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       # taz.de -- Kontroverse um Elon Musk: Warum ich mir trotz allem einen Tesla kaufe
       
       > Auf einem Roadtrip durch Island hat sich die Autorin in einen Tesla
       > verliebt – und kaufte sich einen. Für Empörung hat sie nicht viel
       > Verständnis.
       
   IMG Bild: Ein Tesla Y-Modell (hier in anderem Rotton) sollte es sein
       
       Ich habe mir einen Tesla bestellt. Er ist nagelneu, Modell Y, außen
       kirschrot, innen schwarz. Eigentlich freue ich mich wie ein kleines Kind
       darüber. Doch immer wieder werde ich aufgefordert, meine Kaufentscheidung
       zu rechtfertigen. „Du hast was?!“, werfen mir Freunde und Kollegen mit
       empörten Blicken entgegen.
       
       Ob ich das nicht verwerflich fände, wegen Elon Musk, Trumps rechtsrechter
       Hand im Weißen Haus.
       
       In der Wirtschaft wie in der Kultur stellen wir uns die Frage nach
       moralischer Verantwortung. Sollte man aufhören, sich bestimmte Kunst
       anzusehen, wenn sich ein Künstler politisch unkorrekt äußert? Dann
       bestimmte Musik nicht mehr spielen oder hören? Die Klamotten bestimmter
       Marken in den Müll schmeißen, weil sich eine Marke als „böse“ herausstellt?
       
       Musk steht in der Öffentlichkeit und bietet seinen Kritikern damit die
       perfekte Angriffsfläche. Gleichzeitig besitzen die Empörten dann iPhones,
       Klamotten von Shein oder unnötige Gadgets von Alibaba, die unter
       menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen gefertigt wurden. Oder kaufen
       Demeter-Produkte, obwohl [1][führende Funktionäre des Verbands
       NS-Verbindungen hatten]. Nutzen die Empörten vielleicht sogar noch PayPal?
       Dessen Vorgängerunternehmen wurde auch von Musk gegründet. Oder ChatGPT?
       Bei OpenAI war er auch anfangs mit im Boot.
       
       ## Die Alternative wäre ein Leben im Wald
       
       Bei all den genannten Produkten gibt es freundliche Alternativen, werden
       einige sagen. Sicher? Solange wir von Unternehmen sprechen, werden wir bei
       allen irgendwann irgendwelche Leichen im Keller finden, wenn wir genau
       hinsehen. Und wo ziehen wir die Grenze? Bis wohin sind bestimmte Produkte
       in Ordnung und ab wann moralisch verwerflich? Ist Korruption okay?
       Ausbeutung in Ländern des Globalen Südens? Menschen mit Nazivergangenheit
       in den Chefetagen? CEOs, die bestimmte Parteien unterstützen?
       
       Solange wir konsumieren, werden wir Dinge kaufen, die uns negativ ausgelegt
       werden könnten. Und solange sich die Menschen, die sich [2][über meinen
       Tesla-Kauf echauffieren], nicht in den Wald zurückziehen, ihr Essen selbst
       anbauen, ihre Kleidung selbst herstellen und komplett im Einklang mit der
       Natur leben, ist es scheinheilig, wenn sie sich über meine Kaufentscheidung
       empören.
       
       [3][Gegen Teslas zu sein], ist Zeitgeist. Man ist gegen Musk, also ist man
       gegen Tesla. Dabei haben die individuellen Vorzüge, die ich mit dem Auto
       verbinde, nichts mit Politik zu tun. Für einen Sticker mit dem Spruch
       „Bought it before he went crazy“, wie er jetzt auf Teslas in den USA
       auftaucht, ist es eh zu spät. Sollte ich darauf hoffen, dass andere mir
       glauben, dass ich meine Kaufentscheidung getroffen habe, bevor er „crazy“
       wurde, aber halt jetzt erst das Geld habe?
       
       ## Es geschah auf Island
       
       Ich kaufe einen Tesla, weil mir das Auto einfach verdammt gut gefällt. Weil
       es durchdacht und intuitiv zu bedienen ist. Wegen des Camping-Modes und
       meiner Erfahrung bei einem Roadtrip auf Island. In den letzten Jahren hatte
       ich die meisten Kilometer – 15.000 bis 20.000 jährlich – in meinem gelben
       rostigen Postbus zurückgelegt. Ich war zuvor noch nie E-Auto gefahren und
       wollte mir jetzt selbst ein Bild von Teslas machen.
       
       Anfang 2024 mietete ich mir einen Tesla Y in Reykjavik, für zehn Tage. Die
       Rücksitze waren eingeklappt, von ihnen zog sich über die gesamte Fläche bis
       zum Kofferraum eine Matratze. Auf vereisten Straßen erkundete ich die
       verträumt-verschneite Landschaft rund um die Ring-Road. Die Soundanlage war
       Hammer. Die Sitze waren gemütlich. Das Auto kam nicht ins Rutschen.
       
       Abends stellte ich den „Camping-Mode“ auf 18 Grad, schlief windsicher und
       geschützt vor dem Schneesturm und bei -10 Grad Celsius Außentemperatur im
       Warmen. Dank der Luftfilter beschlug nichts – das kannte ich aus meinem T5
       nicht. Ich war begeistert.
       
       Hätte meine Begeisterung nach der US-Wahl Hass und Scham weichen sollen?
       
       Fest steht, dass Menschen sich gerne empören. Indem sie sich von anderen
       abgrenzen, schaffen sie einen moralischen Konsens. Der Feind meines Feindes
       ist mein Freund, heißt es. Doch was, wenn ich in vielen Punkten mit meinen
       „Freunden“ übereinstimme und in diesem einen nicht?
       
       Ich habe mir einen Tesla bestellt. Trotz allem.
       
       12 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Klaudia Lagozinski
       
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