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       # taz.de -- Musik und Ausstellung zum Thema Pilze: Ein Schleierling namens Cage
       
       > Uneindeutig und Unbehagen stiftend: Der Pilz erlebt eine bemerkenswerte
       > Konjunktur – auch und gerade in kulturellen Zusammenhängen.
       
   IMG Bild: Kulturell angesagt: Pilze wie zum Beispiel der „Zweifarbige Wasserkopf“
       
       Sie haben Karriere gemacht, die schwammigen, auch mal schuppigen (oder auch
       ganz andere Haptik mitbringenden) Gesellen: [1][Auf Theaterbühnen] und in
       Ausstellungen sind sie aufgetreten und liefern zuverlässig Stoff für
       populäre Bücher.
       
       „Das größte Lebewesen der Welt ist nicht etwa ein Wal oder so etwas, nein“,
       [2][skeetete es] dieser Tage erst wieder die Autorin Jasmin Schreiber
       [3][auf Bluesky]: „Es ist ein 2.400 Jahre alter Pilz (Armillaria ostoyae),
       der sich in Oregon über eine Fläche von fast 900 Hektar erstreckt!“ So was
       ist der Stoff, aus dem Sachbuch-Bestseller sich speisen; gut, Horrorfilme
       auch. Und worum geht es noch mal in diesem wiederum [4][als Fernsehserie
       adaptierten] Erfolgs-Videospiel „The Last of us“? Na?
       
       Was wir gerne dem Eisberg nachsagen, gilt allemal für so einen Monsterpilz,
       nämlich dass er sich allergrößtenteils verborgen hält vor unserem Blick.
       Was ihn ja gerade so gruselig unberechenbar scheinen lässt. Tatsächlich
       unsichtbar fürs unverstärkte menschliche Auge ist die umso realere Gefahr,
       die Pilzbefall in unseren Wohnräumen bedeutet: [5][Schimmelsporen in der
       Atemluft] können zu schweren Erkrankungen führen – und da reden wir noch
       nicht mal von einem ausdrücklich giftigen Pilz.
       
       Unbehagen mag manchem schon das vermeintlich Amorph-Schwammige, auch mal
       Glitschige an sich bereiten – „Pilz“ stammt übrigens vom lateinischen
       „bōlētus“ ab und hat mit der Form zu tun, in der uns viele auch essbare
       Pilze begegnen: Hut und Stiel, aus dem Waldboden hervorragend etwa.
       
       Dem gegenüber verweist das botanische „Fungi“, von lateinisch „fungus“ aufs
       altgriechische Wort „sphóngos“ – „Schwämme“. Und können sich die Dinger
       nicht auch einfach mal entscheiden, ob sie nun Pflanze sind oder Tier? Ganz
       schwer auszuhalten, so was, für den alles und jedes so gerne
       rubrizierenden, sortierenden, in Ordnungen bringenden Menschen.
       
       Oder ist Ambivalenz halt einfach, was unser ganzes Verhältnis mit Schwamm
       und Pilz und Spore ausmacht? Was auf der Badezimmertapete ein Problem ist,
       [6][ist auf dem Herd dann konstitutiver Bestandteil von Gerichten]. „Geh
       hinaus in die Felder und Wälder und suche Dir einen Pilz. Bring ihn in die
       Küche, in die Du zuvor Dein Klavier bugsiert hast“: Was kurz klingt wie aus
       dem Vorwort eines Kochbuchs, stammt vom [7][US-amerikanischen
       Avantgardekomponisten John Cage (1912–1992)]. Der war nicht nur
       passionierter Sammler und Verarbeiter von Pilzen und erwarb sich
       autodidaktisch erhebliches Pilz-Wissen.
       
       [8][Der Freund des vermeintlich Zufälligen] suchte auch das Komponieren von
       Musik auf Pilz-Prinzipien fußen zu lassen: „Zähle die Lamellen des Pilzes
       (im Fall einer Morchel die Löchlein). Ihre Anzahl ergibt die Takte des
       Stücks“, so geht es weiter in seiner [9][Spielanweisung zur „Mushroom
       Music“ für präpariertes Klavier]; den Takt, also Drei- oder Vier-Viertel,
       bestimmt dann wiederum die Stängellänge in Zentimetern, respektive, ob sie
       sich durch drei teilen lässt oder durch zwei …
       
       „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man durch die Beschäftigung mit
       Pilzen viel über Musik lernen kann“, schrieb Cage 1954 in seinem Buch
       [10][„A Mycological Foray“]. Im Gegenzug, vielleicht, trägt einer von
       ihnen, der – ungenießbare – „Zweifarbige Wasserkopf“ aus der Gattung der
       Schleierlinge, auch seinen Namen: [11][Cortinarius cagei].
       
       9 Mar 2025
       
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   DIR [10] https://www.youtube.com/watch?v=_asGUmbL23w
   DIR [11] https://pilzbestimmer.de/Detailed/11812.html
       
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