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       # taz.de -- Leverkusen unterliegt dem FC Bayern: Hektik verliert gegen Ruhe
       
       > Bayer Leverkusen ist auch im Rückspiel gegen den FC Bayern chancenlos. Es
       > fehlt an Substanz im Kader. Die Münchner freuen sich auf Inter Mailand.
       
   IMG Bild: Trainer und Seelsorger Xabi Alonso kümmert sich um den enttäuschten Jonathan Tah
       
       Vincent Kompany lag schon richtig, als er die Aufmerksamkeit nach dieser
       beeindruckenden Demonstration der Stärke des FC Bayern München weg von
       seiner Person auf die Spieler lenken wollte. Die mit 2:0 in Leverkusen
       gewonnene Partie, die auf ein glasklares 3:0 im Hinspiel gefolgt war, wurde
       „auf dem Platz entschieden und nicht an der Linie“, sagte der Münchner
       Trainer.
       
       Und tatsächlich war Harry Kane in beiden Partien brillant, das Kollektiv
       verteidigte fast fehlerlos, „seriös“ habe der Rekordmeister gespielt, sagte
       Leverkusens Trainer Xabi Alonso. Das war genug für diesen Erfolg, der auch
       wichtig war, um die nationalen Machtverhältnisse zu klären. Aber eine
       Trainerdimension hatte dieses Spiel schon auch, und da war dann eben doch
       Kompany der große Sieger.
       
       Der frühere Weltklasseverteidiger hat ein besseres Timing gefunden, jetzt,
       wo es darauf ankommt, sind die Bayern voll da, während Bayer 04 „in den
       letzten zehn Tagen von einem kleinen Formtief erwischt“ worden ist, wie
       Lukas Hradecky, der Torhüter der Werkself, einräumte. Vor allen Dingen aber
       hat dieser ebenso lässige wie klar denkende Kompany mit erstaunlicher
       Schärfe die Unterschiede zwischen dem FC Bayern München und Bayer
       Leverkusen sichtbar gemacht.
       
       Während der Doublegewinner des Vorjahres tatsächlich vor allen Dingen eine
       Trainermannschaft ist, [1][die passende Einfälle Alonsos benötigt,] ist der
       FC Bayern ein Team der Spieler. Kompanys Fußball ist nicht von immer neuen
       Innovationen geprägt, er bereitet seine Mannschaft auf Gegner vor, versucht
       den Spielern mit seinen Impulsen zu helfen, glaubt aber nicht, der
       entscheidende Faktor zu sein. Alonso hingegen hatte sich für dieses
       Rückspiel abermals etwas Neues einfallen lassen: eine Art Reanimation
       [2][des Roger-Schmidt-Fußballs,] der vor zehn Jahren einmal in Leverkusen
       gespielt worden ist.
       
       ## Bewusste Ungeduld
       
       „Wir wollten ein bisschen direkter sein. Nicht mit so viel Geduld spielen“,
       sagte Alonso, „wir wollten fast keine Kontrolle, wir wollten Hektik.“ Mit
       diesem Stil, der Zufälle provoziert und der bestenfalls ein Stadion
       emotionalisiert, weil es viele mitreißende Zweikämpfe gibt, hat die
       gegenwärtige Leverkusener Mannschaft jedoch kaum Erfahrungen. Die Bayern
       hatten wenig Mühe, die Lage zu kontrollieren. Kein Münchner ließ sich durch
       chaotische Momente zu Fehlern verleiten, sogar der junge Torhüter Jonas
       Urbig strahlte Ruhe und Selbstvertrauen aus.
       
       Der vielleicht größte Unterschied zwischen Bayer Leverkusen und Bayern
       München in diesem März besteht darin, dass die Rheinländer nicht genug
       Substanz im Kader haben, um sich auf die Spieler und ihre fußballerische
       Stärke zu verlassen. [3][Erst recht nicht, wenn Florian Wirtz verletzt
       fehlt.] Das war im Hinspiel an den individuellen Fehlern erkennbar und im
       Rückspiel an der Wirkungslosigkeit von Leuten wie dem blassen
       Rechtsverteidiger Arthur, an dem auf diesem Niveau überforderten Stürmer
       Patrik Schick oder an Aleix Garcia, der Wirtz vertrat. „Natürlich war es
       so, dass Xabi Alonso und seine Truppe in den vergangenen 18 Monaten
       Herausragendes geleistet haben“, sagte der Münchner Sportdirektor Max
       Eberl, „aber jetzt sind wir wieder da.“
       
       Aus Münchner Sicht ist also etwas geradegerückt worden, das Gefüge der
       Bundesliga ist repariert, auch wenn Vincent Kompany sagte: „Wir haben in
       den letzten Jahren keine Ruhe bekommen von Leverkusen. Ich glaube, das wird
       auch in Zukunft so bleiben. Mein Gefühl sagt, dass dieses Duell noch nicht
       vorbei ist.“
       
       Selbstverständlich ist das jedoch keinesfalls. „Berlin, Berlin, wir fahren
       nach Berlin“, sangen die Leverkusener Fans unmittelbar nach dem Abpfiff,
       als würden sie sich nach dem Ausflug in die Phalanx des Weltklassefußballs,
       die von Leuten wie Alonso und Wirtz repräsentiert wird, wieder Gefilden
       zuwenden, in denen sie sich irgendwie heimischer fühlen. Noch ist unklar,
       ob sich Bayer Leverkusen dauerhaft als Meisterschaftsaspirant in der
       Bundesliga und Teilnehmer an der K.-o.-Phase der Champions League
       etablieren kann. Oder ob doch ein tieferer Sturz folgt, da ja absehbar ist,
       dass der Trainer und die besten Spieler – wenn nicht in diesem Jahr, dann
       im Sommer 2026 – weiterziehen werden.
       
       Die Bayern hingegen haben sich genau im richtigen Moment gefunden. Nach
       Jamal Musiala wird sehr bald auch Joshua Kimmich seinen Vertrag verlängern.
       Kane blüht wieder auf, der Trainer passt, vielleicht wurde in Urbig sogar
       endlich der passende Nachfolger für Manuel Neuer gefunden. Und Inter
       Mailand ist ein aufregender Gegner für das anstehende Achtelfinale. „Jetzt
       sind alle Mannschaften auf Augenhöhe“, erklärte Eberl, womit er indirekt
       auch sagte: Der Gegner in diesem Achtelfinale zählte nicht zu den größten
       Herausforderungen, die auf dem Weg ins Finale bewältigt werden müssen.
       
       12 Mar 2025
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Theweleit
       
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