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       # taz.de -- Sondierungen von Union und SPD: So nicht, sagen die Grünen
       
       > Die Ex-Regierungspartei lehnt das Sondervermögen und die Reform der
       > Schuldenbremse ab – zumindest wie Schwarz-Rot diese bisher vorschlagen.
       
   IMG Bild: Die Grünen fordern nachhaltige Investitionen statt Steuergeschenke
       
       Berlin taz | Es ist Montag, zwei Wochen nach der Wahl um Punkt zwölf Uhr,
       als die Grünen in der Opposition ankommen. Die Spitzen von Partei und
       Fraktion haben zu einer Pressekonferenz geladen, [1][um zu verkünden], dass
       sie dem [2][Vorschlag von Union und SPD] für ein Sondervermögen für
       Investitionen und eine Reform der Schuldenbremse nur fürs Militärische
       nicht zustimmen werden. „Wir stehen nicht dafür bereit, die Steuergeschenke
       von Union und SPD zu finanzieren“, sagte die Parteichefin Franziska
       Brantner.
       
       Eine Befürchtung der Grünen sowie vieler ÖkonomInnen: Mit dem
       Sondervermögen könnte die künftige Regierung andere ihrer Pläne finanzieren
       – etwa eine höhere Pendlerpauschale, die Mütterrente und billigen Diesel
       für Bauern. Das wäre der Fall, wenn ohnehin geplante Investitionen aus dem
       regulären Haushalt ins Sondervermögen verschoben würden.
       
       Diese Befürchtung wird dadurch genährt, dass die Sondierer von Schwarz-Rot
       bisher nicht erklärt haben, wie sie ihre angekündigten Herzensprojekte
       finanzieren wollen. Die Grünen sprechen von einer „Schatzkiste mit
       Spielgeld“, die sich Schwarz-Rot so erschaffe, ohne dass mehr Geld als
       bisher in die Infrastruktur investiert werde.
       
       Zwei weitere Kritikpunkte tragen die Grünen vor: Die Schuldenbremse nur für
       militärische Zwecke zu lockern, ist ihnen ein zu enger Begriff von
       Sicherheit. Sie wollen auch andere Posten wie die Ukrainehilfen aufnehmen,
       die nicht über den Verteidigungsetat laufen.
       
       ## Merz macht Politik auf der Mailbox
       
       Außerdem reicht es den Grünen nicht, das geplante Sondervermögen für
       [3][Investitionen ins Klima] zu öffnen. Diesen Vorschlag hatte Friedrich
       Merz der Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann am Wochenende auf der
       Mailbox hinterlassen.
       
       Damit klingen die Grünen deutlich konfrontativer als in den letzten Jahren.
       Aber die Grünen wären nicht die Grünen, wenn sie nicht einen eigenen
       Vorschlag mitgebracht hätten. Sie finden: Der neue Bundestag solle eine
       Reform der Schuldenbremse beschließen. Die Union müsste dafür mit der
       Linken ins Gespräch gehen. Dabei wissen die Grünen, dass Friedrich Merz
       lieber mit Angela Merkel in den Urlaub fahren würde, als das zu tun.
       
       Ganz aus ihrer Haut kommen die Grünen aber nicht heraus. Trotz ihrer
       [4][sehr grundsätzlich formulierten Absage] wollen sie weiter mit Union und
       SPD verhandeln – und zwar schon am Montagabend. Man habe zwar eine „klare
       Präferenz“ für eine Lösung im neuen Bundestag, so Bundesvorsitzender Felix
       Banaszak, und sehe „den Einigungsdruck bei Merz, Söder und Klingbeil“. Das
       Ziel sei aber, am Ende zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.
       
       Eine Abstimmung mit den Mehrheiten des alten Bundestags ist also nicht vom
       Tisch. Alles andere wäre auch absurd: Schließlich waren es die Grünen
       selbst, die nach der Wahl diese Option vorschlugen. Ihr
       Verantwortungsbewusstsein wollen die Grünen auch damit beweisen, dass sie
       parallel zu den Verhandlungen mit Union und SPD am Montagabend einen
       eigenen Gesetzentwurf „zur europäischen Sicherheit und Krisenresilienz“
       vorlegen wollen.
       
       ## Wie die CDU sich jetzt einschleimt
       
       Die Sondierer von Union und SPD reagierten auf das Nein der Grünen betont
       verständnisvoll. „Ich finde das völlig legitim, wenn die Grünen sagen: ‚Wir
       haben unsere Vorschläge‘“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Die
       Vorschläge der Grünen bezeichnete er als „konstruktiv“.
       
       Den Vorwurf, mit dem Sondervermögen wolle die Union ihre Wahlgeschenke
       finanzieren, wies Linnemann dagegen zurück. Er werde sicherstellen, dass
       dies wirklich für Investitionen eingesetzt würden. Zur Forderung der
       Grünen, dass die Union mit der Linken Gespräche aufnehmen sollte, sagte
       Linnemann, das sehe er nicht.
       
