom hessischen Innenminister Peter Beuth noch vom damaligen
       Polizeipräsidenten von Südosthessen, Roland Ullmann, oder dem
       Polizeidirektor im Main-Kinzig-Kreis, Jürgen Fehler.
       
       Statt zu trauern, mussten Angehörige und Überlebende kämpfen. Sie leisteten
       die Arbeit, die Behörden versäumten: eigene Ermittlungen, die Aufdeckung
       struktureller Probleme, das Benennen institutionellen Versagens. Sie
       suchten nach Spuren, forderten umfassende Ermittlungen und kämpften und
       kämpfen unermüdlich um Aufmerksamkeit – damit die Taten nicht in
       Vergessenheit geraten. Doch wieder einmal scheint das Interesse in
       Deutschland gering zu sein, sobald es um rechtsextreme Gewalt geht.
       
       Für die Angehörigen ist seit fünf Jahren klar: „[3][Die AfD] hat
       mitgeschossen.“ Denn genau deren Framing – das Gerede von „kriminellen
       Ausländern“ und „kriminellen Shisha-Bars“ – hat den Boden bereitet, auf dem
       solche Taten überhaupt erst entstehen konnten. Und es war der Täter von
       Hanau, der sich kurz vor dem Anschlag Reden von Björn Höcke, der
       AfD-Landtagsfraktion und Martin Sellner anschaute.
       
       Heute, fünf Jahre später, [4][sind die „Remigrations“-Fantasien eines
       Martin Sellner längst in der politischen Mitte angekommen] – sie gelten
       inzwischen als salonfähig und finden immer mehr Akzeptanz in der
       Gesellschaft. Die AfD ist längst ein regelmäßiger Gast in Talkshows, und
       die vielbeschworene Brandmauer gegen rechts scheint es kaum noch zu geben.
       
       Erinnern heißt verändern – das forderten die Überlebenden und
       Opferangehörigen des Anschlags in Hanau. Doch geschehen ist bisher nur
       wenig. Denn ohne konsequente Aufarbeitung, ohne Verantwortung derjenigen,
       die versagt haben – seien es Behörden oder Politiker*innen –, bleibt
       das Erinnern, wie es am heutigen Tag in Hanau gemacht wird, eine leere
       Geste.
       
       19 Feb 2025
       
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