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       # taz.de -- Tarifverhandlungen bei CFM: Die verlorene Tochter
       
       > Die Beschäftigten des Charité-Tochterunternehmens verdienen deutlich
       > weniger als beim Mutterkonzern. Verdi will eine Angleichung erstreiken.
       
   IMG Bild: Haben keine Lust mehr, auf Versprechungen zu warten: CFM-Mitarbeitende beim Warnstreik am 6. März
       
       Berlin taz | „Natürlich habe ich keinen Bock, ein Krankenhaus zu
       bestreiken“, sagt Marcel. Der Dreißigjährige möchte seinen vollen Namen
       nicht in der Zeitung lesen, arbeitet seit zwei Jahren als Kältetechniker an
       der Charité, sorgt dafür, dass Klimaanlagen für die Intensivstationen und
       Kühlsysteme für empfindliche Medikamente unterbrechungslos funktionieren.
       „Aber es gibt Kolleginnen, die sich die Miete nicht mehr leisten können.“
       
       Marcels täglicher Arbeitsort ist die Charité, beschäftigt ist der
       Kältetechniker aber bei einem Tochterunternehmen des landeseigenen
       Krankenhauskonzerns, der [1][Charité Facility Management (CFM)]. Die
       Beschäftigten der CFM werden deutlich schlechter bezahlt als ihre
       Kolleg:innen beim Mutterkonzern. Deswegen fordert die
       Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in den aktuell laufenden
       Tarifverhandlungen eine Angleichung.
       
       Auch die letzte Verhandlungsrunde am Montag brachte keinerlei Fortschritte.
       Obwohl es schon der dritte Termin war, habe die Arbeitgeberseite kein
       konkretes Angebot vorgelegt, berichtet Gewerkschaftssekretärin Gisela
       Neunhöffer: „Es gibt eine absolute Verweigerungshaltung der Chefetage.“
       
       Verdi fordert eine volle Eingliederung der CFM-Beschäftigten [2][in den
       Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvÖD)], der auch für die
       Pfleger:innen der Charité gilt. Doch die Unterschiede sind teilweise
       beträchtlich. Verdi selbst beziffert den Gehaltsunterschied zum TvÖD auf
       durchschnittlich 20 Prozent. Die Unternehmensleitung spricht sogar von
       Lohnkostensteigerungen von mehr als 40 Prozent, sollte sich Verdi mit der
       Forderung durchsetzen.
       
       ## Verhandlungen festgefahren
       
       Gehaltserhöhungen in der Höhe würden zu einer „Existenzgefährdung der CFM“
       führen, sagt Geschäftsführerin Juliane Kaufmann bei einem Pressegespräch am
       Donnerstag.
       
       Die rund 3.500 CFM-Beschäftigten erledigen in der Charité alle Aufgaben,
       die nicht Teil der direkten Krankenversorgung sind: Reinigung, Sicherheit,
       Krankentransport, Sanitär- und Hausmeisterdienstleistungen, Sterilisierung
       von medizinischem Gerät und noch vieles mehr. „Das sind Kolleginnen und
       Kollegen des Krankenhauses, keine externen Dienstleister“, sagt Neunhöffer.
       Sie als schlechter qualifizierte Mitarbeiter zweiter Klasse darzustellen,
       wie es die ungleiche Bezahlung nahelegt, sei ein „Schlag ins Gesicht für
       die Kolleginnen“.
       
       Das Unternehmen argumentiert, es würde vergleichsweise gute Löhne zahlen:
       „Derzeit liegt der Entgelttarifvertrag der CFM im Vergleich, beispielsweise
       in der Reinigung, Sicherheit und Catering über dem Branchentarif“, sagt
       Geschäftsführerin Kaufmann.
       
       Doch für Gewerkschaftssekretärin Neunhöffer hinkt der Vergleich:
       „Krankenhausreinigung ist nicht nur Besenschwingen im Büro, das ist
       Desinfektion, Blut, Schweiß, Kot und Erbrochenes.“
       
       ## Überbleibsel aus Sparjahren
       
       Kältetechniker Marcel berichtet, dass es aufgrund der im Unternehmen
       weitverbreiteten Teilzeit es sogar Kolleg:innen gäbe, die am Ende des
       Monats kaum noch genug Geld zum Essen hätten. „Wenn du 1.600 Euro bekommst
       und 1.000 Euro für Miete draufgeht, bleibt da nicht mehr viel.“
       
       Das Tochterunternehmen ist ein Überbleibsel aus den Sparjahren der 2000er
       Jahre. Damals sollte der Betrieb der landeseigenen Krankenhäuser
       kosteneffizienter gestaltet werden. Eine Maßnahme war, die Aufgaben der
       CFM, die zuvor von rund 200 externen Kleinfirmen erbracht worden sind, in
       einem Unternehmen zu bündeln.
       
