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       # taz.de -- Historische Wende: Abdullah Öcalan verkündet Auflösung der PKK
       
       > Vertreter der kurdischen Partei DEM haben eine Erklärung des inhaftierten
       > PKK-Anführers verlesen: Öcalan ruft zum Ende des bewaffneten Kampfes auf.
       
   IMG Bild: Historisches Foto von Öcalan. 1990 im Ausbildungslager in der Bekaa Ebene im Libanon
       
       Nach 40 Jahren Krieg hat Abdullah Öcalan, Gründer und historischer Anführer
       der kurdischen PKK (Arbeiterpartei) seine Partei dazu aufgerufen, den
       bewaffneten Konflikt zu beenden. Auf einer völlig überfüllten
       Pressekonferenz in Istanbul, unter einem großen Bild von Abdullah Öcalan,
       verlasen Vertreter der kurdischen Partei DEM, die am Morgen Öcalan auf
       seiner Gefängnisinsel İmralı besucht hatten, den schon vorab als
       „historisch“ titulierten Aufruf des PKK-Führers. Öcalan ruft darin
       unmissverständlich dazu auf, die Waffen niederzulegen und die PKK
       aufzulösen. Die Partei solle einen Kongress einberufen, um darüber zu
       beraten, wie man die Arbeit für das kurdische Volk unbewaffnet fortsetzen
       könne.
       
       Bis Redaktionsschluss war nicht bekannt, ob die türkische Regierung Öcalan
       eine Gegenleistung versprochen hat. Sogar über seine Entlassung war
       spekuliert worden. Allerdings ist fraglich, ob der 75-Jährige die Insel
       verlassen will, weil er nur dort sicher ist. Völlig unklar ist auch, ob
       andere führende kurdische Politiker wie Selahattin Demirtaş oder Figen
       Yüksekdağ eine Chance haben, aus dem Gefängnis entlassen zu werden.
       
       Für die türkische Regierung ist nun entscheidend, wie die PKK-Führung im
       Nordirak auf Öcalans Aufruf reagieren wird. Allerdings gab es im Vorfeld
       Kontakte und Absprachen, sodass man davon ausgehen kann, dass sie Öcalans
       Vorgaben nachkommen werden.
       
       Eingeleitet hatte den sogenannten Friedensprozess [1][ausgerechnet der Chef
       der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahçeli,] der im Oktober letzten
       Jahres Abdullah Öcalan aufforderte, ins türkische Parlament zu kommen und
       dort die Auflösung der PKK zu verkünden. Nachdem Präsident Recep Tayyip
       Erdoğan seine Unterstützung Bahçelis öffentlich verkündet hatte, erhielten
       anschließend Vertreter der legalen kurdischen Partei DEM, die als
       drittgrößte Fraktion im türkischen Parlament sitzt, erstmals nach mehr als
       zehn Jahren wieder die Erlaubnis, [2][Öcalan auf der Gefängnisinsel İmralı
       zu besuchen]. Öcalan sitzt seit seiner Festnahme 1999 weitgehend isoliert
       auf der Insel und durfte jahrelang von niemandem besucht werden.
       
       Nach diesem ersten Treffen, zu dem Pervin Buldan und Sırrı Süreyya Önder zu
       Öcalan gefahren waren, zwei führende DEM-VertreterInnen, die schon in der
       Vorgängerpartei HDP eine wichtige Rolle gespielt hatten, verlasen die
       beiden eine Erklärung Öcalans, die zeigte, dass dieser gewillt war, auf die
       Forderungen von Bahçeli und Erdoğan einzugehen. Wörtlich sagte er, „die
       Wiederherstellung der türkisch-kurdischen Brüderlichkeit ist nicht nur eine
       historische Verantwortung, sondern auch eine Dringlichkeit für alle
       Völker“.
       
       Nach diesem Besuch trafen sich Buldan, Önder und der Senior der DEM, Ahmet
       Türk, über mehrere Wochen mit allen im Parlament vertretenen Parteien, um
       einschätzen zu können, ob eine Mehrheit im Parlament einen Friedensprozess
       unterstützen würde. Das Ergebnis: ja. Auch die beiden inhaftierten
       ehemaligen HDP-Vorsitzenden Demirtaş und Yüksekdağ erklärten, man müsse
       jede Gelegenheit ergreifen, um zum Frieden zu kommen. Nach einem zweiten
       Besuch bei Öcalan von Buldan, Önder und Türk drang nur durch, dass Öcalan
       bereit zu einer wichtigen Ankündigung sei. Bevor am Donnerstag dann gleich
       sieben Vertreter der DEM Öcalan aufsuchten, reisten die drei
       Hauptverhandler für zwei Tage in den Nordirak, um dort Masud Barsani, den
       Patriarchen der Demokratischen Partei des Nordiraks, zu treffen. Barsani
       hat zwar offiziell kein Regierungsamt mehr in der Autonomen Zone inne, sein
       Neffe führt dort nun die Regierung an, ist aber immer noch der
       entscheidende Mann im Hintergrund. Er hat auch einen ständigen Kontakt zu
       Erdoğan.
       
       Was die Führung der Kurden in Syrien zu dem ganzen Prozess sagt, ist
       offiziell nicht bekannt. Die [3][kurdische Miliz YPG] ist offiziell nicht
       Teil der PKK, allerdings sind die Kontakte sehr eng und die türkische
       Regierung betrachtet die YPG als direkten Ableger der PKK. Die neue
       syrische Regierung drängt darauf, dass alle Milizen im Land ihre Waffen
       abgeben, was die Kurden bislang noch verweigern. Auch deshalb drängten
       Bahçeli und Erdoğan auf eine „historische“ Erklärung Öcalans.
       
       Tatsächlich könnte eine solche Erklärung zur Niederlegung der Waffen auch
       Auswirkungen in Syrien haben. Salih Muslim, ein wichtiger Funktionär der
       syrischen Kurden, sagte bereits am Mittwoch: Auch für uns wird die
       Erklärung Öcalans eine wichtige Rolle spielen.
       
       27 Feb 2025
       
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