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       # taz.de -- Deutschland sucht Position zur Ukraine: Zwei mögliche Sondervermögen sollen es richten
       
       > SPD und Union reagieren entrüstet auf die Vorgänge im Oval Office. Für
       > Investitionen kursiert eine neue Idee.
       
   IMG Bild: Sind schon im Gespräch: noch-Kanzler Scholz und sein mutmaßlicher Nachfolger Merz
       
       Berlin taz | Der Eklat im Weißen Haus am Freitag könnte die
       Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD beschleunigen. Ein erstes Indiz
       dafür lieferte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch am selben Abend. Nur
       Stunden nach der [1][Demütigung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr
       Selenskyj durch US-Präsident Donald Trump und dessen Vize JD Vance] rief
       Scholz seinen voraussichtlichen Nachfolger Friedrich Merz (CDU) an, um über
       die Folgen des Eklats für Deutschland und die Welt zu sprechen.
       
       Eine so enge Abstimmung vor der Staffelübergabe hatte das Kanzleramt
       bislang ausgeschlossen. Noch am Freitagmittag hatte Regierungssprecher
       Steffen Hebestreit keine Notwendigkeit dafür gesehen, Merz stärker in die
       aktuelle Regierungsarbeit einzubinden. Zum Ukrainegipfel in London am
       Sonntag reiste Scholz alleine.
       
       Inhaltlich scheinen der Noch- und der mutmaßlich künftige Kanzler die Lage
       ähnlich zu beurteilen. Scholz machte in einer knappen Stellungnahme am
       Freitagabend deutlich, dass es aus seiner Sicht eine dauerhafte Beilegung
       des Konflikts nur mit Beteiligung der Ukraine geben könne. „Niemand will
       Frieden mehr als die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine. Deswegen suchen
       wir gemeinsam den Weg zu einem dauerhaften und gerechten Frieden.“
       
       Auf Deutschland und auf Europa könne sich die Ukraine verlassen, so Scholz.
       Auch Merz bekundete seine Solidarität: „Lieber Wolodymyr Selenskyj, wir
       stehen der Ukraine in guten wie in schwierigen Zeiten zur Seite. Wir dürfen
       in diesem schrecklichen Krieg niemals Angreifer und Opfer verwechseln.“
       
       ## Ausnahme von der Schuldenbremse?
       
       Unklar ist bislang, wie Deutschland seine Zusagen für weitere militärische
       Unterstützung der Ukraine finanzieren möchte. Die scheidende
       Bundesregierung hat zuletzt nochmal die Möglichkeit ins Spiel gebracht,
       eine „Notlage“ zu erklären und somit Kredite über eine Ausnahme von der
       Schuldenbremse aufzunehmen – diese Variante war zuletzt bekanntlich am
       Widerstand der FDP gescheitert und hatte das Aus der Ampel-Regierung
       eingeläutet.
       
       Am Samstag appellierte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) angesichts
       der „neuen Zeit der Ruchlosigkeit an alle im Bundestag vertretenen
       demokratischen Parteien“, jetzt die seit Herbst blockierten drei Milliarden
       Euro Hilfsgelder für die Ukraine freizugeben. Baerbock forderte zudem eine
       „grundsätzliche Reform der Schuldenbremse“, um künftig auch hybriden
       Angriffen begegnen zu können. Selbst die Linkspartei kündigte am Sonntag
       als Reaktion auf den Eklat im Oval Office an, im Bundestag für eine
       Aufhebung der Schuldenbremse zu stimmen – allerdings mit der Einschränkung,
       dadurch nur „finanzielle zivile Hilfen“ für die Ukraine ermöglichen zu
       wollen.
       
       Union und SPD verhandeln in den seit Freitag laufenden
       Sondierungsgesprächen zwar auch über eine Reform der Schuldenbremse. Für
       die sicherheitspolitischen Herausforderungen der neuen Weltlage planen sie
       offenbar eine kurzfristigere Lösung: Wie die Nachrichtenagentur Reuters am
       Sonntag meldete, erwägen CDU, CSU und SPD zwei milliardenschwere
       Sondervermögen, um damit Verteidigungsausgaben und Investitionen in die
       Infrastruktur zu finanzieren. Weil dafür jedoch eine Zweidrittelmehrheit im
       Bundestag nötig ist – und AfD und Linkspartei im neuen Bundestag über eine
       Sperrminorität verfügen – überlegen die Sondierer:innen, die Sondervermögen
       noch im März mit dem alten Bundestag zu verabschieden.
       
       Ob dies juristisch sauber ist, ist allerdings umstritten. Die Linkspartei
       droht in dem Fall mit Verfassungsklage, auch die FDP äußerte sich
       zurückhaltend. [2][Im taz-Interiew sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann
       (FDP)], diese Variante sei „demokratietheoretisch“ bedenklich. Ob Union und
       SPD bei ihrem Plan bleiben, steht aber noch nicht fest. Auf Fachebene
       würden Alternativen durchgespielt. Eines steht aber bereits fest. Aufgrund
       der aktuellen Weltlage sondieren Union und SPD trotz Karneval ab Montag
       weiter.
       
       2 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ukraines-Praesident-in-Washington/!6072965
   DIR [2] /Strack-Zimmermann-zur-politischen-Lage/!6072999
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Pauli
       
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