       CDU, CSU und SPD wollen von Donnerstag an in 16 Arbeitsgruppen zehn Tage
       lang über die Bildung einer Koalition verhandeln. „Wir haben keine Zeit zu
       verlieren“, sagte Linnemann.
       
       Auch SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil sagte, man nehme die Bedenken der
       Grünen ernst. Mehr Geld für die Länder und Kommunen, das kann man sich
       womöglich auch bei den Sozialdemokraten vorstellen.
       
       ## Warum es auch auf die Länder ankommt
       
       Am Wochenende hatten drei grüne Landesminister eine Stellungnahme
       veröffentlicht, in der sie die Zustimmung zur geplanten Grundgesetzänderung
       von drei Punkten abhängig machen. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal
       Bayaz, die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und
       Björn Fecker, Finanzsenator aus Bremen, schrieben, künftig müssten die
       Kosten für Verteidigung bis zu einer Höhe von 1,5 Prozent des
       Bruttoinlandsprodukts aus dem Haushalt finanziert werden und nicht nur bis
       zu 1 Prozent. Man dürfe den Druck für Effizienz in der Beschaffung nicht
       verringern.
       
       Schwer zu kontrollieren wird der zweite Kritikpunkt sein. Die drei
       Länderminister fordern, das Sondervermögen dürften nur in zusätzliche
       Infrastrukturprojekte investiert werden, nicht in „Wunschprojekte“ der
       neuen Koalition. Zuletzt fordern Bayaz, Neubauer und Fecker, dass die
       Länder mit einem höheren Betrag am Sondervermögen beteiligt werden müssten.
       Obwohl die Länder und Kommunen über 60 Prozent der Infrastrukturmaßnahmen
       erbringen, sollten sie nur 100 Milliarden erhalten. Es sollte doppelt so
       viel sein, verlangen die Landesminister.
       
       Bayaz’ Position, davon kann man ausgehen, wird vom
       Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann geteilt. Falls sich die
       Länder im Bundesrat enthalten, würde das wie eine Neinstimme gezählt
       werden. Der Zeitdruck verschafft den Ländern also ein Druckmittel.
       
       Die Verhandlungen zwischen Grünen, SPD und Union dürften indes schwierig
       werden. Die grüne Haushaltspolitikerin Paula Piechotta sagte der taz:
       „Friedrich Merz hat versprochen, nie mit der AfD zu stimmen, und dieses
       Versprechen gebrochen. Er hat das Beibehalten der Schuldenbremse bis zur
       Wahl versprochen und dieses Versprechen direkt nach der Wahl gebrochen. Das
       Wort von Friedrich Merz ist nichts wert.“
       
       ## Die Grünen müssen sich auf Merz verlassen
       
       Beim Blick in den Gesetzentwurf von Union und SPD wird klar, warum dies die
       Verhandlungen besonders schwer macht. Zur Frage, wofür das Sondervermögen
       verwendet wird, steht da der Satz: „Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“
       Stimmen die Grünen der Grundgesetzänderung also zu, müssten sie sich wohl
       auf das Wort von Friedrich Merz verlassen, dass dieser seine Pläne nicht
       ändert.
       
       [5][Die Linke hat unterdessen in einem Eilverfahren vor dem
       Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht.] Das teilten die Vorsitzenden
       der Linkengruppe Heidi Reichinnek und Sören Pellmann mit. Mit der Klage
       solle erreicht werden, dass der neue Bundestag sich bereits ab dem 14. März
       konstituiert. Die geplante Grundgesetzänderung verletze nach Auffassung der
       Linken das Recht auf Ausschöpfung der Wahlperiode, so Pellmann.
       
       Ob auch konkret gegen den Gesetzentwurf von Schwarz-Rot geklagt werden
       soll, prüfe die Linke noch. „Wir begrüßen, dass die Grünen angekündigt
       haben, dem nicht zuzustimmen, und hoffen sehr, dass sie dabei bleiben und
       keinen dreckigen Deal eingehen“, sagte Reichinnek. „Was Union und SPD
       machen, ist ein Blankoscheck für Aufrüstung. Das lehnen wir ab.“
       
       ## Die Linke will keinen Blankoscheck für Aufrüstung
       
       Die Linkspartei spricht sich weiter für die komplette Abschaffung der
       Schuldenbremse aus. Eine mögliche Aufteilung der Verfassungsänderungen
       unter altem und neuem Bundestag sieht die Partei kritisch: „Wenn es eine
       zwingende Verknüpfung mit Militärausgaben gibt, werden wir wahrscheinlich
       nicht zustimmen können“, sagte Pellmann.
       
       Am Donnerstag soll der Bundestag über den Gesetzentwurf debattieren. Mit
       einer Einigung von SPD, Grünen und CDU bis dahin wird nicht gerechnet. Es
       bleibt viel zu besprechen, mehr, als auf die Mailbox von Britta Haßelmann
       passt. Die Grünen müssen sich wohl noch eine Weile im Spagat üben, zwischen
       ihrer neuen Oppositionsrolle und ihrer Rolle im alten Bundestag.
       
       10 Mar 2025
       
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