# taz.de -- Die CDU unter Merz: Wo ist dein bräsig-beständiger Konservatismus geblieben?
> Die CDU gehörte zum BRD-Inventar wie Eierlikör und Jägerzäune. Nie zuvor
> war sie mir so wichtig wie jetzt in der nostalgischen Rückschau. Ein
> Brief.
IMG Bild: Ach ja, damals, in der guten alten BRD: Nach seinem Abschied als CDU-Generalsekretär 1989 wurde Heiner Geißler nachdenklicher
[1][Liebe CDU], du wunderst dich bestimmt darüber, dass ich dir schreibe.
Ich mich auch … Ich fand deine Marotten immer etwas seltsam, dieses
[2][Klammern an den Paragrafen 218], an Gymnasien und niedrigen
Spitzensteuersatz, aber konservativ heißt nun einmal, auf Biegen und
Brechen an etwas festzuhalten.
Ansonsten warst du mir egal. Es gab dich halt, so wie Jägerzäune und
Eierlikör, wie sie gehörtest du zum BRD-Inventar. Aber die BRD gibt es
schon lange nicht mehr und bei dir bin ich mir nicht sicher. Ist das noch
der bräsig-beständige Konservatismus, der die Nazis in den eigenen Reihen
platt gesessen hat, oder schon [3][irrlichternder Trumpismus?]
Ich habe mal gelesen, wie man etwas in der nostalgischen Rückschau erst
erschafft. Der deutsche Wald, den die Romantiker so beschwärmten, [4][soll
in den Kriegen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts abgeholzt] worden sein
und gar nicht mehr existiert haben, als er exzessiv besungen und gemalt
wurde. Ob das auch für dich gilt? Nie zuvor habe ich mich so für dich
interessiert, so viele Artikel über dich gelesen und über dein Wesen
gegrübelt.
Ich kann mich auch nicht daran erinnern, jemals mit so viel Wärme an Grüne
oder SPDler der Vergangenheit gedacht zu haben wie heute an Rita Süssmuth,
Heiner Geißler, Ruprecht Polenz und Wolfgang Schäuble. Irgendwie gehört
auch [5][die Oma gegen rechts, Angela Merkel], in die Reihe, auf ihre sehr
eigene Weise.
Immerhin leben drei von ihnen noch und [6][Roderich Kiesewetter bleibt im
Bundestag]. Kluge Politiker:innen, die das Christlich-Demokratische ihrer
Partei nicht nur behaupten. Aber ist das, wonach ich mich sehne, eine
Projektion, die CDU ein deutscher Wald? Soll es endlich wieder so werden,
wie es nie war?
## Kohl mochte auch keine linksgrünen Spinner
Ich höre dich Sachen sagen und tun, die ich kaum glauben kann. Du weißt
schon, linke und grüne Spinner, die nicht alle Tassen im Schrank hätten,
wenn sie für das Menschenrecht auf Asyl und gegen Abstimmungen mit der AfD
demonstrieren, und für die man als Bundeskanzler keine Politik machen
brauche.
[7][Kleine Anfragen zur Finanzierung von „Schattenstrukturen“], die darauf
abzielen, zivilgesellschaftliche Organisationen zu diskreditieren. Und
Bremens Bundestagsabgeordneter [8][Thomas Röwekamp, der nicht mal mehr mit
dem öffentlich-rechtlichen Sender Radio Bremen sprechen will], weil ihm der
zu „links-grün“ ist.
Klar, Helmut Kohl hatte für unsereins auch nichts übrig, aber da bekamen
die rechts-braunen Spinner ja noch kein Fünftel aller Stimmen bei einer
Bundestagswahl und in einigen Wahlkreisen knapp 50 Prozent. Es gab auch
keine gezielten Kampagnen gegen „System-Medien“, [9][keine offenbar aus
Russland gesteuerten Angriffe auf westliche Journalist:innen], und wenn
jemand log, behauptete er oder sie nicht, alternative Fakten zu verbreiten.
Aber ich schreibe dir nicht, um dir Vorwürfe zu machen. Sondern um mich
dafür zu entschuldigen, dass ich dir nie gezeigt habe, wie viel du mir
bedeutest. Ich weiß nicht, wie viele Hunderte deiner Pressemitteilungen ich
ignoriert habe.
Ich könnte mich rausreden und sagen, das lag daran, dass ich deine Angst
vor Messerangriffen nicht teile und du für das Thema bei der anderen
Lokalzeitung ja stets ein offenes Ohr findest. Oder dass mir dein
aufgeregtes Geschrei, Bremen gehe den Bach runter, Politikversagen auf
ganzer Linie, auf die Nerven geht und ich eine solche Rhetorik für geeignet
halte, das Vertrauen in demokratische Institutionen nachhaltig zu
erschüttern.
Aber damit würde ich es mir zu leicht machen. So wie du jetzt denkst, es
brauche keine Linken und Grünen in diesem Land, habe ich zu lange gedacht,
es gehe auch ohne dich. Ich habe mich geirrt.
17 Mar 2025
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DIR [9] https://www.tagesspiegel.de/politik/rufmordkampagne-gegen-berliner-journalisten-weshalb-nicholas-potter-so-angefeindet-wird-13330585.html
## AUTOREN
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