       2006 gründete der Senat zusammen mit einem Konsortium privater Großkonzerne
       die CFM. [3][Das Lohnniveau orientierte sich schon damals am untersten Ende
       der Lohnskala], die Arbeitsbedingungen standen oft in der Kritik.
       
       Rund 1.000 Mitarbeitende wurden damals aus der Charité ausgelagert und
       erstritten erfolgreich weiterhin nach TvÖD bezahlt zu werden. Die Regelung
       galt allerdings nicht für Nachbesetzungen, wodurch von diesen 1.000
       TvÖD-Beschäftigten nur noch 250 in der CFM arbeiten. So ist es weiterhin
       der Fall, das Kolleg:innen für die gleiche Arbeit im gleichen
       Unternehmen sehr unterschiedliche Gehälter bekommen. „Teilweise bekommt
       jemand 700 Euro mehr für die gleiche Tätigkeit“, erzählt Marco.
       
       Schon 2016 versprach der damals Rot-grün-rote-Senat die Wiedereingliederung
       des Tochterunternehmens in die Charité. 2019 übernahm Berlin zumindest die
       Anteile des privaten Konsortiums, eine Angleichung der Löhne erfolgte
       jedoch nicht.
       
       ## Gebrochene Versprechen
       
       Die versprach allerdings Kai Wegner, die CFM solle „schnellstmöglich“ Teil
       der Charité werden, heißt es im Koalitionsvertrag. Doch passiert ist
       seitdem wenig. Die Senatsverwaltungen gründete eine
       verwaltungsübergreifende Arbeitsgruppe, die Wege zur Wiedereingliederung
       diskutieren sollte. Deren Abschlussbericht stellte die Kommission vor
       wenigen Wochen fertig, nur veröffentlicht wurde er nicht. Auf eine Anfrage
       der taz reagierte die Senatsverwaltung nicht.
       
       Schmerzhaft deutlich wurde der Wortbruch, als den Charité- und
       Vivantesbeschäftigten 2023 ein Inflationsausgleich von 3.000 Euro
       ausgezahlt wurde – die CFM-Mitarbeiter:innen aber mit 115 Euro abgespeist
       wurden. „Das alles führt dazu, dass wir uns mittlerweile nur noch verarscht
       vorkommen“, sagt Marcel.
       
       „Der Senat duckt sich weg“, kritisiert Gewerkschaftssekretärin Neunhöffer.
       Aber die Beschäftigten seien nicht bereit, länger auf die Versprechungen zu
       warten. Verdi kündigte den laufenden Tarifvertrag zum Jahresanfang und will
       die Lohnangleichung durch Arbeitskampf erstreiten.
       
       In der vergangenen Woche gab es bereits einen Warnstreik. Auch einen
       unbefristeten Streik schließt Verdi nicht aus, sollte sich in der nächsten
       Verhandlungsrunde am 25. März wieder nichts bewegen.
       
       Unterstützung dafür kommt aus der Zivilgesellschaft. Die Bündnisse „Berlin
       steht zusammen“ und „Gesundheit statt Profite“ [4][sammeln gerade mit einer
       Spendenkampagne Geld], um die Streikenden zu unterstützen. Denn die
       Bezahlung sei derzeit so niedrig, dass viele Kolleg:innen mit dem
       Streikgeld nicht lange zurechtkämen, sagt CFM-Mitarbeiter Marcel.
       
       14 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://cfm-charite.de/
   DIR [2] /Tarifkonflikt-im-oeffentlichen-Dienst/!6074197
   DIR [3] /Interview-mit-CFM-Streikposten/!5107477
   DIR [4] https://www.gofundme.com/f/streikunterstutzung-fur-die-beschaftigten-der-cfm
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Wahmkow
       
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