URI: 
       # taz.de -- Rechter Blogger Curtis Yarvin: Der dunkle Königsmacher
       
       > US-Präsident Donald Trump betreibt mit Elon Musk den Umbau der Demokratie
       > der USA zur Techno-Monarchie. Einer ihrer Vordenker: der rechte Blogger
       > Curtis Yarvin.
       
   IMG Bild: Sucht einen Herrscher statt einer gewählten Regierung: der Blogger Curtis Yarvin
       
       Es dauerte eine gute Woche, nachdem Trump ins Weiße Haus eingezogen war,
       bis sich der ansonsten ungemein produktive Curtis Yarvin auf seinem
       Substack-Blog Gray Mirror zu Wort meldete. Doch als Yarvin in die Tasten
       griff, strömte die Euphorie nur so aus ihm heraus.
       
       „Trump 47 ist nicht Trump 45“, jubelte er. „Er zupft nicht an ein paar
       Fäden des Gordischen Knotens, der zwischen ihm und der Ausübung seiner
       Exekutivgewalt steht. Er reißt riesige Stücke heraus.“ Die moralische
       Energie der Exekutive, schrieb Yarvin weiter, sei plötzlich um ein
       vielfaches Größer als die des administrativen und sogar des judikativen
       Zweiges der Regierung.
       
       Worauf Yarvin selbstverständlich so freudig reagierte, war die Flut an
       Anordnungen, mit der Trump und sein ungewählter Regierungspartner Musk
       daran gingen, den Staatsapparat zu demontieren. Das hatte Yarvin Trump
       nicht zugetraut.
       
       Noch im Jahr 2021 hatte Yarvin dem ultrakonservativen Essayisten Michael
       Anton, der seinerseits am 25. Januar 2025 zum politischen Planungsdirektor
       von Trump ernannt wurde, ein langes Interview gegeben. Darin bezeichnete
       Yarvin Trump als „miserablen CEO“, der es kaum geschafft habe, die kleine
       Kamarilla um sich herum im Zaum zu halten. Was das Land hingegen an seiner
       Spitze brauche, sei ein Macher, einer, der aus dem Nichts etwas schafft. So
       jemanden wie Musk eben.
       
       ## Alle Träume in Erfüllung gegangen
       
       Nun hat Yarvin beides: Musk und einen vor Kraft strotzenden Trump, der
       nicht davor zurückschreckt, sich König zu nennen, an der Spitze der Macht
       in den USA. Es ist, als seien alle Träume in Erfüllung gegangen, die
       Yarvin je gehegt hat. Die New York Times nannte kürzlich Yarvin „Amerikas
       berühmtesten Monarchisten“ und führte mit ihm ein langes Interview, in dem
       er, trotz oft geäußerter Verachtung für die Times, geduldig die Grundzüge
       seiner politischen Philosophie erläuterte.
       
       Es ist eine Philosophie, die er ausformuliert, seit er im Jahr 2008 einen
       Blog-Post mit dem Titel „Wie ich lernte, die Demokratie zu hassen“ schrieb.
       Die Philosophie gipfelt in einer Form der autoritären Machtübernahme, die
       er selbst „Caesarismus“ nennt, die von Kommentatoren aber treffender als
       eine Art von Silicon-Valley-Diktatur beschrieben wird. Und das, was Yarvin
       da seit vielen Jahren beschreibt, ist der US-amerikanischen Realität dieser
       Tage auf gespenstische Art und Weise ähnlich.
       
       Yarvin bezeichnet den bisherigen US-amerikanischen Status quo als eine
       „theokratische Oligarchie“, als eine Herrschaft prestigeträchtiger
       Institutionen, die er auch „die Kathedrale“ nennt. Dazu zählte er, lange
       bevor Trump begann, gegen die „Eliten“ zu wettern, liberale Medien wie die
       New York Times und den Club von Eliteuniversitäten, die eine Kaste mit
       einem ganz bestimmten Weltbild hervorbringen. Dieser Kreis der Mächtigen,
       so Yarvin, beschreibe trügerisch das Amerika, das sie beherrschen, als
       Demokratie.
       
       ## Feindbild liberale Eliten
       
       Es ist kein gänzlich originelles Bild des amerikanischen gesellschaftlichen
       Systems, das Yarvin da zeichnet. Sein intellektueller Urvater [1][Angelo
       Codevilla] beklagte bereits in den 80er Jahren ein linksliberales
       politisches Establishment, welches die Macht des amerikanischen Militärs
       einzuschränken suche. Später weitete Codevilla seine Kritik der in Harvard
       und Yale ausgebildeten liberalen Eliten auf die gesamte amerikanische
       Gesellschaft aus und beklagte deren Deutungshoheit über das, was in Amerika
       als gut und böse, falsch und richtig gelte.
       
