# taz.de -- Schuldenpaket für die nächste Generation: Hoffen auf das Wachstum von morgen
> Die junge Generation wird nicht unter den Billionen Euro neuer Schulden,
> die die Regierung aufnehmen will, leiden, sagt die Organisation
> FiscalFuture.
IMG Bild: An diesem Donnerstag findet die erste Lesung des Gesetzes über die teilweise Aufhebung der Schuldenbremse im Bundestag statt
Berlin taz | Carl Mühlbach ist 28 Jahre alt. Vermutlich wird er noch 40
Jahre arbeiten und in dieser langen Zeit für die Schulden mitverantwortlich
sein, die die älteren Herrschaften der neuen Regierung gerade beschließen.
Denn die heute jungen Leute müssen künftig die Steuern aufbringen, [1][mit
denen die Zinsen für die neuen Kredite bezahlt werden.]
Trotzdem ist Mühlbach entspannt. [2][Das Finanzprogramm von Friedrich Merz
(CDU) und Lars Klingbeil (SPD)] hält er für „eine großartige Nachricht für
junge Menschen“. Ja, räumt der Wirtschaftswissenschaftler ein,
„Staatsverschuldung verursacht auch Kosten“. Unter dem Strich sei es für
seine Generation aber teurer, „wenn die kommende Regierung keine
zusätzlichen Schulden aufnähme und nicht investierte“. Schlechte Straßen
und Bahnlinien, glaubt er, würden ihn dann in 20 Jahren viel Zeit kosten.
„Steuern sind ein fairer Preis für eine gute öffentliche Infrastruktur.“
Höhere Verteidungsausgaben hält Mühlbach für ebenfalls geboten. Mühlbach
selbst ist SPD-Mitglied, wenngleich nicht in der Partei aktiv. Früher
arbeitete er zeitweise im Büro eines SPD-Bundestagsabgeordneten und im
Bundesfinanzministerium, als der Hausherr dort Olaf Scholz hieß.
## Gesteigerte Produktivität soll Schulden bezahlen
Die Verschuldung des deutschen Staates wird den Beschlüssen von Union und
SPD zufolge in der Größenordnung von 60 Prozent steigen. Momentan liegt sie
bei etwa 2,5 Billionen Euro (2.500 Milliarden). In zehn Jahren könnten es
rund 4 Billionen Euro sein. Genau weiß man das noch nicht. Aber der Plan
läuft darauf hinaus, zusätzliche Kredite von 500 Milliarden Euro für zivile
Investitionen aufzunehmen und vielleicht 1.000 Milliarden für Militär.
[3][An diesem Donnerstag findet die erste Lesung des Gesetzes] über die
teilweise Aufhebung der Schuldenbremse im Bundestag statt.
„Muss das irgendwann jemand bezahlen, wir vielleicht?“, fragen sich 20- und
30-Jährige. Das ist eine der Fragen, mit denen sich auch die Organisation
FiscalFuture (finanzielle Zukunft) beschäftigt, die Carl Mühlbach 2021 mit
einigen Mitstreiter:innen gegründet hat. Sie bezeichnet sich als
„überparteilich“ und will Finanzpolitik gezielt aus der Perspektive junger
Menschen bearbeiten. Wenn Mühlbach neue Schulden gegen „gute Infrastruktur“
abwägt, geht es ihm um einen zentralen Begriff: Produktivität.
Die Effektivität von staatlicher Verwaltung, öffentlichen Netzen und
privaten Unternehmen sei der wesentliche Quell von Wohlstand. Nur wenn
möglichst viele Produkte und Dienstleistungen reibungslos, rationell und
mit moderner Technik hergestellt werden, bleibe künftig genug Geld übrig,
um Schulen, Theater, Krankenhäuser, Bürgergeld und Militär zu finanzieren,
so glaubt seine Organisation.
Tatsächlich lautet der fast einhellige Befund heute: In den vergangenen 20
Jahren investierte Deutschland viel zu wenig, um dieses Ziel zu erreichen.
Aber hat der junge Ökonom nicht Angst, dass ihm und seiner Generation die
Schulden über den Kopf wachsen? „Da mache ich mir keine Sorgen“, sagt
Mühlbach, „denn Investitionen führen zu mehr Wachstum.“ Dann nehme das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) stärker zu als ohne die geplanten Ausgaben.
Langfristig könne man deshalb davon ausgehen, „dass der Schuldenstand im
Verhältnis zur Wirtschaftsleistung wieder sinkt“, erklärt er. „Meine
Generation macht dann ein gutes Geschäft.“
## Wachstum ist nicht nur positiv
Doch spricht nicht die mögliche Inflation dafür, mit neuen Krediten
vorsichtig umzugehen? Der Mechanismus könnte so aussehen: Die große
staatliche Finanzspritze erhöht die Nachfrage nach Produkten und
Dienstleistungen so, dass sie das Angebot übersteigt. Ergebnis: Die
Unternehmen können die Preise erhöhen. Mühlbach aber glaubt: „Die deutsche
Wirtschaft ist nicht ausgelastet und kann eine zusätzliche Nachfrage gut
absorbieren.“
Ob der Finanzexperte richtig gelegen haben wird, weiß man vielleicht in
zehn Jahren. Die Mehrheit der Ökonom:innen, die sich zurzeit politisch
äußern, unterstützen seine Position. Aber es gibt auch Gegenstimmen wie die
des Freiburger Wirtschaftsprofessors und FDP-Beraters Lars Feld, der vor
hohen Zinskosten und Inflation warnt. Auch ein grundsätzlicher Einwand
bleibt. Die Schulden von heute erzwingen das Wachstum von morgen. Ohne das
Prinzip des „Immer mehr“ funktioniert die Kalkulation nicht.
12 Mar 2025
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## AUTOREN
DIR Hannes Koch
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