       Jeder, der nicht aus dieser Kaste stamme und nicht diese Werte teile, werde
       ausgegrenzt, also die ganze [2][Masse der ungebildeten, von Hilary Clinton
       als „Deplorables“ Bezeichneten], die, wie Yarvin einmal sagte, Trump wie
       einen „Scheck über eine Billion Dollar vom Bürgersteig aufgelesen hat.“
       
       Für Yarvin kam zu der Kritik dieses Kastensystems die Kritik an der
       Verkalkung und Ineffizienz des politischen Apparats unter diesem
       vermeintlich oligarchischen System. Die Unfähigkeit Washingtons, Probleme
       zu lösen, mache einen Systemwechsel geradezu notwendig. Und im Bild der
       aristotelischen Staatslehre gebe es nur zwei Alternativen zur Oligarchie –
       Monarchie und Demokratie. Echte Demokratie in seinem Sinn, von den
       liberalen Eliten als Populismus diskreditiert, habe sich unter der ersten
       Trump-Regierung jedoch auch nicht als besonders effektiv herausgestellt.
       
       ## Systemwandel herbeigesehnt
       
       So glaubt Yarvin schon lange an eine Art von Monarchie, eine zentralisierte
       Herrschaft eines kompetenten Führers, am besten aus dem Silicon Valley.
       Eine Idee, die er ganz direkt von einem weiteren Mentor, dem
       austro-amerikanischen Anarcho-Kapitalisten Hans-Hermann Hoppe bezieht.
       Hoppe hatte in seinem Buch von 2001, „Demokratie: Der gescheiterte Gott“,
       ganz explizit eine neomonarchistische Staatsform gefordert.
       
       Doch noch vor drei Jahren glaubte Yarvin nicht daran, dass ein Systemwandel
       so schnell passieren könne. „Es gibt einfach kein Machtvakuum.“ Die
       theokratische Oligarchie der liberalen Eliten, glaubt er, werde wohl noch
       Jahrzehnte andauern.
       
       Nun ist Yarvin ganz aus dem Häuschen, dass es doch so schnell geht. Dabei
       hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass nur anderthalb Monate nach der
       Regierungsübernahme Trumps alles danach aussieht, als befänden wir uns
       mitten in einem Übergang zwischen einer wenigstens noch nominell
       funktionierenden Demokratie zu einer Techno-Monarchie.
       
       Seit mehr als zehn Jahren hat Yarvin Schritt für Schritt den Plan für
       Gleichschaltung und Machtübernahme aufgezeichnet. Und man hat ihn
       aufmerksam gelesen. Peter Thiel gehört zu seinen Förderern, [3][Elon Musk]
       ist mit seiner Arbeit wohl vertraut. Seine Gedanken haben sich in einer
       neuen intellektuellen Bewegung, die sich das „Dark Enlightenment“ – die
       dunkle Aufklärung – nennt, verbreitet, unter anderem in einem populären
       Finanzblog namens Zero Hedge. Und es ist kein Zufall, dass Yarvin als
       Ehrengast zu Trumps Inauguration in Washington eingeladen war.
       
       ## Den Regierungsapparat aushöhlen und gleichschalten
       
       Schon vor 13 Jahren schrieb Yarvin von einer Strategie namens RAGE, Akronym
       für „Retire All Government Employees“ – schickt alle
       Regierungsangestellten in den Ruhestand. Mit überwältigender
       Geschwindigkeit müsste der neue Monarch in den ersten Wochen seiner
       Amtsübernahme den kompletten Regierungsapparat aushöhlen und
       gleichschalten. Yarvin sprach unverhohlen von der Notwendigkeit einer
       Notstandsregierung, das historische Vorbild ist in Deutschland wohlbekannt.
       Dabei Gerichtsurteile einfach zu ignorieren, hält Yarvin für zielführend
       und gerechtfertigt.
       
       Trump und Musk halten sich zwar vorerst noch an gerichtliche Versuche, ihre
       Initiativen zu stoppen. Doch es ist gegenwärtig nicht klar, welche
       Konsequenzen es hätte, wenn sie das nicht täten. Und dass Trump sich selbst
       bereits als König bezeichnet, deutet daraufhin, dass er zumindest schon
       einmal etwas von der neomonarchistischen Ideologie gehört hat, in deren
       Verwirklichung er nun eine Hauptrolle spielt.
       
       Das Ziel des Coups ist laut Yarvin die Überführung in ein besseres
       Regierungssystem für alle Bürger, besser, weil kompetenter. Er sieht es als
       freudvolle Revolution und ist fest davon überzeugt, dass die Bürger ihrem
       neuen Herrscher zujubeln werden, wenn sie erst sehen, welches Glück er
       ihnen bringt.
       
       Davon sind die USA freilich noch weit entfernt. Ein Großteil der
       Bevölkerung versucht noch zu verstehen, was ihnen da mit rasender
       Geschwindigkeit widerfährt. Und statt einer glänzenden Techno-Monarchie
       sehen sie kollidierende Flugzeuge nach dem Aushöhlen der Flugbehörde,
       kollabierende Infrastruktur, verseuchte Flüsse und verpestete Luft und
       Massenarmut. Dass Musk all das mit Algorithmen und Apps lösen kann,
       erscheint derzeit eher utopisch.
       
       15 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.hoover.org/profiles/angelo-m-codevilla
   DIR [2] /Satire-Thriller-The-Hunt/!5724144
   DIR [3] /Elon-Musk-und-Apartheid/!6061718
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sebastian Moll
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR USA
   DIR Elon Musk
   DIR Monarchie
   DIR Krise der Demokratie
   DIR Demokratie
   DIR Silicon Valley
   DIR wochentaz
   DIR GNS
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Kulturkolumnen
   DIR Zeitung
   DIR Nation of Islam
   DIR Schwerpunkt Pressefreiheit
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt Leipziger Buchmesse 2025
   DIR Architektur
   DIR US-Literatur
   DIR Elon Musk
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Trumps neuer Ballsaal: Weiß, Gold, Bling
       
       Donald Trump lässt den Ostflügel des Weißen Hauses abreißen. Sein geplanter
       Ballsaal beunruhigt – ästhetisch und demokratietheoretisch.
       
   DIR Museen in den USA unter Druck: Ein neuer Kontinent für Gottes Reich
       
       Was steckt hinter Trumps Vorstoß, US-Museen von einem unabhängigen Denken
       zu säubern? Vielleicht mehr als nur sein MAGA-faschistisches
       Geschichtsbild.
       
   DIR Reportage über coole Rechte: Eingeweihte unter sich
       
       Die Reportage im „Zeit-Magazin“ liest sich, als habe Gramsci das Drehbuch
       geschrieben. Die Rechte strebt nach Hegemonie durch ehemals linke
       Praktiken.
       
   DIR „Zeit-Magazin“ über Dimes Square: Jegliche Distanz verloren
       
       Das „Zeit-Magazin“ hat der neorechten Dimes-Square-Szene in Manhattan eine
       Titel-Reportage gewidmet. Der Text lässt jede Distanz vermissen.
       
   DIR Malcom X. 100. Geburtstag: Mit allen notwendigen Mitteln
       
       Malcolm X verkörperte die radikale Seite des Kampfes gegen Rassismus. Was
       hätte er erreichen können, wäre er nicht jung ermordet worden?
       
   DIR Tag der Pressefreiheit 2025: „Benenne die Lüge, bleib bei den Fakten“
       
       Eine internationale Journalismuskonferenz in Italien diskutiert Strategien,
       wie die große Medienmacht der Techtitanen gebrochen werden kann.
       
   DIR Die gefährlichsten Figuren um Trump: Gottes Reich und Voughts Beitrag
       
       Mit Trump kam in den USA ein christlicher Nationalismus an die Macht. Ist
       dessen Sprecher Russel Vought der eigentliche Macher des Regierungsumbaus?
       
   DIR Der Irrsinn der Tech-Oligarchen: Schäbige Visionäre
       
       Den Planeten zerstören und dann nichts wie weg: Der frühere Cyberpunk
       Douglas Rushkoff gibt in seinem Buch Einblicke ins Mindset von
       Tech-Oligarchen.
       
   DIR Trumps umstrittenes Architektur-Dekret: Zurück ins Altertum
       
       Donald Trump entschied per Dekret, dass öffentliche US-Bauten
       klassizistisch aussehen sollen. Das passt so gar nicht zum Stil, in dem
       sonst im Land gebaut wird.
       
   DIR Schwarze US-Literatur unter Trump: Black Lives Matter wird abgewickelt
       
       US-Präsident Donald Trump würgt Maßnahmen zu mehr Diversität auf
       kulturellem Terrain rigide ab. Kommt das den großen Verlagen in den Staaten
       gelegen?
       
   DIR Elon Musk und Apartheid: Südafrikaner mit britischem Hintergrund
       
       Elon Musk hat eine privilegierte Kindheit und Jugend im Südafrika der
       Apartheid verbracht. Hat das seine libertäre Weltsicht geprägt?